Mit Technik gegen die Armut: Was die Gewinner des Europäischen Preises für Mikrofinanz auszeichnet

Mit Technik gegen die Armut: Was die Gewinner des Europäischen Preises für Mikrofinanz auszeichnet

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Bereits zum neunten Mal seit 2005 wurde diese Woche in Luxemburg der Europäische Preis für Mikrofinanz verliehen. Zu gewinnen gab es 100.000 Euro. Der diesjährige Award stand ganz im Zeichen der Technologie. Bewerben durften sich nur Mikrofinanzinstitute (MFI), die eine technisch innovative Lösung für ein Problem in ihrem Bereich gefunden haben.

Die Mikrofinanz hat zum Ziel, Menschen in armen Weltregionen dabei zu helfen, der Armut zu entkommen. Viele Personen haben keinen Zugang zum Finanzsystem – und somit auch nicht zu kleinen Darlehen, um eigene Projekte umzusetzen. MFI vergeben daher traditionell Kleinstkredite (meist einige Hundert Euro) zur Umsetzung von Geschäftsideen an Menschen, die bei „normalen“ Banken als „nicht kreditwürdig“ einstuft werden würden.

Da sich die MFI selber finanzieren müssen, ist der Arbeitsaufwand pro Darlehen enorm.
Der begehrte Preis steht jedes Jahr unter einem anderen Thema. Bei den vergangenen Auflagen belohnte er Institutionen für gute Ideen in Bereichen wie Umwelt oder Nahrungsmittelsicherheit, Hausbau- oder Bildungsfinanzierung. Mit der Aufmerksamkeit, die die behandelte Thematik und die Lösung des Preisträgers hierdurch erhalten, sollen weltweit Menschen zum Nachahmen ermutigt werden.

Der große Gewinner unter den drei Laureaten ist Advans aus der Elfenbeinküste. Der Geldpreis sei für die Ausgezeichneten der unwesentlichste Aspekt des Ganzen, so Christoph Pausch von der „European Microfinance Platform“ (e-MFP). „Das Wichtigste ist die Aufmerksamkeit. Sie kann neue Investoren anziehen.“

Organisiert wird die Veranstaltung von der e-MFP, dem luxemburgischen Außenministerium und dem „Inclusive Finance Network Luxembourg“ (InFine). Die Europäische Investitionsbank (EIB) stellte, wie schon in den Vorjahren, ihre Räumlichkeiten zur Verfügung. Den Geldpreis stiftet das luxemburgische Kooperationsministerium.

Die Preisträger

Advans, Elfenbeinküste

Advans ist ein auf Kakaobauern spezialisiertes Mikrofinanzinstitut aus der Elfenbeinküste. Von diesen potenziellen Kunden gibt es etwa eine Million in dem Land – 72 Prozent leben unter der Armutsgrenze, weniger als 10 Prozent besitzen ein Bankkonto. Die Verkäufe ihrer Ernten an die Kooperativen wickeln sie zumeist in Cash ab. Das bringt Probleme in puncto Transparenz und Sicherheit mit sich. „Es kommt immer wieder zu Überfällen“, gibt Christoph Pausch zu bedenken.

Die Institution ist eine Partnerschaft mit der Telekommunikationsgesellschaft MTN eingegangen und hat Sonderbedingungen für ihre Kunden ausgehandelt. Ihre eigenen Konten wurden mit den mobilen Konten von MTN verknüpft. Zahlungen, Sparen und Kreditanfragen können nun mobil abgewickelt werden. Auch das Bezahlen für die Ernte. Geld abheben geht beim nächsten Automaten.

Auf Basis der gesammelten Daten und der Erwartungen an die künftige Ernte bietet die Institution den Bauern digitale Schul-Kredite an. Zurückbezahlt wird erst bei der Erntezeit. „Das ermöglicht den Bauern, die Kontrolle über ihre Finanzen zu gewinnen“, erklärt Pausch.
Da 47 Prozent der Kunden weder lesen noch schreiben können, mussten „Field Agents“ ausgesendet werden, um Erklärungen zu geben, zu coachen und Vertrauen herzustellen.

ESAF SFB, Indien

Die ESAF Small Finance Bank aus Indien ist ein richtig großes Mikrofinanzinstitut. Sie zählt Millionen Kunden und mehr als 10.000 Mitarbeiter. In den vergangenen Jahren hat sie den gesamten Prozess der Kreditvergabe digitalisiert. Sie hat all ihre Credit Officers mit Tablets ausgerüstet. Mit diesen kann der QR-Code von der neuen indischen Aadhaar-Identitätskarte gescannt werden. „Es handelt sich um Regierungsprojekt und sehr viele haben sie“, erklärt Sam Mendelson.

„Sie hilft den Kunden, sich zu identifizieren, und ermöglicht die Erstellung eines Kredit-Registers.“ Die gescannten Daten können zeitgleich mit ihrer Eingabe in die Zentrale weitergeleitet, verarbeitet und kontrolliert werden. Erhält die Kredit-Anfrage die Zustimmung von den notwendigen Gremien, dann kann sich der Kunde in die nächste Niederlassung begeben, wo bereits ein fertig ausgedruckter Vertrag auf ihn wartet. Vergessen ist somit die Zeit mit mangelhaften Daten und verlorenen Seiten aus Papier. „Alles geht schneller und auch die Kontrolle funktioniert besser“, so der Vertreter der e-MFP.

Die größte Herausforderung bei der Umsetzung des Projekts war die Ausbildung der Credit Officers, mehrheitlich schlecht ausgebildeter Frauen über 40, die kaum Erfahrung mit Tablets hatten. Die Ausbildung wurde von oben nach unten weitergegeben. Nach der Einführung lahmte das Geschäft während drei Monaten. Danach legte das Wachstum wieder stark zu.

 

KMF, Kasachstan

Das Mikrofinanzinstitut KMF aus Kasachstan hat mit der geografischen Lage zu kämpfen. Die Kunden, die es bedient, leben verstreut auf einem der am dünnsten besiedelten Gebiete der Erde, erklärt Christoph Pausch von der e-MFP. Zudem decken die Telekommunikationsnetze nicht alles ab und arbeiten unstabil.

KMF hat sich entschieden, eine eigene Bank-Software für Tablets zu entwickeln. Die Credit Officers können ihre gesamten Kommunikationsprozesse mit der Zentrale und den Entscheidungsgremien für den Kredit über das Tablet abwickeln. Senden tut das Gerät einfach, wenn es gerade Netz hat. „Alles geht schneller, selbst bei den großen Entfernungen“, sagt Pausch. „Auch die Kontrolle.“ Zusätzlich können die Credit Officers gleich erkennen, was sie selbst verdient haben.

Anfangs habe der Prozess zu Verzögerungen geführt, erklärt das Institut. Misstrauen am System habe zu doppelten Kontrollen und Ineffizienzen geführt. Mit der Zeit habe sich das dann aber geändert. Vom Ergebnis war man selber erstaunt: Die Produktivität der Credit Officers habe um satte 22 Prozent zugelegt. Die Zeit, um neue Kreditanträge zu verarbeiten, wurde drastisch gesenkt. Die Unkosten fielen um 37 Prozent.