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Zwei Nachbarn entdecken sich: Die ehemaligen Streithähne Nordmazedonien und Griechenland stärken ihre Wirtschaftsbande

Zwei Nachbarn entdecken sich: Die ehemaligen Streithähne Nordmazedonien und Griechenland stärken ihre Wirtschaftsbande

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Lange beharkten sie sich, nun herzen sie sich: Nach der Beilegung ihres jahrzehntelangen Nachbarschaftsstreits um den mazedonischen Landesnamen nehmen Griechenland und das umbenannte Nordmazedonien die Stärkung ihrer wirtschaftlichen Bande ins Visier: Nicht nur zehn Minister, sondern auch eine gute Hundertschaft griechischer Unternehmer begleiteten Tsipras bei seinem Premierenbesuch in Skopje.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser, Belgrad

Die medienwirksame Geste haben die beiden gleichgesinnten Friedensnobelpreisanwärter immer im Blick. Mit einem Selfie hielten der mazedonische Premier Zoran Zaev und sein griechischer Amtskollege Alexis Tsipras am gestrigen Dienstag in Skopje im Blitzlichtgewitter der Fotografen ihre historische Begegnung in freundschaftlicher Umarmung lachend fest: Erstmals seit der mazedonischen Unabhängigkeit 1991 hat sich ein griechischer Regierungschef zu einem Staatsbesuch in das nahe Nachbarland aufgemacht.

Gegen erhebliche nationalistische Widerstände in ihren eigenen Ländern hatten Tsipras und Zaev die Beilegung des unseligen Namenszwists im vergangenen Juni vereinbart – und bis zu Jahresbeginn umgesetzt. Nicht nur wegen der baldigen Präsidentschaftswahlen in Nordmazedonien und den nahenden Parlamentswahlen in Griechenland üben sich die beiden im demonstrativen Schulterschluss: Vor allem die kooperationswillige Wirtschaft in beiden Staaten hofft von der Neubelebung und der Intensivierung der jahrzehntelang eher angespannten Nachbarschaftsbande zu profitieren.

Zwei lange zerstrittene Nachbarn entdecken sich neu. Einen gesunden Pragmatismus hatten in den Jahrzehnten des scheinbar endlosen Namenszanks ohnehin die grenzüberschreitend operierenden Unternehmen demonstriert. Griechische Investoren schätzen die niedrigeren Steuersätze und Löhne bei den Nachbarn. Für Nordmazedonien ist das nahe Thessaloniki der wichtigste Hafen – und der griechische EU-Nachbar ein bedeutender Absatzmarkt.

Mehr Warenaustausch und Investitionen

Ungeachtet aller politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen der letzten Jahre ist Griechenland seit der mazedonischen Unabhängigkeit stets einer der wichtigsten Wirtschaftspartner des Balkanstaats geblieben. Rund 400 griechische Unternehmen in Nordmazedonien machen dort schon jetzt ein Zehntel aller Auslandsinvestitionen aus. Nach Deutschland, Großbritannien und Serbien ist Griechenland der wichtigste Handelspartner.

Seit der Beilegung des Namensstreits im letzten Jahr ziehen sowohl der Warenaustausch als auch die Investitionen kräftig an. „Wir stehen erst am Anfang, die uns bietenden Möglichkeiten sind groß“, so Nordmazedoniens Informationsminister Damjan Mancevski. Tatsächlich erhoffen sich vor allem der Energie-, Bau- und Tourismus-Sektor sowie die Lebensmittelindustrie von der politischen Wiederannäherung der Ex-Streithähne neue Impulse. Die Eröffnung neuer Grenzübergänge, die Unterzeichnung bilateraler Abkommen sowie der Ausbau von Schienen- und Straßenverbindungen sollen sowohl den grenzüberschreitenden Handel als auch Investitionen stimulieren.

Dank des Namensdeals winke seinem Land nun die Ansiedlung von Großinvestoren mit Milliardenumsätzen wie dem griechischen Raffinerie-Konzern Motor Oil oder die Mytilineos-Holding, so Premier Zaev: Nordmazedonien werde einen „enormen wirtschaftlichen Nutzen“ von der Einigung mit Griechenland haben.