Wahlkampf auf der Braderie: Unters Volk gemischt

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Die politischen Parteien und die hauptstädtische Braderie – das hat eine lange Tradition. Eine spezielle Note bekommt das Ganze indes immer, wenn Wahlen vor der Tür stehen.

Ob die Piraten den Wähler aufs Glatteis führen wollen? Rutschig und schmierig ist es auf der «Plëss», dort, wo sie ihr Zelt aufgeschlagen haben. Angestellte der Stadt Luxemburg sind dabei, den Platz mit Wasserschläuchen zu säubern. Ein Lkw hatte am frühen Morgen Öl verloren. Unbeeindruckt davon verkauft Präsident Sven Clement seine Politik. Neben ihm ein potenzieller Wähler. Das Gespräch dreht sich um die Steuerklasse 2 für jedermann und auch um das Thema «vun der Aarbecht liewen a wunne kënnen».

Clement versucht, seine Partei ins richtige Licht zu rücken. Er ist sich bewusst, dass es diesmal um alles geht. Nach dem Zusammenschluss mit der PID ist die Rechnung simpel: fünf Prozent der Wählerstimmen ergattern und damit zwei Sitze erobern. «Einen im Süden und einen im Zentrum. Ich bin überzeugt, dass wir das auch schaffen und sich der positive Trend von den Gemeindewahlen fortsetzt», sagt er und verteilt eines von 300 Vanille-Eclairs mit der Aufschrift «1» (für die Poleposition bei den Listennummern) an eine ältere Frau.

Windmühle als Symbol

«Déi gréng Bicke schreiwe keng inhaltlech Feeler, wann een de grénge Programm domadder ënnerschreift», sagt Pol Zens von «déi gréng», die in der «Philippsgaass», wie sie auf Luxemburgisch heißt, anzutreffen sind. Dort hat sich das Gros der Parteien niedergelassen. Die Grünen gehen aber irgendwie auf Nummer sicher und sind mit gleich zwei Ständen auf der Braderie vertreten. Sam Tanson, François Benoy und Charles Margue, der bekanntlich seinen Job bei TNS Ilres an den Nagel gehängt hat, sind eifrig dabei: schütteln Hände, begrüßen Vorbeigehende, verteilen Gadgets. Besonders originell ist die Windmühle. Als Symbol für grüne Energie schlechthin.

«Jeweils 1.000 Kulis und Windmühlen werden wir verteilen», erzählt Pol Zens. Normalerweise reicht dies nicht aus. Wenn Nachschub benötigt wird, geht einer rüber zur Fraktion. «Ech si gespaant, wéi et geet de 14. Oktober», sagt Zens. Die Resonanz auf der Braderie sei gut. Aber das sei eigentlich immer so gewesen.

«Es macht Spaß, sich zu engagieren»

Gleich neben Voyages Flammang hat sich derweil die LSAP postiert. Am Stand sind reichlich Leute zugegen, aber nur wenige Kandidaten. Dabei hatte die Partei alle Mandatsträger per Rundmail eingeladen, vorbeizuschauen. Die Coupe Crémant kommt aber sehr gut an. Richtig etwas los ist erst, als Etienne Schneider aufkreuzt. Der Vizepremier steht Rede und Antwort. Er nimmt sich Zeit für die Bürger. Mit einer Wählerin unterhält er sich zehn Minuten lang.

«Ich bin immer wieder erstaunt darüber, was die Menschen bewegt und was sie von einem wissen wollen», sagt er. Eine Wespe umschwirrt ihn. Schneider verscheucht sie lässig mit einer Handbewegung und sagt lachend: «Wa just déi et op mech ofgesinn hunn, da geet et alt nach.» Das mit den Menschen, die auf einen zugehen, kann auch Sandie Lahure bestätigen. Die Tochter des ehemaligen LSAP-Ministers Johny Lahure setzt diese politische Tradition fort. «Es macht Spaß, sich zu engagieren und den Menschen wieder näher zu bringen, wofür die LSAP eigentlich steht.»

Routine pur bei der CSV

Unaufgeregt geht es derweil bei der CSV zu. Routine pur. Alles ist perfekt organisiert, so wie man es von den Christsozialen gewohnt ist. Gegen 8.00 Uhr war der Stand aufgestellt, wie Natalie Silva, Bürgermeisterin aus Fels und Zentrumskandidatin, erzählt. Seitdem werden Hände geschüttelt und Gadgets verteilt, darunter auch Bio-Gummibärchen, die hervorragend schmecken. Die CSV ist populär wie eh und je. Und so zeigt sie sich auch. Marc Spautz, der CSV-Parteipräsident, ist ebenfalls da. Erst gegen Mittag stößt der Spitzenkandidat Claude Wiseler hinzu. «Es ist wichtig, den Kontakt zu suchen mit den Menschen und den Puls zu nehmen beim Wähler», sagt Spautz.

