Hinter den Kulissen der Expogast: Schwedens beste Köche kommen, um zu gewinnen

Hinter den Kulissen der Expogast: Schwedens beste Köche kommen, um zu gewinnen

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«Nummer eins zu werden, ist unser einziges Ziel», kündigte Fredrik Andersson, Teammanager von Schwedens Kochnationalmannschaft, kurz vor dem entscheidenden Abend auf der Expogast in der Luxexpo – The Box an. Der groß gewachsene Schwede sollte recht behalten. Beim vor rund zwei Wochen zu Ende gegangenen «Culinary World Cup» im Rahmen der zweitgrößten kulinarischen Ausstellung weltweit erkämpften sich die Schweden mit 94,608 Punkten von 100 verdient die Goldmedaille.

Montagnachmittag, die Expogast und die Wettbewerbe im Rahmen der kulinarischen Weltmeisterschaft, die vom Luxemburger «Vatelclub», dem Dachverband der Berufsköche, veranstaltet wird, sind in vollem Gange. Der Kampf um die Medaillen ist entbrannt. Kurz vor ihrem entscheidenden Einsatz in der Kategorie «Hot Kitchen» (zu dt. warme Küche) plaudert Teammanager Fredrik Andersson, sichtlich nervös, aber äußerst fokussiert, über Menü-Zutaten und die Vorbereitungsstrategien seiner Kollegen.

Teammanager Fredrik Andersson bei der Siegerehrung (kniend vorne links)

Im Raum, in dem Andersson im Anzug statt in Kochjacke locker referiert, geht es zu wie bei einem Klassentreffen. Schwedens Botschafterin für Luxemburg und Belgien, Annika Hahn-Englund, ist aus Stockholm angereist, genauso wie Vertreter der schwedischen Nahrungsmittelindustrie, die Landwirtsfamilie, die die einzige Enten- und Gänsefarm in Schweden betreibt und fürs Menü geliefert hat, Teammitglieder, Helfer und einige Expats. Als einzige Nicht-Schwedin und Journalistin aus Luxemburg fühle ich mich ein wenig wie „an Englishman in New York“, auch weil alle Reden meinetwegen auf Englisch gehalten werden und ich als Einzige im Raum kein Schweden-Fan-Outfit trage.

Die schwedischen Fans sind bereit. Foto: Daisy Schengen

So angespannt der Teammanager auch ist, so schnell schaffen es die Schweden mit ihrer  lockeren, entspannten Art, ihrem Gast ein Zugehörigkeitsgefühl zu vermitteln. Keine «Standesdünkel», alle sind per du – ich bin mitten drin, statt außen vor. Noch mehr von der sprichwörtlichen schwedischen Lockerheit erlebe ich später, als die für die Expogast angereisten Fans wie bei einem Champions-League-Spiel ihr Team anfeuern (siehe Videos im Beitrag, Anm. der Red.).

«Ein großer Fehler»

«Wir trainieren seit März 2017», holt Fredrik Andersson aus. Zum ersten Mal ist er persönlich beim Culinary World Cup 2014 angetreten und mit dem Team Sechster geworden. «Das war die schlechteste Platzierung für Schweden in den letzten vierzig Jahren. Damals haben wir leider einen großen Fehler gemacht», sagt er, bevor er tief Luft holt. Offenbar hat das schlechte Abschneiden beim ambitionierten Perfektionisten tiefe Wunden hinterlassen.

«Das Ziel lautete seitdem, erneut die Nummer eins zu werden oder mindestens unter die ersten drei zu kommen», fährt er fort. «Jetzt wollen wir nur Erste sein!» Um wieder auf der Spitze des Treppchens zu stehen, hat das Team seine Strategie grundlegend geändert. «Wir haben sehr eng mit den Erzeugern gearbeitet, wollten in Luxemburg zeigen, was unsere schwedische Gastronomie ausmacht.» 2017 begann die Planung des Culinary World Cup rund um diese Vorgabe. So stand schnell fest, dass Ente im Hauptgang die Hauptrolle spielen würde. «Nur bestes Fleisch, Obst und Gemüse kamen für uns in Frage», erklärt Fredrik Andersson.

Das Beste vom Besten als Zutat auszuwählen, reiche dennoch bei Weitem nicht aus, um zu gewinnen, so der Koch: «Unser Team muss mit dem Herzen kochen!»

