Unbekannter sticht auf Frauen in Nürnberg ein – Unsicherheit groß

Unbekannter sticht auf Frauen in Nürnberg ein – Unsicherheit groß

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Schock in der Dunkelheit: Drei Frauen werden in Nürnberg von einem Unbekannten niedergestochen – die Taten ereignen sich innerhalb weniger Stunden und jeweils nur wenige Hundert Meter voneinander entfernt, auf offener Straße. Die Fahndung nach dem Täter läuft.

Zu sehen ist praktisch nichts mehr. Und trotzdem wissen am Freitagmorgen alle Bescheid: Ein bislang Unbekannter hat am Vorabend im Nürnberger Stadtteil St. Johannis unweit der Kaiserburg drei Frauen niedergestochen und schwer verletzt. Zwei der drei Opfer im Alter von 26, 34 und 56 sind zunächst in Lebensgefahr – erst nach Stunden geben die Ärzte Entwarnung. War es ein Terroranschlag? Hass auf Frauen? Die Taten eines Verrückten? Die Spekulationen gehen in alle Richtungen. Die Polizei hat bisher keine Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund. Der Täter ist bislang nicht gefasst.

Die drei Tatorte liegen nur wenige Hundert Meter voneinander entfernt – in einem beliebten Viertel mit vielen Altbauten. Auf den ersten Blick weist nichts mehr auf die Bluttaten hin. Nur wer genauer hinschaut, entdeckt am dritten Tatort letzte Spuren. Ein kurzes Stück des Absperrbandes der Polizei flattert im Wind. Es ist an einem Metallbogen im Vorgarten befestigt, an dem Rosen wachsen. Und vor der Haustür haben die Beamten ein gelbes Markierungshütchen vergessen. Nur wenige Menschen sind bei der Kälte auf der Straße, einige Anwohner gehen mit ihren Hunden spazieren.

«Ich will mich nicht zu Hause einschließen»

«Ich habe schon ein komisches Gefühl», sagt eine 54-Jährige, die gerade auf dem Weg zur Arbeit ist. «Wahrscheinlich war es einfach nur ein Irrer.» Weihnachten sei immer eine komische Zeit, erklärt die Frau. «Viele sind dann alleine und drehen durch.» Auch im «Caffé Fatal» um die Ecke gehen die Gedanken in diese Richtung – die Taten sind hier Thema Nummer eins unter den Gästen. «Wahrscheinlich ist da einer ausgetickt», sagt die 53 Jahre alte Kerstin. An einen Terroranschlag glaubt sie nicht. «Vielleicht hatte da einer einen Hass auf Frauen?», fragt sie. Sie gehe jedenfalls von einem Einzeltäter aus. Solange dieser nicht geschnappt ist, werde sie auf jeden Fall etwas vorsichtiger sein. «Ich habe aber gar keine Lust darauf, mich zu Hause einzuschließen.»

Am Vormittag fährt eine Polizeistreife die Straßen ab. In der Nacht waren die Beamten mit einem Großaufgebot im Einsatz. Stundenlang sei der Hubschrauber über dem Stadtteil gekreist, berichtet ein Anwohner. Auch mit Hunden wurde nach dem Flüchtigen gesucht. «Wir zeigen verstärkte Präsenz und fahnden mit Hochdruck», teilt die Polizei bei Twitter mit. Eine Sonderkommission ermittelt. «Bitte vorsichtig sein, der Täter könnte weiterhin mit einem Messer bewaffnet sein.»

Angriffe zwischen 19 und 23 Uhr

Der Angreifer hat die Fußgängerinnen zwischen 19 und 23 Uhr angegriffen – er soll sofort zugestochen und zuvor nicht mit seinen Opfern gesprochen haben. Die Tatwaffe ist zunächst unbekannt. Trotz unterschiedlicher Beschreibungen geht die Polizei von nur einem Täter aus. Es soll ein 25 bis 30 Jahre alter Mann mit normaler Statur sein, um die 1,80 groß, blond, mit heller Haut und Drei-Tage-Bart. Die Aussagen zu seiner Bekleidung gehen auseinander.

Die 26 Jahre alte Elen und ihre Freundin Dilan (25) zeigen sich sehr erschrocken. Die jungen Frauen machen in der Klinik um die Ecke eine Ausbildung zur Krankenschwester. Ihr erster Gedanke, als sie die Nachrichten hörte: «Oh Gott, was wäre, wenn ich betroffen gewesen wäre?», fragt Elen. Sie sei am Vorabend ganz in der Nähe unterwegs gewesen und habe mit dem Kopfhörer Musik gehört – das will sie nun erst mal bleiben lassen. «Ich denke, dass es ein psychisch Kranker war», sagt die 26-Jährige. «Vielleicht hatte er auch Drogen genommen.»

«Es kann überall passieren»

Ihre Freundin dachte als Erstes an einen Terroranschlag. «Das passiert ja jetzt immer in der Weihnachtszeit», sagt Dilan. «Ich habe Angst gehabt, heute früh rauszugehen.» Es könne überall und jederzeit passieren – selbst in einem an sich sicheren Stadtteil wie St. Johannis. «Kein Ort ist sicher», sagt auch eine andere Frau, die gerade in Nürnberg zu Besuch ist.

Dieser Eindruck passt zu einer neuen Bürgerbefragung der Stadt. Das Sicherheitsgefühl der Bewohner hat demnach abgenommen. Im Jahr 2011 zeigte sich noch die Hälfte der Nürnberger bei dem Thema «zufrieden oder sehr zufrieden», wie eine Sprecherin des Bürgermeisteramtes sagt. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 43 Prozent. «Die Unsicherheit hat zugenommen. Das ist aber kein Nürnberger Phänomen, sondern gilt allgemein», sagt sie. Genauere Ergebnisse der Befragung wollte die Stadt am Freitag vorstellen. Nach den Angriffen wurde der Termin aber erst einmal abgesagt.