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Filmemacher„Mein Leben hat einen Sinn, wenn ich eine Geschichte erzähle“: Werner Herzog wird 80

Filmemacher / „Mein Leben hat einen Sinn, wenn ich eine Geschichte erzähle“: Werner Herzog wird 80
Wer solche Freunde hat… Werner Herzog 1982 in Cannes mit Klaus Kinski und Claudia Cardinale. Die heftigen Auseinandersetzungen mit Kinski wurden in „Mein liebster Feind“ thematisiert --/AP/dpa

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In München geboren – als Weltenbummler mit der Kamera berühmt: Werner Herzog nahm es im Urwald mit Klaus Kinski und in Alaska mit Grizzlybären auf. In entlegenen Ecken findet er packende Storys – auch noch mit 80 Jahren.

Menschen, Geschichten und Landschaften der Extreme verfolgt er seit Jahrzehnten – und auch mit 80 Jahren hält Werner Herzog nicht an. „Ich versuche, ein guter Soldat zu bleiben. Ein guter Soldat des Kinos“, sagt der Regisseur in dem Künstlerporträt „Werner Herzog – Radical Dreamer“ von Regisseur Thomas von Steinaecker, das am 27. Oktober in den Kinos anläuft. „Mein Leben hat einen Sinn, wenn ich eine Geschichte erzähle, von der ich weiß, dass sie tief in uns schlummert“, resümiert der Filmemacher in der Doku. Und stolz verweist er auf sein unermüdliches Schaffen. Er habe drei Filme in nur einem Jahr gemacht, und im Jahr zuvor, als man Covid-bedingt nicht viel reisen konnte, einen Spielfilm gedreht und zwei Bücher geschrieben. 

Herzog, der an diesem Montag (5. September) 80 Jahre alt wird, ist um seinen Geburtstag herum gleich auf zwei Filmfestivals unterwegs, wie sein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Erst in Telluride (US-Staat Colorado), dann beim Filmfest im kanadischen Toronto. Dort stellt er seine neue Dokumentation „Theater of Thought“ über die moderne Hirnforschung vor. 

352 Seiten lang sind seine Ende August erschienenen Memoiren „Jeder für sich und Gott gegen alle“. Seine Lebensgeschichte könnte Bände füllen. Sie liefert auch reichlich Material für die laufende Ausstellung in der Berliner Kinemathek mit rund 250 Exponaten, darunter viele Archivbilder, aber auch Videomaterial und persönliche Schreiben. Werner Herzog ist Kult und er ist auch kontrovers, heißt es auf der Webseite des Museums.

Das amerikanische Time-Magazin wählte Herzog 2009 unter die 100 einflussreichsten Personen der Welt. Im selben Jahr wurde seine Antarktis-Dokumentation „Encounters at the End of the World“ für einen Oscar nominiert. Von der Antarktis über eine Höhle in Südfrankreich („Die Höhle der vergessenen Träume“) begab sich Herzog für die Kino-Doku „Tod in Texas“ und die TV-Produktion „On Death Row“ in den Todestrakt von US-Gefängnissen, wo Insassen auf ihre Hinrichtung warten. „Das ist Material von einer Intensität, die ich nie bisher bei irgendeinem Film gehabt habe“, sagte Herzog 2012 der dpa.

Die Doku „Grizzly Man“ führte ihn zu einem Bärenforscher in Alaska, „In den Tiefen des Infernos“ brachte ihn an den Rand von Vulkanen, in „Fireball: Besuch aus fernen Welten“ beschäftigt er sich mit Meteoriten, in „Gorbatschow – Eine Begegnung“ mit dem früheren sowjetischen Staatsoberhaupt Michail Gorbatschow. 

Doch er tauscht auch den Platz – vor die Kamera. Mehrere Male hatte er eine Stimm-Gastrolle in der kultigen Zeichentrickserie „Die Simpsons“. In der „Star Wars“-Serie „The Mandalorian“ spielte er 2020 einen Schurken. Als Bösewicht im Actionfilm „Jack Reacher“ machte er zuvor schon Tom Cruise das Leben schwer.

Der 1942 unter dem Namen Werner Stipetic als Sohn einer kroatischen Mutter und eines deutschen Vaters in München geborene Künstler wuchs in einem Bergdorf an der Grenze zu Österreich auf. Dort hatte die Familie nach Bombenangriffen auf München Schutz gesucht. Der Vater sei kurz nach seiner Geburt verschwunden, erzählt Herzog in der Doku „Radical Dreamer“ – und erinnert sich beim Besuch des kleinen Dorfes an die ärmlichen Verhältnisse, den ständigen Hunger der Kinder, aber auch an ausgelassene Spiele mit den Brüdern, an Natur und die Freiheit, nach „eigenen Regeln“ zu leben.

Er studierte Geschichte und Literatur, das Filmhandwerk brachte er sich selbst bei. Mit knapp 20 Jahren drehte er 1961 seinen ersten Kurzfilm. In „Herakles“ beobachtete er Bodybuilder, die vor der Kamera posieren. Vier Jahre später – bei der Berlinale 1968 – holte er mit „Lebenszeichen“ den Silbernen Bären für den besten Erstlingsfilm.

Mit Kollegen wie Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder und Volker Schlöndorff prägt Herzog den Neuen Deutschen Film. Er suchte starke Persönlichkeiten und extreme Geschichten. Mit Klaus Kinski, dem exzentrischen Star gemeinsamer Filme wie „Aguirre, der Zorn Gottes“ und „Fitzcarraldo“, drehte er in den 1970er und 1980er Jahren unter schwierigsten und gefährlichen Bedingungen im südamerikanischen Dschungel. Das tobsüchtige Schauspielgenie holte er auch für „Nosferatu – Phantom der Nacht“ und „Woyzeck“ vor die Kamera. In der Doku „Mein liebster Feind“ ließ er sich über ihre Hassliebe aus. 

„Man spürt diese Wildheit, die nur sehr wenige Regisseure erzeugen können“, bescheinigt Schauspieler Robert Pattinson dem Filmemacher in der Doku „Radical Dreamer“. Es habe sie enorm gereizt, sich in diese „Werner-Welt“ zu begeben und Dinge zu wagen, erzählt Nicole Kidman. In Herzogs „Königin der Wüste“ verkörpert die Oscar-Preisträgerin die britische Forscherin Gertrude Bell, die Anfang des 20. Jahrhunderts entlegene Wüstenregionen des Nahen Ostens erkundete. „Twilight“-Star Pattinson spielt an ihrer Seite.

Manche würden Werner Herzog als „Durchgeknallten“ ansehen, meint Christian Bale, der mit ihm den Kriegsfilm „Rescue Dawn“ (2006) drehte. Doch für ihn sei er einer der liebenswürdigsten Menschen, die er je getroffen habe, betont der Star.

Mit seiner dritten Frau, der Fotografin Lena Herzog, lebt der Wahlkalifornier seit den 1990er Jahren in Los Angeles. Er sei gerne an einem Ort, wo man das Gefühl habe, dass etwas passiert, sagt Herzog. „Hier redet man nicht nur, sondern macht einfach.“

Einen ganz besonderen Reiseort hat der ewige Weltenbummler noch vor Augen. „Ich würde gern ins All“, erzählt der dreifache Vater im Doku-Interview. „Ich bin dafür, den Weltraum filmisch zu erforschen.“ Mit extremen Welten kennt er sich schließlich bestens aus.