Zweckentfremdung der Demokratie – Die unehrliche Absicht der christlichen Gewerkschaft

Zweckentfremdung der Demokratie – Die unehrliche Absicht der christlichen Gewerkschaft

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Am 13. März 2019 meldete Radio 100,7 in der Sendung Panorama um 12 Uhr, LCGB-Präsident Dury habe betont, dass seine Gewerkschaft bei Luxair 14 Personaldelegiertensitze von 20 errungen habe und bei Cargolux 10 von 16. Da diese Zahlen ziemlich hoch schienen, haben wir uns die offiziellen Ergebnisse besorgt.

Von Mil Lorang, ehemaliger Kommunikationsleiter des OGBL

Aus den Wahlresultaten lassen sich interessante Fakten herauslesen. Bei Luxair sind die Kandidaten von vier verschiedenen Listen gegeneinander angetreten und konnten die folgenden Ergebnisse erzielen: OGBL: 5 Sitze, LCGB: 5 Sitze, NGL-SNEP: 1 Sitz und SEA: 9 Sitze.

Bei Cargolux haben sich die Kandidaten von drei Listen der Wahl gestellt und die folgende Sitzzahl gewonnen: OGBL: 6, LCGB: 8 und SEA: 2. Weitere Recherchen haben ergeben, dass der LCGB eigentlich mit zwei Listen angetreten ist. Eine Liste trug die Bezeichnung „LCGB“ und die zweite Liste nannte sich „SEA“. SEA ist die Abkürzung für „Syndicat des employés dans le secteur de l’aviation“, eine interne Abteilung des LCGB. Das SEA heißt in Wirklichkeit „LCGB-SEA“ . Die Konkurrenten des LCGB sind natürlich gemäß demokratischer Normen nur mit einer Liste angetreten.

In der Politik kaum vorstellbar

Auf den politischen Bereich übertragen, kann man sich kaum vorstellen, dass eine Partei mit zwei verschiedenen Listen an Wahlen teilnehmen würde. Z.B. dass die Sozialisten bei Legislativ- oder Kommunalwahlen mit einer „Nur-Männer-Liste“ unter der Bezeichnung „LSAP“ und mit einer „Nur-Frauen-Liste“ unter der Bezeichnung „FS“ („Femmes socialistes luxembourgeoises“) antreten würden.

Genau das passiert aber bei den Sozialwahlen. Der LCGB beantragt nämlich alle fünf Jahre für die Sozialwahlen drei Listennummern, die der Gewerkschaft auch von den zuständigen staatlichen Stellen gewährt werden. Eine Listennummer für die als eigenständige repräsentative Gewerkschaft reell existierende christliche Gewerkschaft LCGB, eine Nummer für die französische Übersetzung des Namens, abgekürzt „CLSC“, und eine für die interne Branche des LCGB, die für die Belange ihrer Mitglieder im Luftfahrtsektor zuständig ist.

Unlautere Praxis bekannt und toleriert

Die unehrliche Absicht der christlichen Gewerkschaft ist unmissverständlich: Dort, wo es Sinn macht, tritt sie mit mehreren Listen an, um nach den Wahlen mit sich selbst eine Koalition eingehen zu können.

Diese Zweckentfremdung eines demokratischen Vorgangs gelingt der Gewerkschaft alle fünf Jahre besonders gewinnbringend bei Luxair und Cargolux. Die meisten Piloten spielen das Spiel mit, und beide, die Gewerkschaftsführung und die Linienpiloten, sind sich keiner Schuld bewusst. Sie spielen mit quasi offenen Karten, weil sie wissen, dass bis heute die staatlichen Behörden diesen unglaublichen Trick durchgehen ließen.

Wie geht das also in der Praxis? Bei Luxair wird eine Liste unter der Bezeichnung „SEA“ mit Flugpersonal zusammengestellt und eine zweite Liste unter der Bezeichnung „LCGB“ für das Bodenpersonal. Bei Cargolux läuft es umgekehrt, dort besteht die LCGB-Liste nur aus Flugpersonal. Wenn das fliegende Personal weiß, dass es eine sogenannte „Pilotenliste“ gibt, dann wählt es natürlich massiv nur für diese Kandidaten, damit seine Interessen stärker in der Personaldelegation vertreten sind.

40 LCGB- gegen 20 OGBL-Kandidaten

Also sind bei Luxair 40 LCGB-Kandidaten gegen 20 OGBL-Kandidaten und 20 NGL-Kandidaten angetreten, und bei Cargolux sind 32 LCGB-Kandidaten gegen 16 OGBL-Kandidaten angetreten. Das wäre so, als würde bei einem Basketballspiel eine Mannschaft von fünf Spielern einer anderen von zehn Spielern gegenüberstehen. Nicht vorstellbar, wird jeder normal denkende Mensch sagen.

