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Von Bolsonaro bis Brexit: Was die Welt im neuen Jahr wohl erwartet

Von Bolsonaro bis Brexit: Was die Welt im neuen Jahr wohl erwartet

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2019 wird spannend. Diese Voraussage kann bereits jetzt getroffen werden. Brexit und Europawahl werden die Europäer in Atem halten. Wie Jair Bolsonaro Brasilien regieren wird und ob Donald Trump das Jahr als US-Präsident übersteht, dürfte nicht nur den amerikanischen Kontinent, sondern den ganzen Planeten beschäftigen. Hinzu kommen eine Reihe von Konflikten und Kriegen wie in Syrien oder im Jemen, wo kaum Interesse zu bestehen scheint, sie beizulegen.

Mit Trump an der Spitze der USA dreht sich die Welt seit Anfang 2017 zwar nicht anders, der US-Präsident hat der Welt aber einen neuen Zeitgeist aufgedrückt. Protektionismus und Nationalismus statt Multilateralismus und Gemeinschaftsdenken heißt es seitdem. Mit dem, was Trump sagt, wie er es sagt und vor allem wie er am Tag drauf das Gegenteil dessen sagt, was er am Vortag behauptet hat, ist eine Unsicherheit in die globale Gemengelage eingezogen, die so lange Zeit nicht mehr spürbar war.

Wir haben drei Themen ausgesucht, die zumindest den Beginn des Jahres 2019 beeinflussen werden: Bolsonaro, der jetzt Präsident in Brasilien ist; der Brexit und alles, was dazugehört; die Europawahlen, bei denen sich die Rechten bislang ungekannte Wahlerfolge erhoffen. In knappen Ausblicken gehen wir auf der gegenüberliegenden Seite auf diese Ereignisse ein.

Doch natürlich wird die Welt sich noch mit anderem beschäftigen in diesem Jahr. In vielen Ländern wird gewählt (siehe Karte). Einige dieser Urnengänge bergen erhebliches Konfliktpotenzial.

Als Beispiele genannt seien hier bloß die Präsidentschaftswahl in der Ukraine, die Petro Poroschenko den Job kosten könnte; die Parlamentswahl in Belgien, wo Premier Charles Michel Mitte Dezember hingeschmissen hat und besonders Stimmenzugewinne bei den flämischen Rechten von der N-VA oder den rechtsextremen Separatisten des Vlaams Belang zu befürchten stehen; die Parlamentswahl in Polen, wo sich Lech Kazcynskis nationalkonservative PiS-Partei ein weiteres Mal bewähren will; die Parlaments- sowie Präsidentenwahl in Nigeria, wo Stimmabgaben solchen Umfangs immer eine Gefahr für die innere Sicherheit der stärksten Volkswirtschaft Afrikas mit sich bringen.

Viel Ärger für Trump

Auch der Krieg in Syrien ist nicht gelöst. Im Gegenteil. Mit der Ankündigung Donald Trumps, die amerikanischen Truppen abzuziehen, droht ein neues Vorpreschen der Türkei auf nordsyrischem Terrain. Ankara will die dort dominierenden kurdischen Kampfverbände vertreiben, die es als Terroristen brandmarkt.

Einziges Hindernis für eine solche Operation war bislang die US-amerikanische Militärpräsenz. In einer ersten Reaktion haben sich die Kurden an Damaskus gewendet. Und Assad hat dem Hilferuf bereits Folge geleistet. Ob die mit dem syrischen Machthaber alliierten Russen und Iraner sich aber auf einen bewaffneten Konflikt mit dem NATO-Mitglied Türkei einlassen würden, um die Kurden zu unterstützen? Das steht zumindest zu bezweifeln. Nach 2018, wo die Kurden bereits aus der Region Afrin vertrieben wurden, droht der ehemaligen Speerspitze im internationalen Kampf gegen den Islamischen Staat ein weiteres bitteres Jahr.

