Zusammenleben bei „Cohabit’Age“ in Vianden: „Endlich eine Chance“

Zusammenleben bei „Cohabit’Age“ in Vianden: „Endlich eine Chance“
Hier sitzen fünf Nationalitäten an einem Tisch

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Im August dieses Jahres hat die Initiative «Cohabit’Age» eine Wohngemeinschaft im Kern der Ortschaft Vianden eröffnet, die zurzeit ihresgleichen in Luxemburg sucht. In einem komplett renovierten Haus leben heute zehn Menschen verschiedener Nationalitäten, einige von ihnen profitieren als Flüchtlinge von internationalem Schutz. Wir trafen uns mit ihnen.

In der Bahnhofsstraße 30 empfing uns Moussa Seck, der verantwortliche Leiter von «Cohabit’Age», dieser Tage mit einem breiten Lächeln. «Danke, dass Sie sich für unser Projekt interessieren», so seine ersten Worte. Gleich gesellten sich auch vier der Bewohner dieser neuen Wohngemeinschaft zu uns. Eine Frau setzte gleich die Kaffeemaschine in Gang. «Hier haben sie gleich ein tolles Beispiel von dem, was wir mit diesem Projekt erreichen wollen. An diesem Tisch sitzen nun junge und weniger junge Menschen aus Marokko, aus dem Irak, aus Syrien, aus dem Kongo und aus Luxemburg», so Moussa Seck weiter. «Sie leben hier zusammen, haben alle ihre eigene Wohnung in diesem Haus, können aber auch von den Gemeinschaftsräumen profitieren. Sie helfen einander, sei es bei den Hausarbeiten oder den Einkäufen, sei es bei der Bewältigung von anfallendem Papierkram oder bei der Arbeitssuche. Es werden Sprach- und Informatikkurse angeboten. Demnächst werden wir auch einen Garten von der Gemeinde zur Verfügung gestellt bekommen.»

Jung und alt

Der jüngste Bewohner, Eric, ist 24 Jahre alt, der älteste, Jos, steuert auf die 63 zu. Letzterer muss zurzeit ein Bett in einer Klinik hüten. Die Mitbewohner besuchen ihn abwechselnd und hoffen, dass er bald wieder bei ihnen ist. «Er fehlt uns hier.»
Diese Wohngemeinschaft gebe ihnen endlich eine echte Chance, sich «in einem neuen» Leben zurechtzufinden. «Ich habe vorher in einem Foyer in Michelau 650 Euro für ein Bett (!) in einem Dreibettzimmer bezahlen müssen», so ein Syrer. «Es versteht sich wohl von selbst, dass ich so nichts auf die hohe Kante legen konnte, was mir einen Neustart in ein eigenes neues Leben erschwert, um nicht zu sagen unmöglich macht. Hier bezahle ich 200 Euro im Monat an Miete für eine Wohnung, dazu kommen 100 Euro an Zusatzkosten. Erst jetzt kann ich sparen, um mir so in den nächsten zwei, drei oder mehr Jahren ein Startkapital zu schaffen, das mir erlaubt, endlich auf eigenen Beinen stehen zu können.» «Wir verstehen uns sehr gut, auch wenn die arabische, die französische und auch die luxemburgische Sprache manchmal arg miteinander vermischt werden», so die Frau aus Marokko. «Obwohl hier jeder seine eigene Wohnung hat, treffen wir uns sehr oft im Gemeinschaftsraum, sei es, um zusammen zu essen, sei es, um zu diskutieren, um Spiele zu machen, um die Arbeitsaufteilung zu besprechen usw.»

«Das Zusammenleben läuft hier wie am Schnürchen», so Moussa Seck. Er unterstreicht, dass ihn täglich drei bis fünf Anfragen von Leuten erreichen, die ein Dach über dem Kopf suchen. «Aus der großen Anzahl von Antragstellern mussten wir für dieses Projekt die aussuchen, von denen wir annahmen, dass sie zusammenpassen, andernfalls seien vielleicht Probleme vorprogrammiert gewesen.»

«Après des séjours difficiles …»

«… une main nous est tendue», so ein Mann aus dem Irak. Er erinnert sich nur ungern an das, was er bis dato erlebt hat. Zerstörung, Leid, Trauer, Schmerz, Angst, Flucht … Er möchte auch nicht so recht über die Unterbringungen sprechen, in denen er in den letzten Monaten dahinvegetieren musste. Drei Duschen für 200 Menschen in einer Unterkunft für Flüchtlinge in Luxemburg … war nur eines der Beispiele, die er kurz erwähnte. Er hatte sichtlich große Mühe, Tränen zu unterdrücken.

Auf die Frage, ob «Cohabit’Age» noch weitere Projekte dieser Art plant, meinte Moussa Seck: «Im Moment sind wir mit Plänen beschäftigt, die ein Haus in Bettemburg betreffen. Aus finanziellen Gründen können wir nicht alle benötigten Häuser aufkaufen, es ist aber schwer, in Luxemburg Philanthropen zu finden, die uns für eine bestimmte Zeit Gebäude zur Verfügung stellen. Vielleicht sollten wir hier noch einmal einen Aufruf dazu machen. Einzelheiten zur Initiative findet man unter www.cohabit-age.lu (Mailadresse: contact@cohabit-age.lu).»


Cohabit’Age

2014 hat Moussa Seck nach dem Vorbild der französischen Vereinigung «Un toit, deux générations» die Initiative «Cohabit’Age» gegründet. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, das Zusammenleben von älteren und jüngeren Menschen zu fördern. Anfangs ging es darum, Rentner zu finden, die junge Leute, die sich keine Wohnung leisten können, bei sich aufzunehmen. Im Gegenzug verpflichten sich die jungen Menschen dazu, den Senioren z.B. bei der Hausarbeit zu helfen.

Die Initiative hat ihren Sitz in Esch/Alzette und wird von der Vereinigung «mateneen», dem «Œuvre nationale de secours Grande-Duchesse Charlotte» und dem Familienministerium unterstützt.

Weitere Infos: www.cohabit-age.lu