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Alte nackte Frauen und Faschos – Die Ausstellung „Plakeg! – Der Akt um 1900“ in der Villa Vauban

Alte nackte Frauen und Faschos – Die Ausstellung „Plakeg! – Der Akt um 1900“  in der Villa Vauban

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Kunstgeschichte ist ein bisschen wie Fußball. Es ist nicht jedermanns oder jederfraus Sache. Zumindest bei Ersterem kann man trotzdem Interesse wecken, indem man einen thematischen Zugang schafft, mit dem sich potenzielle Musemsbesucher identifizieren können. Bei der Ausstellung «Plakeg!» in der Villa Vauban wurde einer der größten menschlichen gemeinsamen Nenner gefunden: Von der Nacktheit kann nämlich niemand behaupten, sie beträfe ihn nicht.

Die künstlerische Darstellung von Nacktheit steht im Fokus der Ausstellung, die sich mit dem Akt um 1900 auseinandersetzt. Nun liegt der behandelte Zeitraum zwar über 100 Jahre zurück und doch lassen sich interessante Parallelen zur heutigen Zeit ziehen. Obwohl die Präsentation des Themas sehr nüchtern und wissenschaftlich daherkommt, lauern hinter der einen oder anderen Ecke – von den unlängst verstorbenen Künstlern sicherlich ungewollte – popkulturelle Referenzen, Aktualitätsbezüge und jede Menge Diskussionsstoff.

Wer die heiligen Kunsthallen an der hauptstädtischen Bushaltestelle «Charly’s Gare» betritt, ist kurz geneigt, sich zu fragen, ob er oder sie sich um 70 Jahre verrannt hat. Denn das erste Werk, das seine Blicke auf sich zieht, ist Lovis Corinths «Männlicher Halbakt» von 1913, der an den jungen Freddy Mercury erinnert. «Freddys» Nachbarin, also jene Frau, welche als «Sitzender Akt» (um 1925) von Hans Purrmann fungiert, stützt sich nicht wie der vor Kraft strotzende Herr auf sich selbst, sondern auf einen geblümten Sessel, den heutige Anfangdreißiger wahrscheinlich als Jugendliche hässlich gefunden hätten, aber für den sie nun als hippe Erwachsene auf einmal mehrere Hundert Euro ausgeben würden. Die abgebildete Frau sieht extrem gelangweilt aus, fast so, als würde jemand ihr gerade die gesamte bisherige Handlung von „Game of Thrones“ erzählen, obwohl sie nie danach gefragt hat.

Das fehlende Glied

Ein Stockwerk tiefer hat man nach dem Lesen des Infotäfelchens plötzlich einen Ohrwurm. Simon & Garfunkel stimmen sich mit zahlreichen «Dee Dee Dees» und «Doo Doo Doos» auf die erste Strophe von «Mrs Robinson» ein. Indes ist die Frau, die man vor sich hat, nicht die weiße, attraktive verheiratete Frau aus dem Film «Die Reifeprüfung», für den das Duo den Soundtrack verfasste, sondern Albert Weisgerbers ältere, unvermählte «Liegende» (1910) Miss Robinson.

In einem weiteren Raum sieht man einen im Wald schlafenden Knaben. Das Bild entstand auf der Lüneburger Heide. Dennoch gehört der Bursche nicht zu den rechten «völkischen Siedlern» Niedersachsens, die man aktuell in dieser ländlichen Gegend verortet und als «Öko-Nazis» bezeichnet werden. Es handelt sich um Weisgerbers Schüler Fritz Burger-Mühlfeld, mit dem er 1912 mehrere Wochen dort verbrachte, um seine «Sebastian-Bilder» zu erstellen.

Während man die gezeichnete, gemalte oder fotografierte weibliche Vulva mehrfach in der Villa Vauban antrifft, sind männliche Glieder eher rar gesät. So auch in Bezug auf das Modell Fritz, dessen Intimbereich stets von einem Tuch bedeckt wird.

Wie bei den drei vorausgegangenen Beispielen liegt auch letztgenanntem Ölgemälde ein kunsthistorischer Kontext zugrunde, der für Kenner wie für Laien spannend sein kann und aus heutiger Perspektive interessante Fragen aufwirft. In diesem Fall ist das verschleierte Geschlecht darauf zurückzuführen, dass Fritz’ Vater Albert Weisgerber streng verboten hatte, seinen Sohn ganz nackt zu malen. Dieser steuerte damals jedoch bereits auf sein 30. Lebensjahr zu. Dieses Bevormunden und Verfügen über den Körper anderer war zwar seinerzeit nicht unkonventionell, dafür aber nicht weniger problematisch. Auch 2019 stellt es keine Seltenheit dar und beschneidet persönliche sowie künstlerische Freiheiten.

Lass mal abhängen!

Kehrt man nun zu Miss Robinson zurück, gibt ein spannendes Detail ebenfalls Anlass zu Diskussionen: Das ältere Modell war eine dunkelhäutige Frau. Demnach verfrachtete der saarländische Maler Weisgerber sie bereits mehr als 100 Jahre, bevor man darüber diskutierte, dass nicht-weiße Menschen in Filmen und bei den Oscars unterrepräsentiert sind oder nur Nebenrollen spielen, in den Vordergrund.