Den Geschmack Schwedens zeigen

Die letzten sechs Monate waren sehr hart, gibt er zu. Am Rande der Veranstaltung erfahre ich aus dem Umkreis des Teams, dass der Teammanager seit drei Tagen (seit Beginn der Expogast) nicht geschlafen hat, um sicherzugehen, dass alles perfekt nach Plan läuft.

Den fehlenden Schlaf lässt er sich nicht anmerken, als er über die Konkurrenz sinniert. Norwegen und Singapur, sagt er, hätten sehr gute Chancen auf Gold. Wenn Sie diesen Artikel lesen, werden Singapur den zweiten und Norwegen den dritten Platz in der Gesamtwertung belegt und mit Zehntelpunkten-Unterschied ebenfalls Goldmedaillen gewonnen haben.

Doch die Platzierungen sind zu diesem Zeitpunkt für Schwedens Team kein Thema. «In all unseren Vorbereitungen ging es darum, die Seele der schwedischen Küche zu zeigen. Zutaten wie die in nordischen Ländern sehr begehrte und bekannte Moltebeere (eine Art Sumpfbrombeere) haben wir dieses Mal nicht verwendet. Damals wusste ein asiatischer Juror nicht, wie sie schmeckt, probierte sie und war nicht davon überzeugt. Dieser Fehler von vor vier Jahren passiert uns heute nicht mehr», schildert der Koch, wie er und seine Kollegen aus Fehlern lernten und in diesem Jahr Zutaten aus aller Welt nutzten, um ihnen im Menü den Geschmack Schwedens zu verleihen.

„Was nicht schwedisch aussieht, machen wir schwedisch“

«Wir haben zwei Lkws voller Zutaten als doppelte Absicherung vor den Expohallen stehen. Insgesamt neun Tonnen Ausrüstung und Lebensmittel», zählt Andersson auf. Dazu gehört auch die Ente aus dem Hauptgang. Im Mai 2017 fiel die Entscheidung, dass das Federvieh dort den Ton angeben würde. Nur in Schweden sind Enten und Gänse rar. «Es gibt nur einen einzigen Landwirt, der sie züchtet», erklärt Andersson.

Maria und Björn Olsson haben die Hauptzutat für das Siegermenü Schwedens geliefert. Foto: Daisy Schengen

Am anderen Ende des Raumes lächeln ein Mann und eine blonde Frau verhalten und nicken zustimmend. Maria und Björn Olsson sind so viel Aufmerksamkeit nicht gewohnt, verraten sie später. In der Tat genießen sie eine Sonderstellung mit ihren rund 3.000 Zuchttieren (zur Hälfte anteilig Enten und Gänse) auf der Insel Gotland in der Ostsee, sagen beide und verraten: «Das Fleisch unserer Tiere ist aufgrund der kalten Temperaturen besonders zart. Dank der vielen Sonnenstunden enthält es viel Vitamin D. Hier im, für uns, südlichen Europa ist es für Enten und Gänse einfach zu warm», sagt Björn ernst. Statt Verabschiedung schiebt er nach: «Nur zur Unterscheidung: Gänse sind die einzigen Vögel, die Gras fressen!»

Mit diesem Hintergrundwissen ausgestattet, rückt Koch und Teammanager Andersson das Menü wieder in den Mittelpunkt. Das schwedische Dessert besticht mit Milchschaum und Joghurt, eine Art Sorbet, sagt er und kontert fragende Blicke mit einem pragmatischen «was nicht schwedisch aussieht, machen wir schwedisch».


Nahrungsmittelexporte: Schweden will mit den Großen mitmischen

Derzeit beträgt der Anteil an Lebensmitteln und Getränken, die Schweden in die Welt ausführt, rund 1,5 Prozent, erklärt Rasmus Bäckström vom Schwedischen Lebensmittelverband. Doch das Land hat große Pläne und laut Bäckström großes Potenzial. «Heute produzieren wir viele Lebensmittel ohne den Einsatz von Antibiotika und sollen künftig bis zu 70 Prozent unserer möglichen Landwirtschaftserträge ausführen», sagt er.

Haben früher Bodenschätze und die Automobilindustrie die Ausfuhrstrategie Schwedens bestimmt, setzen Politik und Regierung jetzt auf die Nahrungsmittel.

«Probieren Sie Schweden!», mit diesem Slogan wollen die Skandinavier die Lebensmittelmärkte der Welt erobern. Ob es ihnen gelingt, muss sich noch zeigen. Eines sollten aber seine Landsleute jetzt schon verinnerlichen, meint Bäckström: «Wir könnten viel stolzer auf unsere Lebensmittel sein!»