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Besuch in LitauenWarum Kaunas als Kulturhauptstadt unkomplizierter wirkt als Esch2022

Besuch in Litauen / Warum Kaunas als Kulturhauptstadt unkomplizierter wirkt als Esch2022
Gemütliches Stadtzentrum: Seit Kaunas als Kulturhauptstadt auserkoren wurde, ist viel Geld in die Renovation des Zentrums geflossen. Im Mix mit einem überwältigenden Kulturangebot ist die Stadt mehr als eine Reise wert. Foto: Marco Goetz

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Kaunas ist neben Novi Sad (Serbien) als Europäische Kulturhauptstadt gleichberechtigte Partnerin von Esch2022. Bei einer Pressereise am vergangenen Wochenende konnte man in das reiche und bunte Kulturangebot der zweitgrößten Stadt Litauens eintauchen. Das Programm wirkt unkomplizierter und leichter zugänglich als bei Esch2022. Das hat viele Gründe. Einer davon ist, dass alles an einem Ort konzentriert ist. Bericht eines Kurzbesuchs.    

Als Kulturhauptstadt 2022 musste Kaunas sich nicht wirklich neu erfinden. Kunst und Kultur sind in der zweitgrößten Stadt Litauens spätestens seit der Unabhängigkeit 1990 allgegenwärtig. Alleine nur das im Hinblick auf das Kulturevent nachhaltig herausgeputzte Stadtbild mit seiner modernistischen Architektur ist ein Fest für die Sinne. 

Kultur gehört in Kaunas genauso dazu, wie die zahlreichen Cafés und Bars oder die Kirchen verschiedenster Epochen. Bewohner und Gäste können aus über 60 Museen und Galerien, verschiedenen Festivals und Veranstaltungen auswählen. Das mag erklären, dass das Angebot ohne viel Tamtam auskommt, sich nicht aufdrängt. Kunst und Kultur sind einfach da und bieten dem Publikum einen fast spielerisch leichten und unkomplizierten Zugang. Das unterscheidet Kaunas doch etwas von Esch2022, wo Besucher mitunter schon mal leicht den Überblick verlieren können. Was der rund 300.000 Einwohner zählenden Stadt ebenfalls in die Karten spielt, ist zum einen der hohe Anteil junger Leute; zum anderen ist es die Tatsache, dass sich alles recht überschaubar im Zentrum der Stadt befindet, demnach zu Fuß zu erreichen ist und nicht wie bei Esch2022 dezentralisiert ist, auf mehrere Gemeinden verteilt. 

Kultur bedeutet Freiheit

Wichtig dürfte aber ganz besonders sein, dass sich die Kulturhauptstadt-Verantwortlichen, die Künstler und die Bevölkerung Kaunas’ der Bedeutung von Kunst und Kultur sehr bewusst zu sein scheinen, wenn es darum geht, Position zu beziehen und Freiheit wie Unabhängigkeit zu unterstreichen. Besonders in Zeiten der russischen Invasion in der Ukraine gewinnt das zusätzlich an Gewicht. Nicht umsonst dreht sich beim Angebot 2022 vieles um Vergangenheitsbewältigung. Das Schicksal der Juden zum Beispiel, die zeitweise über ein Drittel der Bevölkerung ausmachten, die Nazi-Besatzung, der polnische Überfall 1920 oder ganz besonders die brutale und jahrzehntelang andauernde Einverleibung in die Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg spielen dabei eine große Rolle. Wie nahe Verteidigung nationaler Identität und Kultur in Kaunas beieinanderliegen, zeigt sich daran, dass sich das Militärmuseum und das nationale Kunstmuseum ein Gebäude teilen. Eine Seite ist dunkelgrau und eckig, die andere ist rund und heller. Dreimal dürfen Sie raten, was wo untergebracht ist.

Kaunas ist eine moderne, kreative und faszinierende Stadt, die eine Reise mehr als wert ist. Dass die Stadt nun stärker in den Fokus gerät, liegt natürlich am Titel Kulturhauptstadt, ganz besonders aber auch an der Zusammenarbeit und dem Austausch mit Esch2022. Fast sinnbildlich steht in dem Kontext die Freundschaft zwischen den beiden Kulturhauptstadt-Cheffinnen Virginija Vitkiene, Kaunas und Nancy Braun, Esch. 

Melina Mercouri hätte sich über die gute Zusammenarbeit und den Austausch gefreut. 1985 hatte die damalige griechische Kulturministerin Melina Mercouri die Kulturhauptstädte nämlich genau zu diesem Zweck ins Leben gerufen. Europa soll zusammenwachsen, dank des „Remix“ von Menschen und ihrer Kulturen. Deutlicher kann ein Zeichen gegen Krieg und Unterdrückung nicht sein.

