Als Mensch, der prinzipiell keine Prinzipien hat außer dem Prinzip, keine Prinzipien zu haben und sich keine aufzwängen zu lassen, liebe ich Empörung. Sie zeigt, wie die Menschen ticken und wie ihr mehr oder weniger großes Kämmerlein der Behaglichkeit eingerichtet ist. Empörung zeigt allerdings auch, dass Frauen und Männer leben, nicht bloß vegetieren. Das ist gut!
Empörung soll, nein muss man deshalb zulassen, ja, fast uneingeschränkt, auch wenn’s manchmal wehtut. Manche Empörungswellen sind mitunter kurios, andere lösen Fremdschämen aus und noch andere wirken gefährlich – weil sie verbieten und einschränken wollen. Besonders Letztere muss man im Auge behalten. Einfach hinnehmen muss man sie nicht, auch nicht darüber schweigen. Aufmerksam muss man sein und den Anfängen wehren.
Empörung darf, nein, muss man also auch in ihre Schranken weisen können, ihr Grenzen aufzeigen und ihr den Spiegel ihrer vielleicht doch manchmal etwas tumben und intoleranten Grundlagen vor Augen führen.
Wer mit empört Intoleranten zu tun hat, sollte sich vorsehen, vor allem aber keine voreiligen Schlüsse ziehen. Ein rezentes Beispiel: Weil einige wenige Rassismus und Respektlosigkeit gegenüber Amerikas Ureinwohnern wittern, zieht der Ravensburger-Verlag zwei Kinderbücher über den jungen Winnetou zurück. Im Internet ist alles nachzulesen, deshalb sparen wir uns Erklärungen. Nur so viel: Die Entscheidung ist schwer nachvollziehbar. Schade ist, dass der 1883 gegründete deutsche Verlag sich nun vermutlich in die Hände von Erpressern begeben hat. Denn: heute Winnetou, morgen Yakari, dann vielleicht Wickie oder andere Schriften und irgendwann heißt es: „Wir übergeben den Flammen!“
Unterirdisch scheinende Empörungswellen kommen nicht ausschließlich aus dem linken politischen Sumpf, sondern auch von rechts. In Erinnerung bleibt in dem Kontext zum Beispiel eine kanadische katholische Institution, die 2019 „Tintin au Congo“ oder „Astérix et la grande traversée“ auf den Index setzte und sozusagen symbolisch verbrannte.
Zu welchem intellektuellen Tiefgang sie fähig ist, zeigt zurzeit auch Finnlands nationalistische Rechte, wenn sie Premierministerin Marin wegen eines Partyvideos oder wegen zweier Menschen gleichen Geschlechts, die sich im Amtssitz der Regierungschefin küssen, heftigst kritisiert. Es ist einfach nur peinlich.
Wie gesagt, Empörung muss man zulassen und beobachten, was sie anrichtet. Wichtig dabei ist weniger, dass sich jemand aufregt, als die Frage, welchen Stellenwert die Empörung bekommt, am Stammtisch, aber vor allem in den sozialen Netzwerken und in den Medien – und welche Folgen das haben kann.
Solange die Hunde bellen, die Karawane aber weiterziehen kann, ist noch – fast – alles in Ordnung. Bedenklich wird es, wenn das Bellen zu Autozensur führt, zu vorauseilendem Gehorsam, gar zu Gesetzen und Vorschriften. Wenn Bücher und Künstler aus dem Verkehr gezogen, Menschen kritisiert werden, weil sie nicht in das limitierte Weltbild einiger weniger passen, dann muss man Stopp sagen und ein Zeichen setzen für die Freiheit. Eines sollte man vor allem nicht tun, nämlich sich übereilt entschuldigen und einknicken. Gnade oder eine Schonfrist empört Intoleranten gegenüber darf es eigentlich nicht geben. Keine Toleranz für Intoleranz.
@Phil Soweit ich weiss stammt dieses Zitat nicht von den Grünen, sondern von Joachim Steinhöfel - einem komischen Anwaltkauz mit kuriosen rechten Weltanschauungen, der es wiederum aus dem Internetz gemopst hat.
Ich bin überrascht, dass das Tageblatt solche LGBTIQ+ feindliche, ignorante und intolerante Kommentare zulässt. Als ob LGBTIQ+ Rechte in irgendeiner Weise gleichzusetzen wären mit dem Vergnügen von Kinder. Da gibt es wohl noch sehr viel Aufklärungsbedarf. Ich bin zuversichtlich, dass die Kinder selbst und die zukünftigen Generationen mehr Verständnis für den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung haben werden, als alte weisse Männer.
Wir leben in einer Welt, in der sich alte weiße Männer von Regenbogenfahnen bedroht fühlen.
"Wir leben in einer Welt, in der Kinder keine Indianer darstellen dürfen, aber erwachsene Männer eine Frau."
Siehe Abgeordnete deutscher Bundestag, Bündnis-90 die Grünen.
Éierlech gesot erwaarden ech mer awer e bësse méi vun Iech wéi just Empörung iwwert déi béis béis cancel culture. "Et kann ee jo alles am Internet noliesen" ass eng ganz bëlleg Excuse fir op déi eigentlech Problematik, nämlech op déi Geschichten effektiv kolonialistescht oder Denkgut duerstellen, guer net anzegoen. Dat ass liddereg a populistesch. Dass och zB den Tintin mat senge kloer rassisteschen Themen, haut net méi einfach onkommentéiert an onkritesch als europäesch Literatur verbreet soll ginn, op déi mer am Beschten all och nach stolz sollen, nee musse sinn, misst eigentlech kloer sinn. Vläit mol mat Leit schwätzen déi vun där Stereotypéierung betraff sinn, oder mat jonken Akademiker, déi sech mat der Thematik beschäftegen, amplaz just de Point de Vue vum ale Wäisse Mann ze vertrieden? Mir hunn all Sputt ze wuessen, mee dofir muss een och aner déi aner verstoe wëllen. LG
Keine Toleranz für Intoleranz - so weit, so richtig. Ich möchte aber darauf hinweisen dass Rassimus per Definition intolerant ist. Wann man diesen Gedankengang zu Ende denken würde, käme man vielleicht zu dem Schluss dass die Entscheidung doch nicht so verkehrt sein könnte.
Vielleicht müsste man sich dafür allerdings etwas mehr mit der Thematik auseinandersetzen anstatt auf das Internet zu verweisen. Die Vergleiche hinken leider ebenfalls und machen wenig Sinn in diesem Kontext. Tanzen und LGTBIQ+ Rechte verteidigen sind nicht intolerant. Rassismus jedoch schon. Tintin wird übrigens teils och Rassismus vorgeworfen - kann man auch im Internet nachlesen.
Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind sehr komplex und müssen in der Tat geschützt werden. Die grundlegende Frage ist also, ob es sich um Rassismus handelt oder nicht. Rassismus ist nämlich nicht von der Meinungsfreiheit geschützt. Es wäre also interessant gewesen dies zu kommentieren anstatt sich selber der Empörung zu bedienen um die Empörung anderer zu kritisieren.
Danke für diesen Artikel!
Guten Tag Herr Goetz,
seit 1974, als meine Mutter mich auf den Nazisumpf in Luxemburg hingewiesen hat, bin ich über die luxemburgische diesbezügliche Ignoranz und Arroganz empört.
MfG
Robert Hottua