Aufmarsch der Gladiatoren: Steve Bannon will als Stratege schlagkräftige Kämpfer schulen

Aufmarsch der Gladiatoren: Steve Bannon will als Stratege schlagkräftige Kämpfer schulen
Laut Autor soll die Europäische Union in diesem Jahr einen rechtspopulistischen „Gladiatorenaufmarsch“ zu befürchten haben.

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Heil dir, Caesar, die Todgeweihten grüßen dich! Die Phrase gilt als Gruß der Gladiatoren im Römischen Reich beim Betreten der Arena – fälschlicherweise: Tatsächlich ist dieser bestbekannte Satz in der antiken Literatur nur ein einziges Mal bezeugt, und das gerade nicht für einen Gladiatorenkampf.

Im Jahre 52 nach unserer Zeitrechnung ließ Kaiser Claudius nämlich einen Kanal bauen, dessen Eröffnung mit einer Seeschlacht begangen wurde, bei der 19.000 zum Tode verurteilte Sträflinge, die eben keine Gladiatoren waren, kämpfen mussten.

Zur Begrüßung riefen sie: «Ave imperator, morituri te salutant!» Claudius erwiderte: «Aut non» («Oder auch nicht»), um zum Ausdruck zu bringen, dass vielleicht einige den Kampf überleben würden. Was wahrscheinlich auch einigen gelang … Überliefert ist ihr fataler Auftritt auf See allerdings im Sinne von «morituri», meint «diejenigen, die sterben werden», allerdings nicht …

Für die Legende, dass Gladiatoren beim Betreten der Arena auf diese Weise grüßten, gibt es also keinen Beleg. Es finden sich aber zahlreiche Darstellungen, die sie kolportieren. In Asterix als Gladiator aus dem Jahre 1964 rufen die Gladiatoren diesen Satz Julius Caesar zu – im Gegensatz zu unseren Freunden Asterix und Obelix, die ihn nur respektlos mit: «Salut, vieux Jules» (deutsch: «Hallo, alter Julius!») begrüßen.

Wir Asterix-Fans, die wir diese lehrreichen Comics, die auch im Schulunterricht, vor allem im Fremdsprachenunterricht für Französisch, Latein und Altgriechisch, verwendet werden, kennen und lieben.

Panem et circenses, Brot und Spiele, hieß es bekanntlich zur römischen Kaiserzeit, um das Volk bei Laune zu halten. Jetzt aber droht das Spiel ernst zu werden, denn das Volk lässt sich nicht mehr so einfach abspeisen – im Gegenteil!

Moderne Gladiatoren

Womit wir natürlich in den aktuellen europäischen Kontext des 21. Jahrhunderts angekommen wären, und das durchaus bei einer anderen Form von Legionären – um die römische Metapher im Rahmen dieses Beitrages weiterzuspinnen –, die sich in den Truppen der politischen Rechtskräfte zu organisieren drohen.

Am Ende des vergangenen Jahres wurde bekannt, dass der ehemalige Leiter des rechtsextremen Onlineportals «Breitbart News», Steve Bannon, sehr ernst zu nehmende Pläne in Richtung einer langfristigen Strategie zur Bildung einer bedenklichen, streng rechts orientierten Allianz aus Nationalisten, Neofaschisten und Erzkatholiken, die sich gegenüber der vermeintlich zu weltlichen und migrationsfreundlichen päpstlichen Politik entschieden ablehnend positionieren, zu hegen beliebt.

Und das durchaus sehr konkret in Form einer rechtsextremen «Gladiatorenschule», die er laut einem Interview mit dem Corriere della Sera, übrigens der auflagenstärksten und meistgelesenen Tageszeitung italienischer Sprache weltweit, in Italien einzurichten gedenkt.

Mit seiner «Bewegung» will Donald Trumps ehemaliger Chefstratege Rechtspopulisten in Europa unterstützen, «The Movement» soll gar ein Netzwerk für europäische Anti-Establishment-Parteien sein und diese einen. Aus einem idyllisch abgelegenen Kartäuserkloster in den apenninischen Bergen gut 100 Kilometer südöstlich von Rom will Steve Bannon Europa für die Rechte, die er in seiner Megalomanie tatsächlich zur (Zitat) «stärksten politischen Kraft im EU-Parlament» zu machen gedenkt, politisch erobern. Man orientiert sich wohl am Wahlspruch der Kartäuser: Das Kreuz steht fest, während die Welt sich dreht.