Und die Braderie sei dafür eine tolle Gelegenheit und deshalb ein Muss, an dem keiner vorbeikomme. Und die Kandidaten? «Prioritär Kandidaten aus dem Zentrum. Die aus dem Süden sind aber auch willkommen», sagt er lachend und fügt hinzu, dass es natürlich auch darum gehe, Inhalte zu vermitteln. Viele wollen sich vorab informieren. «Auch wenn wir zu denen gehören, die in Sachen Wahlprogramm eine Salamitaktik angewendet haben.»

Die Zähne zeigen

Den Puls beim Wähler fühlen, das hat sich auch die DP vorgenommen. Allen voran Xavier Bettel. Frisch und in Hochform präsentiert sich der Premierminister, als er Punkt 12 Uhr am Stand erscheint. Im Schlepptau zwei Bodyguards und ein Kamerateam. Es werden Fotos gemacht und Selfies. Ausgestattet mit der Landkarte «d’Land op Lëtzebuergesch» geht der Premier und DP-Spitzenkandidat auf die Wähler zu, fragt, was den Bürger bedrückt. Bettel kommt gut an. Wie immer eigentlich.

Und Sylvia Camarda verspricht lachend, dass die DP im Wahlkampf Zähne zeigen wird. Deshalb habe sie noch einen Termin beim Zahnarzt heute. Zurück zur Landkarte. Als Wahlgadget ist sie ein alter Klassiker, der in den letzten Jahren aber von der Bildfläche verschwunden war. Auf der einen Seite unser Land mit allen Ortsnamen auf Luxemburgisch und auf der anderen Seite die 60 Kandidaten sowie politische Inhalte.

Ein Fahrrad mit Slogans

Bei der ADR gibt es neben Gast Gibéryen ein bekanntes Gesicht. Das von Dan Hardy, dem ehemaligen RTL-Journalisten. Hardy hat wenig Zeit, denn in der Mittagsstunde ist reichlich los. Es gehe darum, die Sprache der Leute zu sprechen, sagt er: «Eigentlich mache ich nicht viel anders als früher, als ich vor der Kamera stand und auf dem Terrain war, um über das zu berichten, was in Luxemburg passierte», so Hardy weiter. Was toll an der ADR sei, sei die Tatsache, dass er hier nicht in einen Politikerjargon verfallen müsse, sondern so reden könne, wie ihm der Mund gewachsen sei. Über die Kandidaten, die konservative Gedanken und rechte Ideen propagieren, will Hardy aber keine Worte verlieren.

Bei «déi Lénk» versucht man die Wähler mit einer Fahrradaktion in den Bann zu ziehen. Dazu Zentrumskandidat Marc Theis: «Es geht darum, das Fahrrad mit Slogans auszuschmücken. Auf der Braderie haben wir mit der Aktion begonnen, die uns im Wahlkampf begleiten wird.» Die Slogans drehen sich um soziale Gerechtigkeit, um das dritte Alter, aber auch um Kultur. Es sei schwierig gewesen, so Theis, ausreichend Kandidaten zu finden. Besonders Frauen würden sich schwertun, wenn es um politisches Engagement gehe. Politik sei eher was für Männer, für Männer, die Macht ausüben wollen. Was die Gadgets betrifft, so fällt ein kleiner Beutel, auf dem «Engagéiert fir Verännerung» prangt, aus der Reihe. Inhalt: Samen, um Cocktailtomaten anzupflanzen.

Auch «déi Konservativ» sind mit einem Stand da, der ein wenig an einen Verkaufsstand auf einem «Dëppefest» erinnert. Anhand einer Tombola sollen die 300 Euro Standgeld wieder eingenommen werden. Das Los zum Stückpreis für 1 Euro, wie Joe Thein, der Nationalpräsident, erzählt. Bei den Gadgets springen Kondome in Hellblau ins Auge. «Bei ‹déi Lénk› werden wir ja als ‹déi Präservativ› bezeichnet. Aus diesem Grund sind wir nicht an Präservativen vorbeigekommen.»

Jang
5. September 2018 - 8.40

Alles lächerlich und gehirnlos.

roger wohlfart
4. September 2018 - 15.37

Gäbe es die Braderie nicht schon, müsste sie eigens für die Politiker eingeführt werden. Besonders jetzt, kurz vor den Wahlen warten die verschiedenen Parteien mit Ständen auf, damit ihre Kandidaten sich dem Volk leibhaftig vorstellen können. Da wird dann eifrig um die Gunst der Wähler geworben und " gebradelt ". Kleine Gadgets werden ausgeteilt, den Farben der jeweiligen Parteien entsprechend, nach dem Motto " wer hat noch nicht, wer will nochmal, es ist noch Suppe da"! Aber im Grunde genommen, ist diese Anbiederung doch lächerlich und unglaubwürdig. So billig wie manch angepriesene Ware . Eine unwürdige zur Schaustellung!