Wie es mit Donald Trump weitergeht, ist ungewisser denn je. Nachdem die Demokraten im November die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewinnen konnten, starten sie mit einer neuen Machtfülle ausgestattet in dieses Jahr. Sie werden die Chefposten aller Ausschüsse einnehmen und dem US-Präsidenten so sehr es geht zusetzen wollen.
Und möglich ist da einiges. Es wird um Trumps Steuererklärungen gehen, die er nicht herausrücken will. Es wird natürlich auch um Trumps Verbindungen zu Russland gehen. Es wird, kurzum, viel Ärger geben für Trump.

Bolsonaro übernimmt in Brasilien

Das größte Land Lateinamerikas hat einen rechtsradikalen Präsidenten

Samba, Fußball, Faschismus. Seit gestern hat Brasilien einen neuen Präsidenten. Seinen Namen, Jair Bolsonaro, kannte bis vor sechs Monaten außerhalb Brasiliens kein Mensch. Und in Brasilien selbst hielt jeder den früheren Oberst der Armee bestenfalls für einen Spinner, eher noch für einen Spinner, der nichts kann.

Deutlicher Wahlsieg

Es war ein Image, das sich Bolsonaro redlich erkämpft hatte in den vergangenen Jahren. Wenn er aufgefallen ist, dann durch seine offen zur Schau getragene Bewunderung für die Militärdiktatur oder indem er in Uniform und Militärjeep an Demonstrationen teilgenommen hat. In Brasilien lacht jetzt kaum jemand mehr und die Welt fragt sich bloß noch, ob Bolsonaro ein neuer rechtsradikaler Militärdiktator wird oder doch nur ein weiterer Trump.

Die Wahl zum Präsidenten hatte Bolsonaro deutlich gewonnen. Sein Erfolgsrezept: ein Gegner, der für das Versagen seiner Arbeiterpartei bestraft wurde, eine Bevölkerung, die das System und die Eliten, die Korruption und die Kriminalität satthatte, sowie eine Kampagne, die mit dem ganz tiefen Griff in die Trickkiste des dreckigen Wahlkampfes geführt wurde inklusive Wählergruppen-fokussierter Fake-News-Überschwemmung via WhatsApp (alles Kommunisten, die euch schwul machen wollen), verbaler Entgleisungen (einer Parlamentarierin gesagt, sie sei zu hässlich, um vergewaltigt zu werden) und nebulöser Drohungen (alle Linken ausweisen oder auslöschen).

Wie die siebtgrößte Volkswirtschaft nun von Bolsonaros Team geführt wird, wird spannend zu beobachten sein. Auch einer wie Bolsonaro könnte unwirksam gegen die harte brasilianische Wirklichkeit prallen. Denn die Probleme Brasiliens können sich sehen lassen. Um den Haushalt zu entlasten (ein Schritt, ohne den er kaum finanziellen Spielraum hat), wird Bolsonaro die Sozialgesetzgebung ändern müssen. Dafür muss er aber an die Verfassung ran, wofür er wiederum eine Zweidrittelmehrheit im Parlament braucht. Keine idealen Voraussetzungen für einen, der bislang nur ausgeteilt und gespalten hat.

Viele haben Angst

Außenpolitisch drohen vor allem Spannungen mit Venezuela. Bislang hat sich Brasilien kaum in die Angelegenheiten seines nördlichen Nachbarn eingemischt, wo Nicolas Maduro die linken Zügel immer enger zurrt, was Tausende seiner Landsleute über die Grenze nach Brasilien fliehen lässt. Überhaupt wird ganz Lateinamerika wachsamen Auges darauf schauen, was am Zuckerhut alles so passieren wird. Brasilien ist noch weit vor dem wirtschaftlich darbenden Argentinien bestimmende Regionalmacht des Kontinents. Wenn hier – was Kritiker befürchten – eine rechte Militärdiktatur Fuß fasst, wird das nicht ohne Auswirkungen auf die Nachbarn bleiben. Vor Bolsonaro müssen sich gleich mehrere Bevölkerungsgruppen fürchten, besonders aber Eingeborene, Umweltaktivisten, Lehrer, Linke. Hoffnungen in Bolsonaro setzen vor allem die untere Mittelschicht sowie Brasiliens Reiche und Industrielle.