Der amerikanische Polit-Manager der Rechtspopulisten will jedenfalls die aus dem 13. Jahrhundert stammende Anlage in eine Akademie – halb mittelalterlicher Universitätscampus, halb Gladiatorenschule für Kulturkämpfer –umwandeln, in eine Bildungseinrichtung zur geistigen Heimat dessen rechtslastigen Gedankengutes, wie die Chose kritisch kommentiert wird.

Der rechtskonservative Thinktank «Dignitatis Humanae Institute» (DHI), eine ultrakonservative Einrichtung als (vermeintliche) «Denkfabrik», die neben Bannon auch von konservativen Kritikern von Papst Franziskus, wie etwa dem US-Kardinal Raymond Leo Burke, unterstützt werden soll, will in Trisulti eine «Akademie für den jüdisch-christlichen Westen» einrichten. Italien soll zum Zentrum von Bannons «politischem Universum» werden – eine Bastion gegen eine «Bedrohung Europas» durch eine Masseneinwanderung aus Afrika, eine fortschreitende Islamisierung und den Säkularismus, wie man so von sich gibt. Auf dem (rechtspopulistischen) «Lehrplan» stehen Philosophie, Wirtschaftswissenschaften, Theologie und Geschichte. Das soll man sich einmal durch den Kopf gehen lassen …

Auch Bannon himself soll einen Kurs leiten – zum Umgang mit den modernen Medien –, und da ist er ein gefährlicher Kenner der Materie, wie man leider einräumen muss. Egal wie: Man sollte den medienversierten Rechtsextremisten keinesfalls unterschätzen, wie auch der SPD-Europapolitiker Jo Leinen, der seit 1999 im Europarlament sitzt, deutlich mahnt: «Ich warne davor, das zu unterschätzen», und weiter: «Ich halte die Einmischung von außen für brandgefährlich.»

Schwierige EU-Wahl

In den USA gebe es enormes Know-how zu Wähleranalysen und -beeinflussung über soziale Medien. «Bannon hat den Ehrgeiz, die Europäische Union zu zerschlagen», prophezeit Leinen düster. Und: «Das wird die schwierigste Europawahl seit ihrer Entstehung vor 40 Jahren.» Allein diese klaren Worte eines EU-Kenners sollte uns alle wachrütteln, besonders jene, die weiterhin auf Verharmlosung der Rechten setzen und die Gefahren, die von diesen Feinden Europas ausgehen, weiterhin ignorieren wollen. Der Sozialdemokrat ist übrigens Ehrenpräsident einer anderen Bewegung, der 1948 gegründeten Europäischen Bewegung International. Es ist ein Netzwerk traditioneller EU-Unterstützer mit Hauptquartier in Brüssel. Jo Leinen schöpft jedenfalls Mut aus dieser Bewegung, wie auch aus den Demonstrationen von Pulse of Europe, einer überparteilichen und unabhängigen Bürgerinitiative, deren Ziel es ist, den europäischen Gedanken wieder sichtbar und hörbar zu machen, besonders aber den rechtspopulistischen und nationalistischen Parteien als öffentliche, pro-europäische Bewegung engagiert entgegenzutreten.

Aber ein bisschen mehr Unterstützung aus Gesellschaft, Wirtschaft und Gewerkschaften dürfte es aus Jo Leinens Sicht schon sein. «Sich vornehm raushalten geht nicht mehr», sagt der SPD-Mann. «Dafür sind die Gefahren viel zu groß.» Und dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen …

Außer vielleicht noch der Wunsch, dass diese rechtspopulistischen Gladiatoren in der EU-Wahlarena am 26. Mai ihrem üblichen Schicksal im Sinne des einführenden Zitates tunlichst nicht entgehen sollten …

* Der Autor ist CFL-Angestellter und verfasst regelmäßig Beiträge für das Forum.

J.C.KEMP
3. April 2019 - 16.24

Gilets jaunes, nur um eine Frage zu stellen. Steckt etwa Bannon dahinter?