Dan Kersch: „Es ist nicht die Rolle des Staates, für sämtliche Ausgaben eines Gilles Muller aufzukommen»

Dan Kersch: „Es ist nicht die Rolle des Staates, für sämtliche Ausgaben eines Gilles Muller aufzukommen»

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Das Amt des Sportministers ist bei Politikern wegen der großen Visibilität beliebt. So ist es nicht verwunderlich, dass Dan Kersch nicht als Einziger an dem Ressort interessiert war. Er leitet nun das Ministerium auf Fetschenhof und spricht im Interview über seine Philosophie der Sportpolitik und erklärt, wieso der Staat nicht für Gilles Mullers Ausgaben aufkommen sollte.

Tageblatt: Herr Kersch, Hand aufs Herz, wie hart mussten Sie während der Koalitionsverhandlungen kämpfen, um das Sportministerium zu bekommen?
Dan Kersch: Ohne jetzt zu sehr aus dem Nähkästchen zu plaudern, es hatten schon einige Minister ein Auge auf das Sportministerium geworfen. Es ist ja auch kein Geheimnis, dass man als Sportminister eine größere Visibilität hat als andere Minister. Das ist für einen Politiker immer interessant. Allerdings denke ich, dass ich es nicht mehr nötig habe, mich zu profilieren. Die Leute kennen mich mittlerweile. Romain Schneider hatte das Amt nun neun Jahre inne und wollte es an einen weitergeben, der, wie er es formuliert hat, noch den Schweißgeruch aus den Umkleidekabinen kennt. Mir geht es darum, in der Kontinuität zu meinem Vorgänger noch einige Dinge zu bewegen.

Wird sich das Sportministerium unter Ihrer Leitung verändern?
Ich hatte zuvor schon zwei Ministerien geleitet (Innenministerium und Ministerium des öffentlichen Dienstes, d. Red.) und ich meine, behaupten zu können, dass diese sich in den fünf Jahren meiner Amtszeit verändert haben. Es ist mein Anspruch, dass das beim Sportministerium nicht anders sein wird.

Haben Sie sich denn bereits im neuen Ministerium eingelebt?
Ich denke schon, allerdings dauert es am Anfang immer ein bisschen. Erst mal muss man die Mitarbeiter im Ministerium kennenlernen. Dann fallen zahlreiche Termine mit den verschiedensten Organisationen an. In der kurzen Zeit, in der ich jetzt Sportminister bin, hatte ich aber bereits gute Kontakte zum Nationalen Olympischen Komitee. Sei es auf bilateraler Ebene mit dem Präsidenten oder offizielle Treffen mit dem gesamten Vorstand. Ich konnte mir also bereits ein Bild machen und habe auch konkrete Vorstellungen davon, in welche Richtung es gehen soll.

Als Sportminister ist man aber auch immer stark von einer Vielzahl an anderen Ministerien abhängig. Ich denke da an den Schulsport, den Gesundheitssport …
Das stimmt, doch das gilt auch für die andere Richtung. Ich sehe zum Beispiel schlecht eine Reform des Schulsports, ohne das Sportministerium einzubinden. Das Gleiche gilt für den Gesundheitssport. Für eine kohärente Sportpolitik braucht man verschiedene Partner, die auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Ich sehe mich in meiner Funktion als Lobbyist des Sports. Zum einen gegenüber meinen Regierungskollegen. Wobei ich viele von denen nicht mehr vom Stellenwert des Sports überzeugen muss, was die Arbeit natürlich einfacher und angenehmer macht. Zum anderen gegenüber der gesamten Gesellschaft, zum Beispiel auch in der Arbeitswelt.

Da trifft es sich ja gut, dass das Arbeitsministerium ebenfalls in Ihre Zuständigkeit fällt.
Auf jeden Fall. Ich sehe eine ganze Reihe an Überschneidungen zwischen dem Sport- und dem Arbeitsministerium. Es gibt heute bereits eine ganze Reihe von Unternehmen, die ihre Mitarbeiter freistellen, damit diese Sport treiben können. Das hat sich nicht negativ auf die Betriebe ausgewirkt, sonst würden sie es nicht tun.