Auf der Webseite des LCGB bekommt man den schriftlichen Beweis dafür geliefert, dass es sich bei den gewählten Delegierten beider Listen eindeutig um LCGB-Kandidaten handelt: Die Delegierten werden nämlich zunächst separat aufgeführt und dann in einer dritten Zeile summiert.

Im Vorfeld der Wahlen über Facebook auf diesen undemokratischen Vorgang angesprochen, meinte der frühere Arbeitsminister Nicolas Schmit, die Gesetzgebung ließe es nicht zu, dies zu unterbinden. Es handelt sich dabei um ein großherzogliches Reglement vom 13.7.1993. Schmit gab aber zu, dass es sich bei der LCGB-Praxis um eine Zweckentfremdung der Demokratie („détournement de la démocratie“) handele.

Jede Gruppe bekommt eine einzelne Listennummer

Was sagt das Reglement? In Artikel 1 steht sinngemäß, dass jede Berufsgruppe, jede Gewerkschaft oder jede Gruppe von Arbeitnehmern, die eine Liste von Kandidaten für die Sozialwahlen aufstellen möchte, eine einzige Listennummer beim Premierminister beantragen kann. Dann wird noch in Artikel 2 erläutert, dass die Auslosung der Nummern in zwei Durchgängen erfolgt, wobei im ersten Durchgang die Listennummern für die repräsentativen Gewerkschaften gezogen werden und anschließend die Nummern für andere Gruppen, die an den Wahlen teilnehmen möchten.

Die so vergebenen Nummern können sowohl im Rahmen der Arbeitnehmerkammerwahl (CSL) als auch in denjenigen Betrieben, die im Rahmen der Delegationswahlen nach dem Proporzsystem wählen, benutzt werden.

Spätestens wenn am Tag der Auslosung der Listennummern die zwei gleichen Vertreter einer repräsentativen Gewerkschaft nach dem ersten Durchgang sitzen bleiben und die Auslosung der Listennummern für die zusätzlichen Gruppen von Arbeitnehmern bzw. Gewerkschaften, die eine Listennummer beantragt haben, abwarten, müsste dem Beamten, der im Auftrag des Premierministers die Auslosung vornimmt, ein Speicherlicht aufgehen. Bei den Listen SEA und CLSC handelt es sich nämlich keinesfalls um die Kandidatenlisten einer „anderen“ Gewerkschaft oder Gruppe von Arbeitnehmern, es handelt sich um ein und dieselbe Gewerkschaft.

Beamten fielen keine Merkwürdigkeiten auf

Auch bei der Auslosung der Listennummern für die Sozialwahlen von 2019 sind dem zuständigen Beamten keine Merkwürdigkeiten aufgefallen, wie aus der am 20. November 2018 vom Arbeitsministerium veröffentlichten Pressemitteilung hervorgeht. Der LCGB bekam drei Nummern: die Nummer 2 für die reell existierende Gewerkschaft, die Nummer 8 für die französische Übersetzung ihrer Bezeichnung (CLSC, „Confédération luxembourgeoise des syndicats chrétiens“) und die Nummer 9 für die Abteilung für Luftfahrtpersonal (SEA, „Syndicat des employés du secteur de l’aviation“).

Informationen einer Person zufolge, die den Vorgang beobachtet hat, soll lediglich eine noch anwesende beamtete Person ihre Augen verdreht haben, als die Nummern 8 und 9 gezogen wurden. Der Etikettenschwindel muss also durchaus bekannt gewesen sein.

Der LCGB bringt es also alle fünf Jahre fertig, im Rahmen der Sozialwahlen die einzige Listennummer, die der Gewerkschaft legitim zustehen dürfte, durch einen unfairen Trick zu vermehren. Vielleicht nimmt sich die Regierung unter dem Impuls des neuen Arbeitsministers endlich dieser Zweckentfremdung eines demokratischen Vorgangs an und unterbindet ihn ein für alle Mal.

Wenn Gesetze oder Verordnungen unklar sind und zu Auslegungen führen können, die dazu angetan sind, dass sich eine Organisation einen unlauteren Vorteil verschaffen und dadurch einer anderen Organisation Schaden zufügen kann, dann müssen sie geändert werden!

Mil LORANG
20. März 2019 - 9.09

Den OGBL freet bei der Auslousung vun de Lëschtennummeren eng 2. Nummer un? Menges Wëssens no ass dat nach nie geschitt. Den LCGB freet esouguer 3 Nummeren unn. Net virstellbar an enger Demokratie.

Robert Leven
19. März 2019 - 23.21

Diese Praxis wird vom OGBL seit Jahren bei der BCE/RTL/CLT zusammen mit der Fräi Lëscht genau so ausgeübt.

boufermamm
19. März 2019 - 16.00

Die rezente Geschichte hat es ans Licht gebracht: christlich und ehrlich passen nicht zusammen.