To Brexit or not to Brexit und viele andere Fragen

Eigentlich fliegt das Vereinigte Königreich bald aus der EU. Eigentlich.

Der Brexit, Stand Ende 2018: Die EU und das Vereinigte Königreich haben die Verhandlungen abgeschlossen, nun gehen sie weiter. Andersherum gesagt ist beim Brexit mehr oder weniger alles, wie es war: chaotisch.
Dank eines in Luxemburg vom EU-Gericht gefällten Urteils ist neben dem Ausscheiden aus der EU mit Deal und dem Ausscheiden aus der EU ohne Deal ein drittes mögliches Szenario hinzugekommen – jenes, dass es gar nicht zum Brexit kommen muss. Die Briten dürften das alleine entscheiden, sagten die Richter im Dezember.

Wie es demnach am 29. März, dem D-Day des Brexit, aussehen wird, ist mehr denn je ungewiss. Mittlerweile wird auch ein Aufschub nicht mehr ausgeschlossen. Sodass sogar das ominöse Datum „29. März“ nicht mehr in Stein gemeißelt ist. Vielleicht ließe sich ja, so der Wunsch hinter dem Gedanken, mit dem Mehr an Zeit ein zweites Referendum bewerkstelligen. Alles Spekulation, wie so vieles, was mit dem Brexit zusammenhängt.
Keine Spekulation ist derweil, dass Theresa May, die tausendmal Totgesagte, das Parlament Mitte, Ende Januar über das von ihr mit der EU verhandelte Abkommen abstimmen lassen will.

Dazu dürfte es auch kommen. Eher unwahrscheinlich scheint, dass ein Misstrauensantrag, wie ihn Labour-Chef Jeremy Corbyn noch Mitte Dezember gegen May und ihre Regierung androhte, erfolgreich sein würde. Corbyn, dessen Partei eine sehr verschwommene, wenn nicht nebulöse Einstellung zum Brexit hat, ist bei anderen Fragen entschlossener: Ihm und seiner Partei käme nichts mehr entgegen als vorgezogene Neuwahlen. In der Tat könnten solche Labour wieder an die Macht spülen.

Und was wäre dann mit dem Brexit? Eben. Vermutlich würde es gar keinen Unterschied machen, das Chaos würde mitunter noch allmächtiger. Mit Blick auf das Jahr 2019 kann in Sachen Brexit demnach nichts als sicher gelten. Wie bereits Anfang 2018 und Anfang 2017 nichts als sicher gelten durfte. Eigentlich haben die Briten zwei Jahre verplempert, um jetzt weiter vor der Entscheidung zu stehen, je nachdem bald mit Zöllen der Welthandelsorganisation hantieren zu müssen, falls man ohne Deal aus der EU fliegt.

Ein wildes Jahr

Sollte dies der Fall sein, erwartet die Briten ein wildes Jahr. Ein solch harter Brexit würde nicht nur den Handel erlahmen lassen (Warnungen vor Engpässen bei Obst und Gemüse und sogar Medikamenten wurden schon verbreitet), er würde das Reisen erschweren (auch hierzu wurden Warnungen erlassen) und wohl mehr oder weniger das ganze Leben erschweren und teurer machen.

Nichts in den Supermarktregalen, keine Medikamente, kaum eine Möglichkeit zum Wegkommen? Das sind die Situationen, die Menschen auf die Straße treiben und Regierungen stürzen lassen. Großbritannien wäre in dem Szenario nicht mehr nur geografisch eine Insel, sondern auch sonst so isoliert wie nur wenige andere Staaten in der Welt.

Little Britain lässt grüßen – und steigt die Wut der Briten erst einmal ausreichend an, werden sie dieses Little Britain möglicherweise richtig durchschütteln. Schadenfreude allerdings ist da fehl am Platz. Sogar die Brexiters haben es immer gesagt und damit auch recht: UK verlässt vielleicht die EU, in Europa ist man weiterhin. Auch deswegen sollte Resteuropa vor allem eines hoffen: dass es die Briten, auch wenn man sie ganz ohne Deal aus der EU haut, irgendwie schaffen, doch auf beiden Beinen stehen zu bleiben. Keep calm and carry on oder so.