 

 

Wie groß soll der Einfluss der Politik auf den Sport überhaupt sein?
Der soll jedenfalls nicht zu groß sein. Ich lege viel Wert darauf, dass die Organisation des Sports in Luxemburg so bleibt, wie sie ist, und dass die Kompetenzen klar zugeteilt sind. Das Sportministerium hat die politische Verantwortung und muss dafür sorgen, dass die nötige Infrastruktur vorhanden ist und dass das COSL und die Verbände über die nötigen Mittel verfügen. Der privat organisierte Sport muss seine Autonomie behalten. Wir dürfen nie in ein System abrutschen, in dem der Staat allein über den Sport entscheidet. Zu was das führt, hat man ja bereits mehrmals beobachten können. Dann wird der Sport dafür missbraucht, um andere Unzulänglichkeiten eines politischen Systems zu übertünchen.

Ein Thema, mit dem sowohl Sie als auch die Politik sich persönlich bereits beschäftigen, ist die Funktionsweise der Coque, die zuletzt vor allem von Verbänden kritisiert wurde.
Im Koalitionsprogramm steht ja klar, dass sich die Coque wieder verstärkt auf ihre eigentliche Mission fokussieren soll. Ich habe bereits Gespräche mit dem Direktor und dem Verwaltungsrat geführt. Und wir sind uns im Grunde auch einig. Laut Gesetz ist die Coque ein «Etablissement public», das sich zum Teil selbst finanzieren muss. Deswegen ist es nur logisch, dass sich die Verantwortlichen Gedanken machen, was man alles kommerzialisieren kann. Solange das nicht zulasten des Sports geht, habe ich auch kein Problem damit. Wenn der kommerzielle Druck allerdings so groß ist, dass der Sport darunter leidet, dann muss man etwas unternehmen. In dieser Hinsicht hatte ich einen sehr fruchtbaren Austausch mit den Verantwortlichen. Ich bin optimistisch, dass wir da eine Lösung finden werden. Die Coque ist nämlich ein ganz wichtiger Dienstleistungsanbieter für den Sport.

Ist es dennoch nicht so, dass die doch meist recht teuren Sporteinrichtungen in Luxemburg besser genutzt werden könnten? Ich denke da vor allem an Hallen und Schwimmbäder, die zu Schulen gehören.
Das ist ein Punkt, den ich gerne mit dem Bildungsminister und auch den Schuldirektoren klären will. Es gibt sicherlich Sportstätten, die effizienter genutzt werden können. Ich bin auch der Meinung, dass Luxemburg, was die Anzahl und die Qualität der Sportstätten angeht, gut aufgestellt ist. Manchmal frage ich mich allerdings, ob es nicht möglich ist, etwas funktioneller und kostengünstiger zu bauen. Da gibt es einige Beispiele im Ausland, an denen man sich inspirieren kann.

Das heißt, es wird in Zukunft weniger gebaut?
Die Projekte aus dem aktuellen Fünfjahresplan für Sporteinrichtungen werden natürlich umgesetzt und wir werden für den kommenden Fünfjahresplan auch genau analysieren, welche Sportstätten noch gebraucht werden. Wir dürfen auf keinen Fall einen Schritt zurückmachen. Aber das Hauptaugenmerk soll eher auf der Manpower liegen als auf der Infrastruktur an sich. Also auf den Menschen, die in den Sportstätten arbeiten.

Ich will gar nicht erst wissen, wie hoch das Gesundheitsbudget wäre, wenn niemand Sport treiben würde.

