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Das war meine Ronde!

Das war meine Ronde!
(Rhelbach)

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Tageblatt-Journalist Chris Schleimer hat am 1. April die Ronde van Vlaanderen bestritten. In seinem letzten Blog-Eintrag blickt er auf die 237 km zurück.

Es ist geschafft, ich habe die 237 km der Ronde van Vlaanderen geschafft. Nach 9:30 Stunden hatte ich das Ziel in Oudenaarde erreicht. Es war eine tolle Erfahrung, doch um ehrlich zu sein, hatte ich es mir im Vorfeld noch härter vorgestellt. Was aber nicht bedeutet, dass es nicht den einen oder anderen schweren Moment zu überstehen gab.

Los ging es um 7.00 Uhr in Antwerpen. Ich war knapp 5 km gefahren, da fing es an zu regnen. Toller Start in den Tag! Glücklicherweise hatte sich das Wetter nach rund zwei Stunden wieder beruhigt. Die ersten 100 km waren mehr oder weniger flach, doch ich hatte Probleme, meinen Rhythmus zu finden. Ich wollte es absolut vermeiden, zu schnell loszufahren, im Nachhinein hätte ich wohl etwas schneller losfahren können.

Mit schwerem Gang über die Pavés

Ich fing auch gleich auf den ersten Kilometern an mit trinken und essen, schließlich hat mich im Vorfeld jeder davor gewarnt, dass man ansonsten schnell in ein Loch fällt. Eigentlich wollte ich euch die genaue Anzahl an Riegeln, Bananen und Trinkflaschen, die ich verbraucht habe, mitteilen, aber irgendwann habe ich unterwegs den Überblick verloren. Es fehlte einem jedenfalls an nichts während des Rennens. Die Organisation war eine Klasse für sich.

Jetzt aber zum Rennen. Die erste Schwierigkeit des Tages war die Paddestraat, eine gut 2 km lange Kopfsteinpflasterpassage. Viele haben abgebremst, als sie auf die Pavés fuhren. Da habe ich mich an ein Gespräch erinnert, das ich mit Kim Kirchen einmal über die Ronde hatte. Er sagte mir damals, dass die Kopfsteinpflaster noch viel mehr Spaß machen würden, wenn man schnell darüber fährt. So schaltete ich in einen schwereren Gang und fuhr an vielen Fahrern vorbei, die sichtlich zu kämpfen hatten.

Die unendliche Muur

Ich muss sagen, dass ich mich ohnehin relativ wohlfühlte auf dem Kopfsteinpflaster. Egal ob auf flachen Passagen oder den steilen Anstiegen. Zum Glück hatte mir Tom Flammang noch neue Reifen aufgelegt, denn mit den alten hätte ich wohl nicht viel Grip auf den Pavés gehabt.

Nach 112 km ging es dann los mit den Hellingen: Leberg, Brendries, Ten Bosse und die Muur van Geraardsbergen machten den Anfang und sogleich wurde das Tempo etwas erhöht. Schließlich hatte man bereits einige Stunden auf diesen Moment hingefiebert. In der Muur stand dann auch mein „Fanclub“. Da will man sich dann ja auch von seiner besten Seite zeigen, jedoch unterschätzte ich die Mur de Grammont ein wenig. Sie hat zwar nur 700 m dort, durch die paar Kurven dachte ich gleich zweimal, dass ich oben angekommen wäre, bevor es noch steiler wurde.

Meine Leute hatten sich natürlich ganz oben positioniert. Als ich ihre Anfeuerungsrufe hörte, versuchte ich halt noch einmal etwas schneller zu fahren (hier geht’s zum Video). Ich wusste schließlich, dass der nächste Verpflegungsposten nicht weit entfernt war.

Schwächephase

Bis km 175 fühlte ich mich noch recht frisch. Den Koppenberg mit einer maximalen Steigung von 22 Prozent schaffte ich auch noch. Allerdings musste ich fast stehenbleiben, da einer vor mir erst Schlangenlinien fuhr und dann stehenblieb. Der Koppenberg ist für mich jedenfalls der schwierigste Anstieg der ganzen Ronde. Unmittelbar nach dem Koppenberg ging es weiter mit der Mariaborrestraat und dem Steenbeekdries – Erholung sieht anders aus. Mittlerweile stieg die Zahl der Fahrer, die ihr Rad hinaufschoben, drastisch an.

Dann ging es Tom Boonens Taaienberg hoch. Das war für mich der schwerste Moment des Tages. Es war höchste Zeit für den nächsten Müsli-Riegel und ein Stück Honigkuchen. So hatte ich meine Schwächephase relativ schnell überstanden und mit dem Kaperij und dem Kanarienberg warteten auch schon wieder die nächsten Anstiege. Ich war bestimmt noch 100 m vom Gipfel des Kanarienbergs entfernt, da hörte ich schon wieder Anfeuerungsrufe. Irgendwie hatten meine Leute es geschafft, dass auch alle anderen Zuschauer „Allez Chris!“ riefen.

Kwaremont und Paterberg

Dann war es auch schon Zeit für die letzte Verpflegung vor dem Finale. Noch gut 30 km und fünf Anstiege standen an. Der vorletzte Anstieg, der Oude Kwaremont, wirkt zwar nicht sonderlich schwer, aber mit 217 km in den Beinen hat er es dennoch in sich. Oben wurde ich wieder von einem Teil meiner Unterstützer überrascht. Dort hatte ich definitiv nicht mehr mit ihnen gerechnet.

Die letzte steile Rampe war, wie bei den Profis, der Paterberg. 400 m mit maximal 20 Prozent Steigung. Hier brannten die Beine ein letztes Mal so richtig. Oben angekommen, stießen einige einen riesigen Freudenschrei aus, andere hatten sogar Tränen in den Augen, dass sie jetzt nur noch 14 flache Kilometer bis ins Ziel vor sich hatten.

Und wieder ein Kwaremont

Nach 9:30 Stunden auf der Zielgeraden anzukommen, war ein tolles Gefühl. Ich hatte mein Ziel, das ich mir gesetzt hatte, wirklich erreicht. Im ersten Augenblick wusste ich nicht, was mehr schmerzte: der Nacken, der Rücken oder doch die Beine. Aber das war in dem Moment auch nebensächlich, schließlich hatte man bereits gut für mich gesorgt und das erste Bier zum Anstoßen wartete bereits auf mich. Und, wie konnte es auch anders sein, es war ein Kwaremont.

Nicht nur das Rennen wird mir noch lange in Erinnerung bleiben, sondern auch die ganze Vorbereitung. Einen großen Dank an alle, die mich unterstützt, mir nützliche Ratschläge gegeben und mich an der Strecke abgefeuert haben. Es reicht zwar nicht, um zum Löwen von Flandern zu werden, dafür aber immerhin für einen kleinen Muskelkater in den Beinen.

Alle Blog-Einträge im Überblick

Die Ronde soll’s sein (I)

Die Ronde soll’s sein (II)

Die Ronde soll’s sein (III)

Die Ronde soll’s sein (IV)

Die Ronde soll’s sein (V)

Die Ronde soll’s sein (VI)

Die Ronde soll’s sein (VII)

Die Ronde soll’s sein (VIII)