Kaunas und seine Architektur

Kaunas hat eine beeindruckende und eigenwillige modernistische Architektur. Art déco, Bauhaus und Industrie-Design prägen das Stadtbild. Die Gebäude, von denen sich einige auf der Liste des Europäischen Kulturerbes befinden, sind vor allem zwischen den beiden Weltkriegen entstanden. Bei einem Spaziergang oder bei geführten Touren kann man sie entdecken. „Ekskursas“ heißt einer der Anbieter. Auf einer individuell zu gestaltenden Tour erfährt man mehr über die Bauwerke, ihre Geschichte, ihre Bedeutung und Funktion – früher wie heute. Man kann versteckte Hinterhöfe entdecken und sogar einige Häuser von innen besichtigen. Ein herausragendes Gebäude ist die alte Post. Direkt an der Fußgängerzone gelegen, beherbergt sie jetzt im Rahmen der Kulturhauptstadt verschiedene Ausstellungsräume.

Herausragende Ausstellungen in Kaunas

An Ausstellungen mangelt es Kaunas genauso wenig wie Esch. Wer das Werk des südafrikanischen Künstlers William Kentridge 2021 im Mudam gesehen hat, kommt an einem Besuch im Kunstmuseum Kaunas nicht vorbei. Für seine Ausstellung „Das, woran wir uns nicht erinnern“, ist Kentridge ein erstes Mal nach Litauen, in das Land seiner Großeltern, gekommen. In seinem für ihn typischen Schwarz-Weiß zeigt er Videos, Installationen und Zeichnungen. Eigenen Worten zufolge hat er sich in Kaunas wie nie zuvor mit seinen litauisch-jüdischen Wurzeln beschäftigt. Noch bis zum 30. November.
Bis zum 18. September ist Mari Katayama in der Kaunas Fotogalerie zu Gast. Die japanische Künstlerin, die 2019 einer der Höhepunkte der Kunstbiennale in Venedig war, rückt in Kaunas sich und ihren von einer Erbkrankheit gezeichneten Körper in den Mittelpunkt ihrer Fotografien.
Nur wenige Schritte weiter befindet sich die Meno Parkas Gallery. „Als wir 1990 nach der wiedererlangten Unabhängigkeit von der Sowjetunion eine andere Art von Kunst zeigten, war der Kulturschock groß“, sagt ihr Besitzer. Heute gehört die Galerie mit ihren wechselnden und stets herausfordernden Ausstellungen zum festen Kulturprogramm der Stadt.

Zusammenarbeit Esch und Kaunas

Die Zusammenarbeit zwischen den Kulturhauptstädten Kaunas und Esch zeigt sich auch an gemeinsame Projekten, die demnächst auf dem Programm stehen:

„Ecce homo“. 2. September bis 30. Dezember. Ausstellung im Musée national de la résistance et des droits humains. https://mnr.lu/exposition/ecce-omo

„Anachronisms“. 24. September bis 29. Januar. Ausstellung in der Konschthal in Esch. https://www.konschthal.lu/fr/expos/anachronisms

„Réckel!“. 8. und 9. Oktober. Remix-Europe, multidisziplinäre Darbietung in Lasauvage (Differdingen). https://reckel.yolasite.com

„Working Class Heroes“. 8. Oktober bis 17. Dezember. „The Great Industry“ im Ferrum Museum in der Schungfabrik in Tetingen. http://www.muar.lu

„Good Girls“. 8. bis 11. November. Spektakel von „anonyma“ im Ariston in Esch und dann vom 17. bis 20. November in Kaunas. https://theatre.esch.lu/en/event/good-girls-3/

„Visage/Veidas“. Vom 11. bis 13. November. Spektakel im Nationaltheater in Kaunas. https://theatre.esch.lu/event/visage/

„jazzXchange“. 19. und 20. November. Konzert beim Novi Sad Jazz-Festival. Gemeinsames Projekt der Kulturhauptstädte Kaunas, Novi Sad (Serbien) und Esch https://dudelange2022.lu/en/agenda/jazzxchange/

„Ultrasocial Pop“. 25. November bis 31. Dezember. Ausstellung von Filip Markiewicz in der Meno Parkas Gallery in Kaunas. http://www.menoparkas.lt/35714/parodos.html?parodos=busimos

„H – The Notion of Humanist Photography“ am 3. Dezember im CNS in Düdelingen. Am 24. November in Kaunas. https://cna.public.lu/fr/projects/2021/humanistphotographyproject.html

„Working Class Heroes“. Am 17. Dezember. „Psilicone Puppet Theater“ von Auksé Petruliene in der Schungfabrik in Tetingen. https://www.kayl.lu/events/e22-muar-psilicone-puppet-theater-aukse-petruliene/

Zudem gibt es gemeinsame Kulturhauptstadt-Briefmarken, die in Luxemburg und in Litauen erhältlich sind. https://esch2022.lu/fr/un-nouveau-bloc-de-timbres-post-philately-esch-kaunas-2022-2/

Karin
24. August 2022 - 23.07

Weniger Rupp'Esch?

JJ
18. August 2022 - 9.13

Vor allem schöner als Esch!!