Sportpolitik ist meist mit großen Investitionen verbunden und in Zukunft soll das Budget kontinuierlich größer werden. Was bringt die Investition in den Sport überhaupt?
Dafür haben wir ja das Projekt des «compte satellite» im Koalitionsprogramm festgehalten. So wollen wir messen, was der Sport uns bringt. Zum Beispiel beim Bau der Sportstätten. Zwar subventioniert der Staat den Bau der Hallen und Schwimmbäder, doch auf der anderen Seite nimmt er auch 17 Prozent TVA ein. Zum anderen gibt es eine ganze Reihe an Betrieben in Luxemburg, die vom Bau der Sporteinrichtungen profitieren. Der Sport hat allerdings viele positive Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, die man nicht unbedingt beziffern kann. Ich will gar nicht erst wissen, wie hoch das Gesundheitsbudget wäre, wenn niemand Sport treiben würde. Die Präventivwirkung des Sports ist nicht zu unterschätzen. Dennoch macht es Sinn, sich Gedanken darüber zu machen, welchen Einfluss die Investitionen in den Sport, die momentan bei 0,39 Prozent des Staatshaushalts liegen, auf die Wirtschaft und die Gesellschaft haben.

Wollen Sie somit auch den Leuten den Wind aus den Segeln nehmen, die nicht einsehen, wieso Luxemburg ein neues Fußball- und Rugbystadion oder ein Velodrom braucht?
Die Argumentation lautet dann ja meistens, man sehe nicht ein, wieso man für etwas Steuern zahlen muss, von dem man später selbst nicht profitiert. Aber auf so eine Diskussion lasse ich mich gar nicht erst ein. Dieser Argumentation zufolge dürften wir auch keine Straßen bauen, da es auch Menschen gibt, die kein Auto haben und keine Straße benutzen. Eine Gesellschaft funktioniert aber nur mit dem Solidaritätsgedanken.

Die Hochleistungssportler werden immer als Botschafter des Landes bezeichnet. Doch wie viel Geld soll ein Staat überhaupt in seine Außendarstellung durch Sportler investieren?
Ich denke nicht, dass es die Rolle des Staates ist, für sämtliche Ausgaben eines Gilles Muller aufzukommen. Er hat auf allerhöchstem Niveau Tennis gespielt und sicherlich große Verdienste. Ab einem gewissen Niveau ist es jedoch nicht mehr die Rolle der öffentlichen Hand, die Ausgaben zu decken. Wir müssen viel eher ansetzen. Nämlich bei der Talentsichtung und Förderung. Da muss der Staat auch bereit sein, in Sportler zu investieren, die es später vielleicht nicht bis an die Weltspitze schaffen. Denn gerade auf dieser Ebene haben Sportler die größten Schwierigkeiten, um Sponsoren zu finden. Der Staat muss eine breite Basis an Sportlern fördern, damit es ein paar wenige bis an die Spitze schaffen. Diejenigen, die es nicht schaffen, müssen allerdings in irgendeiner Weise abgesichert werden. Da muss das Sportministerium auch seine Rolle spielen.

Die Regierung will auch den Breitensport fördern. Unter anderem wird in dem Zusammenhang der Aktionsplan «Gesond iessen, méi beweegen» genannt. Helfen solche Aktionen wirklich dabei, die Menschen zum Sporttreiben zu bewegen?
Das Problem von all diesen Programmen ist, dass man vor allem die Leute erreicht, die sich ohnehin schon sportlich betätigen. Die große Frage lautet, wie man auch die anderen Bürger, die keine große Affinität zum Sport haben, einbeziehen kann. Als Minister für den öffentlichen Dienst hatte ich den ersten Sporttag des öffentlichen Dienstes eingeführt. Da haben sportbegeisterte Mitarbeiter ihre Kollegen, die nicht so sportlich aktiv sind, zum Mitmachen bewegen können. Natürlich war auch das Konzept interessant, da man für diese Aktivitäten freigestellt wurde. Da sehe ich auch großes Potenzial in privaten Betrieben, wo wir dann wieder bei den Synergien mit dem Arbeitsministerium wären.


Handballer, Journalist und emotionaler Zuschauer

Nicht nur durch sein Ministeramt ist Dan Kersch dem Sport verbunden. Und auch in seiner neuen Funktion will er weiterhin die Spiele seines HB Esch verfolgen, allerdings weniger emotional. So lautet zumindest Kerschs Vorsatz.

Tageblatt: Sind Sie immer noch sportlich aktiv?
Dan Kersch: Ja, aber nicht genug. Ich fahre Fahrrad und mache Übungen für meinen Rücken. Laufen kann ich aufgrund von Rückenproblemen nicht mehr.