Unbedingte Empfehlung:

Nehmen Sie an einer der Führungen durch die Ausstellung teil. Das Tageblatt hatte das Glück, mit einer der Kuratorinnen, Maité Schenten, durch die Räume zu schreiten und zahlreiche Zusatzinformationen von einer Person zu erhalten, die sich nicht nur auskennt, sondern offenkundig auch eine Leidenschaft für ihr Fachgebiet hegt. Maité Schenten lädt außerdem am 24. Mai zu einer Konferenz, in der sie das Innovative und gleichzeitig Skandalöse an Lovis Corinths Aktmalerei beleuchtet.

Der zuvor erwähnte Hans Purrmann galt ab 1937 als «entarteter» Künstler. Man entfernte seine Arbeiten aus öffentlichen Einrichtungen. Sein Werk war ebenso wie das von Corinth und vieler anderer Künstler nicht mit den Schönheitsidealen und dem Kunstverständnis der Nationalsozialisten in Einklang zu bringen. Auch im 21. Jahrhundert werden noch ähnliche Bilder abgehängt, weil sie dem gesellschaftlichen Diskurs nicht mehr vollends entsprechen. Eine bessere Diskussionskultur als 1937 wäre indes mehr als nur wünschenswert.

Wenngleich Lovis Corinths zu Anfang beschriebener Halbakt auch 2019 wie ein extremes Klischee formvollendeter Männlichkeit wirkt, handelt es sich bei diesem Künstler um jemanden, der durchaus mit Rollenbildern spielte und Frauen um 1901 die Möglichkeit gab, durch die Schaffung der «Malschule für Damen» vom Objekt, also vom Motiv, zum handelnden Subjekt zu werden, weil sie den Pinsel selbst in die Hand nehmen konnten. Da wirkt die anhaltende Objektivierung von Frauen ein Jahrhundert später wie das Resultat eines hängen gebliebenen Rückwärtsgangs und sollte nicht unkommentiert blieben.

In «Plakeg!» gesellen sich viele weitere Künstler zu den bereits genannten. Ja, sogar Luxemburger wurden bemüht. Zudem spielen mehrere Medien und Techniken eine Rolle, sodass beispielsweise Fotografien die Wände zieren und Statuen betrachtet werden können. Mit etwas Glück und Aufmerksamkeit findet jeder persönliche Anknüpfungspunkte, die er oder sie durch das gebotene Fachwissen ergänzen kann. So steht einem unterhaltsamen wie lehrreichen Museumsbesuch nichts mehr im Weg.


Nazi vs. Nippel – Nacktheit im „modernen“ Zeitalter in sozialen Netzwerken

Wer bei Facebook schon einmal versucht hat, rechtsextreme Inhalte oder Gewaltdarstellungen zu melden, damit sie aus dem sozialen Netzwerk entfernt werden, hat sicherlich festgestellt, dass dies gar nicht so einfach ist und viel Zeit in Anspruch nehmen kann. Das Gleiche gilt jedoch nicht für (zuvorderst weibliche) Nippel. Bilder, auf denen dieses Geschlechtsorgan zu sehen ist, verschwinden laut Aussagen zahlreicher Künstler und Künstlerinnen, die sich in der Großregion mit Aktfotografie beschäftigen, zeitweilig sogar innerhalb weniger Sekunden.

Die Villa Vauban musste nun eine ähnliche Erfahrung machen. Miss Robinson, die auf den Plakaten zur aktuellen Ausstellung zu sehen ist, schaffte es nicht in den virtuellen Raum, sondern lediglich die geblümte Tapete, welche die Wand hinter ihr ziert. Eine Mitarbeiterin der Villa Vauban erklärte gegenüber dem Tageblatt, dass man sich zuerst vorsichtig herangetastet und lediglich ihre Arme gepostet hätte. Sobald auch nur der Ansatz des Oberkörpers der älteren Frau zu sehen gewesen sei, sei das Bild wieder vom Anbieter gelöscht worden.

„Plakeg! – Der Akt um 1900“ ist noch bis zum 16. Juni in der Villa Vauban zu sehen.

Laird Glenmore
17. April 2019 - 20.03

Jetzt kommen wieder die Moralapostel aus ihren Löchern gekrochen um zu lästern und sich das Maul zu zerreißen. Nacktheit ist doch die natürlichste Sache der Welt, manche gehen ja auch zur Sauna ( nackt ), ich persönlich sehe lieber einen wohlgeformten faltenfreien Körper eines älteren Menschen als einen unförmigen fetten einer jungen Person. Die sich öffentlich aufregen sind die schlimmsten erst blabla und dann lassen sie die Sau raus, manchmal in so einer peinlichen Art das man Orte ( Cafés ) nicht zum zweiten Mal besuchen kann. Ich kann nur sagen, alle Achtung vor den Menschen die den Mut haben so etwas zu machen. Erinnert mich an den Film " Kalendergirls ".