Rajoy im Zeugenstand: Entscheidende Runde im Separatistenprozess in Madrid

Rajoy im Zeugenstand: Entscheidende Runde im Separatistenprozess in Madrid

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Zweite Runde im Mammutprozess gegen zwölf katalanische Separatistenführer vor Spaniens Oberstem Gerichtshof: Am Mittwoch begann die Anhörung von prominenten Zeugen in diesem spektakulären Strafverfahren – unter anderem war Spaniens konservativer Ex-Regierungschef Mariano Rajoy vorgeladen.

Von unserem Korrespondenten Ralph Schulze

In dem Verfahren werden die mutmaßlich illegalen Unabhängigkeitsbeschlüsse der früheren katalanischen Regionalregierung im Herbst 2017 juristisch aufgearbeitet. Der Staatsanwalt fordert für die Angeklagten, darunter der frühere katalanische Vize-Ministerpräsident Oriol Junqueras, zwischen 7 und 25 Jahren Haft.

Als eine der Ersten musste am Mittwochvormittag Spaniens frühere Vize-Ministerpräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría in den Zeugenstand. Die 47-Jährige war so etwas wie Rajoys Feuerwehrfrau, die den regionalen Brandherd in Katalonien löschen sollte. Sie hatte damals als Katalonien-Beauftragte der spanischen Regierung die schwierige Mission, mit der katalanischen Separatistenregierung unter Carles Puigdemont über eine Entschärfung des Konfliktes zu verhandeln. Und sie sollte die Separatisten davon überzeugen, dass einseitige Schritte Richtung Unabhängigkeit strafrechtliche Folgen haben können. Die politische Rettungsmission scheiterte.

Keine politische Mehrheit in Sicht

Nachdem Puigdemont alle Warnungen ignoriert hatte, habe Spaniens Regierung die Pflicht gehabt, „die Erfüllung des Gesetzes zu garantieren“, sagte Sáenz de Santamaría. Auf die von Puigdemont verlangten Gespräche über ein mit dem Staat vereinbartes legales Unabhängigkeitsreferendum habe sie nicht eingehen können, weil die Abspaltung eines Territoriums durch die spanische Verfassung verboten sei. „Für ein Referendum müsste man die Verfassung ändern“, erklärte Sáenz de Santamaría. Dafür ist derzeit in Spanien aber keine politische Mehrheit in Sicht.

Mit ihrer Erklärung vor Gericht nahm Sáenz de Santamaría bereits viele jener Argumente vorweg, die am Mittwochnachmittag ihr früherer Chef Mariano Rajoy weiter ausführte. „Puigdemont war sich absolut bewusst darüber, dass ich ein Referendum nicht genehmigen konnte“, sagte Rajoy. „Ich habe ihm klar gesagt, dass Spaniens Regierung niemals gegen die Verfassung verstoßen und die Auflösung des Staates akzeptieren kann.“

Insgesamt werden in den nächsten Wochen nahezu 600 Zeugen und Sachverständige angehört. Sie sollen die Vorwürfe des Staatsanwalts erhellen, der die Angeklagten der Rebellion gegen den spanischen Staat, des Ungehorsams und der Zweckentfremdung von Steuergeldern für illegale Ziele beschuldigt. Konkret geht es darum, dass die Separatisten im Oktober 2017 ein Unabhängigkeitsreferendum organisiert haben sollen, obwohl dieses zuvor vom spanischen Verfassungsgericht verboten worden war.

„Den Willen des Volkes erfüllt“

Anschließend war eine Unabhängigkeitserklärung verabschiedet worden, die ebenfalls von den Verfassungsrichtern als ungesetzlich bezeichnet und deswegen annulliert worden war. Die Angeklagten hatten sich bei der Vernehmung in den vergangenen zwei Wochen als unschuldig bezeichnet und sich darauf berufen, lediglich „den Willen des Volkes“ erfüllt zu haben. Die Separatisten sehen sich dadurch legitimiert, dass sie die knappe absolute Mehrheit der Mandate im katalanischen Regionalparlament halten, die sie aber mit weniger als 50 Prozent der Wählerstimmen errangen. Kataloniens Bevölkerung ist in ein prospanisches und ein separatistisches Lager geteilt.

Die Verteidiger der Angeklagten hatten ursprünglich auch die Vernehmung von König Felipe gefordert, was vom Gericht aber abgelehnt wurde, weil Felipe absolute Immunität genießt. Spaniens königlicher Staatschef hatte nach dem illegalen Abspaltungsreferendum in einer aufsehenerregenden Rede die Staatsregierung und die Justiz aufgefordert, die verfassungsmäßige Ordnung in Katalonien wiederherzustellen.

Was dann auch umgehend geschah: Madrid setzte die Puigdemont-Regierung ab, der Nationale Gerichtshof begann zu ermitteln – und Puigdemont flüchtete vor der Justiz ins Ausland, weswegen er derzeit nicht auf der Anklagebank sitzt.