Radfahren können Sie dann ja mit Ihrem Parteikollegen und Außenminister Jean Asselborn.
Nein, ich bin schon mit ihm gefahren, aber er ist nicht vernünftig, was das angeht. (lacht) Da habe ich keine Chance, mitzuhalten. Ich bewundere Jang für seine Leistungen, vor allem da er ja noch ein paar Jahre älter ist als ich. Mein Ziel ist es aber nicht, den Mont Ventoux hochzufahren, Jang will das aber noch das ein oder andere Mal tun. Meine Frau und ich, wir überlegen uns, ein E-Bike zu kaufen. So kann man auch in einer etwas stärkeren Gruppe mitfahren, ohne dass ständig einer warten muss. Denn das ist sowohl für die Wartenden als auch für denjenigen, auf den gewartet wird, lästig.

Die Frage nach Ihrem Lieblingssport erübrigt sich wohl, oder?
Wenn man so wie ich 30 Jahre Handball gespielt hat, dann ist es eine Selbstverständlichkeit, dass man eine spezielle Bindung zu dieser Sportart hat. Es gibt aber auch noch eine Reihe anderer Sportarten, wie zum Beispiel Leichtathletik, von denen ich auch ein wenig Ahnung habe, oder auch der Fußball. Aber ich habe mir ganz bewusst vorgenommen, mir auch verstärkt die Sportarten anzusehen, die mir nicht so geläufig sind. Ich war zum Beispiel beim Tischtennis-Pokalfinale, um mir nach und nach ein eigenes Bild über das sehr breit gefächerte Sportangebot zu machen. Diese Vielfalt ist auf der einen Seite ein Vorteil, auf der anderen aber auch vielleicht ein Nachteil, wenn es darum geht, die Mittel zur Förderung des Leistungssports zu verteilen.

Ihre Lieblingsmannschaft?
Als Mitgründer des HB Esch versteht sich das wohl auch von selbst. Ich kann schlecht behaupten, ich würde den Red Boys oder Berchem die Daumen drücken, wenn ich fast jeden Samstag die Spiele des HB Esch verfolge. Das Gleiche gilt für die Jeunesse im Fußball, deren Spiele ich seit meinem vierten Lebensjahr verfolge. Das wird sich auch nicht ändern.

Wenn Sie sich die Spiele Ihrer Lieblingsmannschaft anschauen, sind Sie eher ein analytischer oder ein emotionaler Zuschauer?
Viel zu emotional. Ich habe mir bereits vorgenommen, mich in meinem neuen Amt etwas zurückzunehmen. Ich hoffe, dass mir das gelingen wird.

Sie haben auch die Seite des Sportjournalisten kennengelernt und von Handballspielen für das Tageblatt berichtet sowie Spiele für den Radiosender RTL kommentiert. Was lag Ihnen eher?
Als eine Person mit einer großen Klappe lag mir das Kommentieren der Spiele eher. Damit war man auch unmittelbar nach dem Spiel fertig und konnte gemütlich in der Buvette das Spiel noch einmal analysieren. Aber beides war eine tolle Erfahrung. So konnte ich auch nach meiner aktiven Zeit dem Sport noch verbunden bleiben.

Realist
1. Februar 2019 - 9.22

Vom Innenminister zum Sportminister - das klingt fur mich nicht nach einer freiwilligen Umorientierung zu einem "sichtbareren" Amt, sondern nach "abgesägt und abgeschoben".

Gilbert Welter
31. Januar 2019 - 18.41

Här Minister , Här Chris Schleimer vum Tageblatt, Är Publikatioun iwwert de Gilles Müller ass méi ewéi deplazéiert. Esou ewéi är Iwwerschrëft tituléiert ass mengt een de Gilles géif de Staat froen, fir seng privat Scholden bezuelt ze kréien ( falls heen de sollt hunn). Wann et awer sollt fir den Tennis Daviscup sinn, da schreift daat och esou. De Gilles huet esou eng negativ Kritik net verdingt. Schued dass haut alles direkt muss scandaliséiert ginn, an daat esou guer vum Minister.