Wenn die Treibstoffpreise durch das Wegfallen des Tankrabatts noch weiter den Preisbereichen entsteigen, die in Luxemburg lange Normalität waren, wird der Luxemburgische Verbraucherverband (ULC) der Maßnahme ein ehrendes Andenken bewahren: „Wir wollten, dass der Tankrabatt verlängert wird“, sagt ULC-Präsident Nico Hoffmann im Gespräch mit dem Tageblatt. Das hätte die Regierung über die Mehrwertsteuer (TVA) oder Akzisen bewerkstelligen können.
Gerade im Norden, Westen und Osten des Landes sei der öffentliche Transport nun einmal nicht so ausgebaut, wie er es sein müsste, um für viele Menschen eine reelle Alternative zum eigenen Fahrzeug zu sein: „Und das schlägt sich dann auch im Geldbeutel nieder“, stellt Hoffmann zum weiter erwartbaren Preisanstieg fest.
Generell hätte man bei den Energiepreisen den Menschen durch das Einfrieren der Preise oder einen festgelegten Maximalpreis unter die Arme greifen können, meint der Verbraucherschutzpräsident: „Es geht hier um nichts weniger als um die Existenz der Menschen!“ Man müsse jetzt zuerst den sozial Schwächergestellten wie auch der Mittelschicht in Luxemburg helfen. „Wir würden den Tankrabatt gerne verlängert sehen, bis die Krise spürbar nachlässt.“ Vorläufig bleibt Hoffmann aber nur der neidische Blick aufs (westliche) Ausland: „In Frankreich wird der Tankrabatt ja sogar auf 30 Cent angehoben.“
„System Tankstelle“ in Deutschland
Der östliche Nachbar Deutschland schafft seinen Tankrabatt allerdings ebenfalls zum 1. September ab – wodurch es unwahrscheinlich bleibt, da sich allzu schnell dort die ungewöhnliche Situation wiederholt, dass das Tanken in Deutschland billiger ist als im Großherzogtum. (Was wohl auch Zweck der Übung war, den Rabatt in Luxemburg zu verlängern.)
Vor diesem Hintergrund mag es überraschen, dass der deutsche Tankstelleninteressenverband (TIV) dem Wegfallen der Maßnahme kaum nachtrauert. Aber die Betreiber der Tankstellen hätten sowieso kaum etwas davon gehabt: „Autofahrer und Tankstellenpächter sind dem ‚System Tankstelle‘ hilflos ausgeliefert und zahlen die Zeche, während multinationale Mineralölkonzerne aus der aktuellen Energiekrise Gewinne ziehen“, heißt es in einer Stellungnahme zum Ende des Tankrabatts.
„Angesichts der aktuellen Spritpreise würde der Liter Super mit dem Tankrabatt-Aufschlag rund 2,05 Euro kosten und Diesel rund 2,17 Euro“, rechnet ein TIV-Sprecher vor, ist aber skeptisch, ob es wirklich sofort so weit kommt: Das liege „vor allem in den Händen der Mineralölkonzerne“. Doch in deren Chefetagen stritten die „Falken“ mit den „Tauben“: Während die einen schon in der Nacht zum 1. September die rabattierte Steuer wieder voll draufschlagen wollen, wollen die anderen lieber einen langsamen Anstieg – auch, „um nicht schon wieder so viele öffentliche Prügel zu beziehen“, glaubt der Lobbyist.
Der große Reibach?