 

Der feuchte Traum der Rechtspopulisten

Rechte blasen vor den Europawahlen zum Sturm auf Brüssel

Stellen Sie sich vor, es sind Wahlen und keinen interessiert es. Müssen Sie sich das gar nicht vorstellen, weil Sie es von vergangenen Europawahlen nicht anders kennen? Da haben Sie vermutlich recht – aber das wird dieses Jahr anders sein.

Europas Rechte und Nationalisten haben zum Angriff auf Brüssel geblasen. Die Internationale der Nationalisten sieht ihre Stunde gekommen. Nach nationalen Wahlerfolgen inklusive Regierungsbeteiligungen in Österreich oder in Italien sowie Stimmenzugewinnen bei fast allen anderen Wahlen wird ein Erfolg von Europas rechten Parteien bei den Europawahlen Ende Mai nicht als Überraschung einzustufen sein.

Wenn Salvini, Le Pen und Strache und all die anderen trommeln, werden ihre Wähler ihnen folgen. So viel darf als gesichert gelten. Nur gut, dass die großen alten Parteien der Konservativen und Sozialdemokraten sich mit derart herausragenden Spitzenkandidaten wie Manfred Weber und Frans Timmermans bestückt haben. Wobei. Es wäre zwar schön, aber es stimmt leider nicht. Weder Orban-Versteher Weber noch Timmermans, der zwar hundert Sprachen spricht, aber in keiner weder charmant noch gewinnend herüberkommt, geben Anlass zur Hoffnung auf einen breiten bürgerlichen Cordon sanitaire gegen die Rechten, die in Europa ja nur nach oben wollen, um etwas kaputt zu machen.

Demnach: Nur gut, dass Konservative und Sozialdemokraten zurzeit sowieso keine tollen Spitzenkandidaten brauchen, da beide Parteienfamilien auf Wolke sieben von einem überzeugendem Wahlsieg zum nächsten fliegen. Na ja, auch das – Sie wissen es – stimmt nicht. Wer also als Bollwerk gegen die Illiberalen noch bleibt, sind Grüne und Liberale. Erstere werden – den nationalen Trends folgend – wohl zulegen. Letztere gelten bereits jetzt als angeschlagen, nachdem es sich ihr Hoffnungsträger Emmanuel Macron mit seinem Volk verscherzt hat. Dies vor allem aus einem Grund: seiner liberalen Politik und seiner völligen Unfähigkeit, auch nur ein Wort mit Normalsterblichen wechseln zu können, ohne sie dabei zu maßregeln.

Kein Bock auf den Block?

Worauf das Ganze hinauslaufen könnte? Als nicht auszuschließen gilt ein Blockwahlkampf, der kurzgefasst lauten könnte: Alle gegen rechts. Das klingt erst einmal gar nicht so verkehrt. Es lohnt sich aber der Blick aufs Kleingedruckte. Dabei könnten die Franzosen weiterhelfen. Sie könnten Resteuropa darauf vorbereiten, wie es sich anfühlt, als einzige Wahl die zwischen jemandem wie Macron und jemandem wie Le Pen zu haben. Und die Sozialdemokraten? Die werden wohl alles, was nicht zu sehr nach Debakel riecht, als Erfolg verkaufen müssen.

Letztendlich sollte die Panik aber im Zaum gehalten werden. Die Rechten dürften wesentlich gestärkt werden. Für eine Machtübernahme in Brüssel dürfte es aber nicht langen. Außer wir unterschreiben noch ein paar UN-Migrationspakte, über die wir so lange nicht reden, bis die Rechten genug Leuten ihre Ideen dazu als der Wahrheit letzter Schluss eingetrichtert haben und man dann mit dem Richtigstellen nicht mehr hinterherkommt.

 

 

 

 

 

Jacques Zeyen
2. Januar 2019 - 9.21

"Ein Volk das in Diktatur lebt zeigt den Grad seiner Unmündigkeit." Oder anders gesagt: " Bildung ist die Krippe der Demokratie." Wenn die oben abgebildeten(es fehlen noch viele)Figuren vom Volk gewählt wurden,dann stimmt etwas nicht.