Häufen sich Vermisstenmeldungen oder täusche ich mich? Wobei es eigentlich egal ist, ob es sich um einen subjektiven oder objektiven Eindruck handelt. Grundsätzlich ist nämlich jeder Vermisste einer zu viel. Und letzten Endes dürften die allerwenigsten Menschen, die als vermisst gemeldet werden, aus purer Lebensfreude gehandelt haben. Wichtig scheint es daher, darüber nachzudenken, warum sie von der Bildfläche verschwinden und wie ihnen geholfen werden kann. Dabei gilt die Sorge vor allem Minderjährigen.
Gelten Jugendliche als vermisst, wird stets nach ihnen gesucht. Im Gegensatz zu Erwachsenen, die ein gewisses Recht haben, ohne Angabe von Gründen unterzutauchen – vorausgesetzt, sie sind gesund und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Was sie dabei zurücklassen, ist ein anderes Thema.
In den vergangenen Tagen wurden viele Mädchen und Jungen von der Polizei als vermisst gemeldet. Ja, nach und nach tauch(t)en sie wieder auf. Ein Schrecken mit Ende. Zum Glück. Wobei das eher an ihrem eigenen Willen als an polizeilichen Ermittlungen liegt. Über die Ursachen ihres Verschwindens erfährt man nichts.
Man kann durchaus bedauern, dass die von der Polizei veröffentlichten Vermisstenmeldungen selten Details enthalten. Das dürfte bei Minderjährigen vor allem am Jugendschutz liegen, bei Erwachsenen am Schutz ihrer Privatsphäre. Das ist eigentlich gut so, denn jede Veröffentlichung eines Fotos oder von Hintergründen bedeutet vielleicht Stigmatisierung, lebenslange Belastung. Alles richtig. Doch was wäre die bessere Lösung? Die Hilfe der Öffentlichkeit wird ja offenbar gebraucht, sonst würde es keine polizeiliche Meldung geben. Persönliche Angaben des Vermissten, vor allem ein Foto, sind dann aber absolut relevant. Das kleinere Übel sozusagen. Hauptsache, die Menschen finden den Weg zurück oder werden wieder aufgefunden – gesund.
Es bleibt aber allgemein die Frage nach der Ursache, warum Menschen überhaupt verschwinden. Was sind die Hintergründe? Mobbing? Finanzielle Nöte? Familiäre Verstimmung? Depression? Krieg? Sexueller Missbrauch? Oder Kurzschlusshandlung? Jux und Tollerei? Möglicherweise Folgen der Pandemie? Offiziell erfährt man nichts über mögliche Beweggründe.
Mitunter geben die an sich Verantwortlichen an, der vermisste Mensch benötige dringend ärztliche Hilfe oder Medikamente. Worum es dabei genau geht, bringt man ebenfalls nicht in Erfahrung. Handelt es sich um ein Mittel, um den Blutdruck zu senken, oder um ein Antidepressivum? Soll man bei Sichtung der vermissten Person sofort einen Allgemeinmediziner kontaktieren oder eher den psychologischen Notdienst? Es ist kompliziert und nicht zweckorientiert.
Fazit: Vermisstenmeldungen sollen uns nicht kaltlassen. Sie müssen aber viele weitere Stellen alarmieren. Denn hinter jeder Meldung steckt ein Hilferuf. Selbst im besten Fall bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Nämlich, dass etwas nicht in Ordnung war oder ist im Leben dieser Menschen. Dass vielleicht ein Burnout drohte, gar ein Selbstmord. Genau deshalb verdienen Vermisstenmeldungen unser aller Aufmerksamkeit. Um zu helfen, konkret – aber vor allem nachhaltig. In erster Linie muss darüber geredet und berichtet werden – Persönlichkeitsschutz hin oder her.
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