Die Macht des Scheichs – Der Fall Al-Sabah ist kein gewöhnlicher Sportskandal

Die Macht des Scheichs – Der Fall Al-Sabah ist kein gewöhnlicher Sportskandal

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Vergangene Woche ging es auf der internationalen sportpolitischen Bühne hoch her. Einer der einflussreichsten Funktionäre der Welt sah sich gezwungen, sich selbst zu suspendieren. Scheich Ahmad al-Fahd al-Sabah aus Kuwait wird seit Jahren mit dubiosen Machenschaften und Korruption in Verbindung gebracht. Obwohl es im Sport immer wieder zu Korruptions- und Bestechungsskandalen kommt, sorgt der Fall Al-Sabah dennoch für großes Aufsehen und fasziniert die Sportwelt. Wieso das so ist, erklärt Marc Theisen. Der Jurist und ehemalige Präsident des Luxemburger Olympischen Komitees ist seit knapp 30 Jahren als Sportfunktionär aktiv.

ANOC und IOC

Während das Internationale Olympische Komitee (IOC) der breiten Öffentlichkeit ein Begriff ist, ist die ANOC (Association of National Olympic Committees) weit weniger bekannt. Oftmals wird angenommen, dass das IOC die Vereinigung der Olympischen Komitees ist, dabei ist der Ringeorden nur ein Privatklub, der die Olympischen Spiele ausrichtet. Momentan ist ein Luxemburger dort Mitglied, und das ist Großherzog Henri. Die ANOC hingegen ist die Vereinigung der nationalen Olympischen Komitees, zu denen auch das luxemburgische COSL zählt. Marc Theisen, der selbst Mitglied der juristischen Kommission der ANOC ist, bezeichnet die Organisation als „Sprachrohr der nationalen Olympischen Komitees“. Insgesamt sind 206 olympische Komitees in der ANOC vertreten. „Über die vergangenen Jahre hat die ANOC an Einfluss gewonnen und das ist, trotz aller Vorwürfe, die im Raum stehen, auch das Verdienst von Scheich al-Sabah“, nuanciert Theisen.

Der umstrittene Scheich

Scheich Ahmad al-Fahd al-Sabah aus Kuwait ist einer der einflussreichsten Sportfunktionäre der Welt. Für Marc Theisen ist er „die Nummer zwei hinter IOC-Präsident Thomas Bach“. Seit 1992 ist er Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee. Er war zuletzt Präsident der Kommission „solidarité olympique“, der auch Großherzog Henri angehört. Die Kommission, die sich um das Entwicklungsprogramm des IOC kümmert, verwaltet ein Budget von rund einer halben Milliarde Euro.

Zuletzt war Al-Sabah auch Präsident der ANOC sowie der Vereinigung der Asiatischen Olympischen Komitees und saß von 2015 bis April 2017 in der FIFA-Exekutive. Dieses Amt legte er aufgrund von Korruptionsvorwürfen nieder. Seine Selbstsuspendierung beim IOC und der ANOC hat allerdings nichts mit den Korruptionsvorwürfen zu tun. Es geht um eine innerkuwaitische Angelegenheit.

Al-Sabah soll seinem Onkel, dem Emir von Kuwait, vor ein paar Jahren Dokumente vorgelegt haben, die auf ein Komplott hindeuten sollten. Doch das war offenbar erfunden. Die Familie eines der mutmaßlichen Verschwörer, der mittlerweile verstorben ist, hat nun in der Schweiz eine Anklage gegen Al-Sabah erwirkt, da sie ihm die Schuld am Tod ihres Familienmitglieds gibt.

Al-Sabah bestreitet dies alles. Sobald die Vorwürfe gegen ihn aus dem Weg geräumt seien, will er „noch stärker“ zurückkommen.

 

