Wo zur Hölle liegt „Rëmeljen“? Brettspiel bringt Tageblatt-Journalisten in Verlegenheit

Wo zur Hölle liegt „Rëmeljen“? Brettspiel bringt Tageblatt-Journalisten in Verlegenheit

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Die Tage werden kürzer, die Abende dunkler und die Feiertage rücken näher. Die perfekte Jahreszeit, um die Gesellschaftsspiele aus der verstaubten Schrankecke hervorzuholen. Guy Heintz, Gitarrist der luxemburgischen Kultband Cool Feet, hat die perfekte Antwort auf langweilige Winterabende: ein Brettspiel, bei dem die Spieler nicht nur Spaß haben, sondern auch – manchmal zähneknirschend, aber immerhin – noch eine Menge über das kleine Luxemburg lernen.

«Wou läit Piisseng?» – Eine Frage, die sich wohl selten jemand gestellt hat. Bis jetzt. Seit Mitte September liegt ein Gesellschaftsspiel mit diesem Namen in den Regalen der Luxemburger Supermarktkette Cactus. Die ersten 2.000 Exemplare wurden bereits verkauft, eine Wiederauflage ist seit Anfang dieses Monats erhältlich.

Das Brettspiel ist für zwei bis acht Spieler konzipiert und wird ab dem Alter von zehn Jahren empfohlen. Die sechs Tageblatt-Journalisten, die sich dazu bereit erklärt haben, das Spiel zu testen, liegen deutlich über diesem Mindestalter. An einem großen Tisch im Escher Café Diva packen sie das Spiel aus. Die erste Überraschung: Es gibt kein Brett, sondern ein flexibles, zusammenrollbares Spielfeld, auf dem eine Karte von Luxemburg abgebildet ist. Das Material ist wasserabweisend. Da hat wohl jemand daran gedacht, dass bei einem langen Spieleabend schon mal ein Glas Wein umfallen kann.

Auf der «trinkfesten» Karte sind nur die Namen der zwölf Kantone und die Grenzen der Gemeinden eingetragen – Letztere ohne Namen. «Kenns du Lëtzebuerg?», steht unter der Karte. Genau darum geht es in dem Spiel: herauszufinden, wie gut die eigenen Kenntnisse der hiesigen Geografie sind, und diese anschließend zu verbessern.

Einfache Spielregeln

Die Spielregeln sind einfach zu verstehen. Spätestens nach der zweiten Runde weiß jeder, wie die Punkteverteilung funktioniert. Als die erste Karte gezogen wird, herrscht erst einmal Ratlosigkeit am Tisch. Wo zur Hölle liegt «Rëmeljen»? Fünf von sechs Spielern haben keinen blassen Schimmer. Gut, dass die Spielerin, die gerade dran ist, dort aufgewachsen ist.

Unbeirrt legt sie den grünen hölzernen Pfeil in der Gemeinde Wintger, Kanton Clerf, ab. Drei Punkte für die richtige Stelle, einen für den richtigen Kanton und einen für die richtige Gemeinde. Ihre pinke Spielfigur darf fünf Felder nach vorne rücken. Ein Erfolgserlebnis. Kurz danach folgt aber schon der erste Rückschlag. Sie landet auf dem Frage-Feld. Ihr linker Nachbar zieht eine Quiz-Karte und liest die Frage vor: «Wéi vill Mariagë goufen 2015 zu Lëtzebuerg gescheet?» Es gibt drei mögliche Antworten. Sie verschätzt sich und muss fünf Felder zurück. Nervöses Lachen im Raum: «Das ist aber ein wenig übertrieben», sind sich alle einig.

Schwindende Motivation

Guy Heintz, Entwickler des Spiels und Gitarrist der luxemburgischen Band Cool Feet, nimmt konstruktive Kritik gerne an. «Bevor das Spiel verkauft wurde, haben wir es mit 50 Menschen auf einem ausgedruckten Prototypen getestet. Am Anfang musste derjenige, der die Quizfrage falsch beantwortete, zehn Schritte zurück. Das war viel zu viel.» Aber auch die aktuellen fünf Rückschritte sorgen für schwindende Motivation. Die Regel zieht das Spiel unnötig in die Länge.

Nach 40 Minuten hat keiner aus dem Tageblatt-Spielteam mehr als die Hälfte des Spiels absolviert – und das trotz gegenseitiger Hilfe. Vielleicht liegt das aber auch an den Tageblatt-Journalisten. Das Spielfeld wird jedenfalls wieder – unbekleckert! – zusammengerollt und weggepackt. Es ist Zeit, zurück an die Arbeit zu gehen.
Neben den falsch beantworteten Quizfragen ist es vor allem der Schwierigkeitsgrad der Fragen, der niemand so richtig vorankommen lässt. Oder wissen Sie, wo Orte wie «Op der Schanz», «Hunnebuer» oder «Trätter Strooss» liegen? Radarfallen-Felder erwischen den Spieler indes dabei, wie er zu schnell fährt – fünf Schritte rückwärts. Auf dem Spielfeld abgebildete Handschellen bedeuten Gefängnis: eine Runde aussetzen.

Neben den fiesen Spielfeldern gibt es aber auch hilfreiche: Wer auf dem Joker landet, darf sich seine nächste Karte aussuchen. Einen Ort also, von dem er sich sicher ist, seine geografische Lage zu kennen. Das 2x-Feld verdoppelt die Punktzahl der nächsten Karte.

Ernüchterndes Fazit

Ein bisschen fühlt man sich während des Spiels wie bei der Echternacher Springprozession: zwei Schritte vor, einer zurück. Das nagt an der Motivation, sodass das Fazit der Tageblatt-Spieletester ernüchternd ausfällt. Alle sind sich einig, dass das Ganze eindeutig zu viel Zeit in Anspruch nimmt. So viel Fairness muss aber auch sein: Die Mittagspause ist nicht das Wohnzimmer und Kaffee ist kein Wein. Unter anderen Umständen wäre die Kritik vielleicht weniger hart ausgefallen. Und vielleicht muss auch einfach eine Landkarte an den Klotüren der Redaktion angebracht werden, damit jeder nebenbei ein bisschen üben kann. «Wou läit Piisseng?» ist auf jeden Fall ein sehr lehrreiches Gesellschaftsspiel, dessen Schwierigkeitsgrad nicht zu unterschätzen ist.

Übrigens: Das 105-Seelen-Dorf Pissingen liegt in der Gemeinde Reckingen/Mess und gehört zum Kanton Esch.

DanV
9. November 2018 - 11.10

Schätzfragen sind Motivationskiller für jedes Spiel. Ausserdem lassen solche statistischen Fragen ein Spiel sehr schnell alt werden. Die Frage nach den Scheidungsraten von 2015 wird in 5 Jahren noch viel weniger interessant sein als heute. Aber bestimmt könnte man diese Fragen vor dem Spiel aussortieren - wenn es nicht zu viele sind.