Die Konzerne würden mit der rapiden Erhöhung schön etwas einstreichen: „Der Sprit in den Erdtanks unter den bundesdeutschen Tankstellen wurde noch mit dem vollen Tankrabatt eingekauft und kann jetzt teurer verkauft werden“, erklärt der Sprecher – und dass die Tankstellenpächter vom Spritverkauf nur eine mickrige Provision sähen: „Das Hauptgeschäft kommt aus dem Shop, dessen Sortiment allerdings von den Mineralölgesellschaften bestimmt wird.“
Mit dem Beginn des Krisenjahres 2022 habe sich der Spritpreis vom Ölpreis abgekoppelt, wobei berechenbare Parameter fehlen würden: In der Branchen gälten dauerhafte Preise jenseits der Zwei-Euro-Marke längst als sicher: Ohnehin hätten sich die Verbraucher „erstaunlich preisunsensibel“ gezeigt. Auch „das ständige Beschreiben von bevorstehenden Energie-Horrorszenarien seitens der Politik“ habe ein Klima geschaffen, in dem hohe Spritpreise achselzuckend hingenommen würden. Und das werde eiskalt ausgenutzt: „Diese Markterfahrungen machen sich die Pricing-Abteilungen der großen Konzerne zunutze und spielen schon das ganze Jahr mehr denn je auf der preispolitischen Klaviatur zum Nachteil der Autofahrer und Berufspendler“, kritisiert der TIV-Sprecher (und dass die Tankstellenbetreiber davon nicht einmal allzu viel hätten).
Die Befürchtung, dass steuerliche Rabatte oder staatliche Zuschüsse beim Verkauf direkt „mit eingepreist“ werden, muss man aber, zumindest beim Kraftstoff, in Luxemburg nicht haben. Das versichert das Ministerium für Energie und Raumentwicklung auf Anfrage des Tageblatt: „Die Situation in Luxemburg ist nicht mit Deutschland zu vergleichen“, heißt es. Schließlich könne man „durch die Festlegung eines Maximalpreises Mitnahmeeffekte des Importeurs und des Tankstellenbetreibers ausschließen“.
Die heftigen Bewegungen der Preise hätten andere Gründe gehabt – etwa „Cotationen der Basisprodukte Benzin und Diesel auf den regionalen Produktmärkten, zum Beispiel in Rotterdam“. Dort spiele der Weltmarktpreis, der Dollar-Euro-Wechselkurs und auch gelegentlich die Knappheit eben entscheidende Rollen.
Wie wird der Preis in Luxemburg festgelegt?
Die „Maximalpreise“ werden täglich mit einer mathematischen Formel neu berechnet. Darin sind Dollarschwankungen, Preisentwicklung auf dem Rohölmarkt, Transport- und Lagerungskosten sowie Steuern berücksichtigt. Für die Formel bezieht die zuständige Stelle im Energieministerium Preisnotierungen, die den jeweiligen Marktpreis widerspiegeln. Sie werden von einem unabhängigen Institut errechnet. In den Maximalpreis fließen auch Notierungen von Produkten ein, die auf den ersten Blick nichts mit Erdöl zu tun haben, zum Beispiel Bio-Stoffe wie Fettsäuremethylester oder Ethanol. (fey)
Wann wird der Preis angepasst?
Die Formel generiert automatisch jeden Tag einen Höchstpreis. Das Energieministerium vergleicht diesen mit dem momentanen Preis an der Tankstelle. Beim Diesel kann der Maximalpreis beispielsweise dann angepasst werden, wenn die Abweichungen der zwei vergangenen Tage über zehn Euro pro 1.000 Liter lagen – oder wenn der Preisunterschied in zehn Tagen mehr als sechs Euro pro 1.000 Liter beträgt. Damit ist sichergestellt, dass der Maximalpreis die Entwicklung der Ölmärkte widerspiegelt, ohne dass der Konsument ständigen Preisschwankungen ausgesetzt sei, sagt die Regierung. (fey)
Hat die Regierung Einfluss auf den Preis?
Der Staat kann nur die Formel anwenden, aber nicht verhindern, dass die Preise steigen. „Wenn die Preisnotierungen steigen, dann kaufen die Ölkonzern das finale Produkt zu diesen Preisen und dann muss der Endpreis auch angepasst werden“, erklärt ein Sprecher des Energieministeriums. Der Spritpreis an den Zapfsäulen setzt sich laut petrol.lu aus dem Einkaufspreis bei der Raffinerie (47 Prozent), Transportkosten (9 Prozent), Akzisen (29 Prozent) und der Mehrwertsteuer (14 Prozent) zusammen. (fey)
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