Kongress und Rolle des IOC

Marc Theisen ist seit rund 30 Jahren als Sportfunktionär tätig, doch einen Kongress wie den der ANOC vergangene Woche in Tokio, hat der ehemalige COSL-Präsident auch noch nicht miterlebt. „Der Scheich trat ans Rednerpult und erklärte, dass er sich selbst suspendieren werde. Aus dem Grund bat er die Delegierten, den Punkt 12, die Wahl eines neuen Präsidenten, von der Tagesordnung zu nehmen.“ Das wurde dann auch getan, obwohl einige Vertreter aus Afrika, Asien und Südamerika die Wahl durchführen wollten. „Wenn der Scheich dann angetreten und gewählt worden wäre – wovon ich ausgehe –, hätten wir eine extrem verzwickte Situation vorgefunden.“ Theisen hebt auch die Reaktion des IOC hervor, das sich im Vorfeld vom Scheich distanziert und ihn in einer Mitteilung quasi dazu gedrängt hatte, seine Ämter ruhen zu lassen. „Eine Mitteilung in dieser Deutlichkeit habe ich vom IOC eigentlich noch nicht erlebt. Der Scheich hatte keine Wahl mehr. Er musste sich selbst suspendieren. Wäre es doch zu Wahlen gekommen, wäre die ANOC auf Konfrontationskurs mit dem IOC gegangen.“ Dass das IOC so deutlich wurde, verwundert noch mehr, da es sich bei Al-Sabah nicht um einen gewöhnlichen Sportfunktionär handelt. Er gilt als einflussreicher Strippenzieher und ist ein enger Vertrauter von IOC-Präsident Thomas Bach. „Vor allem der Fakt, dass sich Al-Sabah selbst suspendiert hat, ist erstaunlich. Wenn man das Beispiel Blatter oder Platini betrachtet, dann waren es immer irgendwelche Institutionen, die eine Sperre gegen die Funktionäre ausgesprochen haben“, so Theisen.

Der Scheich soll maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Bach nun auf dem Thron des Ringeordens sitzt. Al-Sabah soll ihm die Stimmen aus Asien und Afrika gesichert haben. Dass Bach sich nun gegen Al-Sabah stellt, ist durchaus verwunderlich. „Ich denke, dass Bach im IOC auf eine stabile Mehrheit zählen kann und nicht unbedingt auf Al-Sabah angewiesen ist. Ich habe zuletzt zwei Reden von Bach gehört, in denen er sehr selbstsicher auftrat.“

 

Die anstehenden Herausforderungen

Für Marc Theisen ist der Sport nicht mehr oder weniger anfällig für Bestechung und Korruption als andere Bereiche. „Man muss sich doch nur den Fall des Renault-Chefs Carlos Ghosn anschauen. Auch in der Wirtschaft und der Politik kommt es zu ähnlichen Fällen. Allerdings sind die Erwartungen an den Sport andere als an die Wirtschaft zum Beispiel.

Der Sport wird mit sozialen und gesellschaftlichen Aspekten verbunden sowie mit dem Prinzip des Fairplay.“ Und die Menschen würden diese Werte nicht nur von den Sportlern, sondern auch den Funktionären erwarten, so Theisen. Allerdings sei es schwierig, sich in einer globalen Organisation wie dem IOC oder der ANOC auf gemeinsame ethische Werte zu äußern. „Die westliche Sichtweise unterscheidet sich in vielen Belangen von anderen. Zum Beispiel hätten viele afrikanische oder asiatische Vertreter beim ANOC-Kongress überhaupt kein Problem damit gehabt, Neuwahlen abzuhalten und dem Scheich ihre Stimme zu geben.“

Die Vorwürfe gegen Al-Sabah betreffen nicht sein sportliches Engagement und für viele gebe es deshalb keinen Grund, wieso er von seinen Ämtern zurücktreten musste. Theisen hat allerdings den Eindruck gewonnen, dass das IOC sich so langsam bewusst wird, dass es starke ethische Regeln braucht, um zu überleben. „Die große Herausforderung wird sein, sämtliche Mitglieder von diesen zu überzeugen. Es wird viel von Good Governance geredet, aber es ist sehr schwer, dies weltweit auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.“

Ein ähnliches Beispiel hat man beim Fußball-Weltverband FIFA gesehen. Auch hier unterstützten viele Mitgliedsländer den umstrittenen Präsidenten Sepp Blatter bis zum Schluss. Ob der Fall Al-Sabah nun positiv für den Sport zu bewerten ist, vermag Theisen noch nicht zu sagen. „Das ist momentan schwer einzuschätzen. Da muss man noch etwas abwarten.“

Neben den ethischen Regeln sieht Theisen auch die Kosten für Olympische Spiele kritisch. „Die müssen unbedingt gesenkt werden. Wir müssen einen Weg finden, dass Olympia für Städte wieder finanziell machbar wird. Ansonsten wird es irgendwann nur noch private Ligen geben, die sich ausschließlich auf die Top-Vereine und -Sportler konzentrieren. Wenn es so weitergeht, lesen wir von Olympia und den olympischen Werten irgendwann nur noch in den Geschichtsbüchern.“