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Erst steinhart, dann zartschmelzend: Raphaël Quenard ist auf Umwegen Patissier geworden

Erst steinhart, dann zartschmelzend: Raphaël Quenard ist auf Umwegen Patissier geworden

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Mit leicht zitternden Händen und voller Konzentration stellt Raphaël Quenard seine Kreation aufs Präsentationspodest. Der Patissier hat mehrere Stunden benötigt, um das Dessert zu kreieren. Daisy Schengen erzählt von seinem Kindheitstraum, Koch zu werden, und davon, warum er vor seiner Erfüllung einen Umweg als Steinmetz und Zimmerer nahm.

Raphaël Quenard zu bekommen, gleicht einer Geduldsprobe. Der junge Lothringer scheint nicht gerne im Mittelpunkt zu stehen. Doch hat er erst mal über seine Passion zu sprechen begonnen, dann taut der Spitzenkoch sichtlich auf.

Sein Dessert «Baba au maitrank, sabayon au chocolat blanc, chips croustillant et panais glacés» zuzubereiten, sagt Raphaël Quenard, sei eine rund fünfstündige Angelegenheit. Er hat es im Rahmen der viermal jährlich stattfindenden Präsentation des luxemburgischen Patissierklubs „Les Sucrés du Lux“ kreiert. Zum ersten Mal tritt Quenard hier an, wenn die besten Patissiers Luxemburgs ihre Kreationen zu einem bestimmten Thema vorstellen, und zum ersten Mal ist die Veranstaltung ein Begegnungsort zwischen Kochkunst und Feinbäckerei. Das Thema der ersten Ausgabe 2019 lautet «Végétal: Les racines».

Sternekoch René Mathieu, der sich der pflanzlichen Spitzenküche verschrieben hat, ist Gastgeber an diesem Abend. Und genauso wie der Belgier René Mathieu setzt Raphaël Quenard bei seiner Arbeit auf höchste Präzision und übersetzt Tradition in die Moderne. Einen großen Verdienst daran hat sein ehemaliger Lehrmeister. Aber dazu später mehr.

Steinmetz, Zimmerer, Koch

Lange bevor er beim Restaurant «Ma langue sourit» in Moutfort, das zwei Michelin-Sterne besitzt, zum Chef-Patissier avancierte, verdiente der junge Mann seine Brötchen als Handwerker. «Von Kindesbeinen an wollte ich Koch werden. Meine Eltern hatten mir meinen Wunsch jedoch abgeschlagen – arbeiten am Wochenende und an Feiertagen, keine Familie, wenig Freizeit und soziale Kontakte.»

Also hilft Raphaël zunächst seinem Vater, einem Steinmetz. Es folgt die Liebe zum Holz, er verschreibt sich der Schreinerei. «In der Berufsschule lernten wir, Fenster, Türen und Möbel anzufertigen, während wir beim Kunden bereits vorgefertigte Teile einsetzten. Das gefiel mir nicht, weswegen ich zur Zimmerei wechselte.»

40 Betriebe, erzählt Quenard, dessen kräftige Hände auf seine Vergangenheit als Handwerker deuten, musste er ablaufen, bis er einen Lehrplatz fand. Doch auch dort währte die Freude, ein, wie er sagt, «vergessenes Metier» zu erlernen, nur kurz. «Der einzige Mitarbeiter, der mir die Zimmerei beibringen konnte, kündigte drei Wochen nachdem meine Lehre begonnen hatte.» Den Lehrvertrag aufgelöst, stand Raphaël Quenard wieder vor einem Neuanfang. Dieses Mal sollte er Dachdecker werden. Dazu kam es aber nicht.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Der junge Mann fasste sich ein Herz und kündigte seinen Eltern an, dass er jetzt seinem Wunsch folgen und sich seinen Kindheitstraum, Koch zu werden, erfüllen werde. Er machte ein Praktikum, es gefiel ihm, Quenard fühlte sich endlich am richtigen Platz. Im Restaurant „La Couture“ lernte er eine französische Küche, «wie man sie klassisch, wie früher, zubereitet. Einfache Gerichte, aber mit höchster Präzision und Handwerkskunst gekocht.“

Eben ganz anders als heute, wo in der Küche und auf dem Teller im Restaurant alles hochkompliziert drapiert wird, unterstreicht Quenard. „Die gute, schmackhafte Küche – das ist es, was uns Köche ausmacht.“ Und so bleibt der angehende Gastronom dem Restaurant treu, erlernt das Metier, bildet sich weiter, nimmt an Wettbewerben teil, wo er in vier Stunden Vor-, Haupt- und Nachspeise unter Anwendung vorgegebener Techniken zubereiten muss und als Zweitbester seiner Klasse abschneidet.

«Ganz einfach, meine Leibspeise, seit ich klein war»

Neben Präzision und Vielseitigkeit (Raphaël Quenard hat sich außerdem im Bereich „Brot backen“ ausprobiert) schätzt der junge Franzose die Abwechslung und die Individualität seines Berufs. Massentrends steht er kritisch gegenüber. „Unser individueller Stil und unsere Ideen sind es, die unsere Küche auszeichnen. Wenn einer etwas anderes, Besonderes vormacht, kopieren ihn gleich viele andere Kollegen. Dabei verschwindet unsere einzigartige Identität als Koch, als Mensch, der wir sind“, stellt er klar.

Dass er seinen Beruf liebt, sieht man Raphäel Quenard zweifellos an. Seine Augen leuchten, sein Gesicht strahlt, als er den vorigen Satz ausspricht, und ebenso, als er seine Leibspeise beschreibt. „Etwas ganz Banales, das ich seit meiner Kindheit mag: ein gut gebratenes Stück Hähnchen- oder Putenfleisch mit Sahne, die man nach dem Braten hinzufügt. Als Beilage Spaghetti. Ganz einfach, meine Leibspeise, seit ich klein war“, meint er abschließend mit einem Lächeln.