Triathlet Bob Haller: Der Solist und die Mama-Managerin

Triathlet Bob Haller: Der Solist und die Mama-Managerin

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Vor gut zehn Jahren bestritt Bob Haller seine erste Saison auf internationalem Parkett. 2019 steht der 25-Jährige vor seinem wichtigsten Jahr. Haller will 2020 nach Tokio und muss die Olympiaqualifikation meistern.

Von Marc Biwer

An die letzte Saison mag sich Bob Haller nicht so gerne erinnern. Es war ein Seuchenjahr mit vielen Ausfällen wegen Pannen und einer bösen Verletzung im «Orkanrennen» von Ungarn, die die gesamte Saison über den Haufen warf. Dennoch kann der Triathlet dem Jahr 2018 Positives abgewinnen: «Ich habe bei den wenigen Einsätzen doch einige gute Ergebnisse erzielt. Wichtig war vor allem für mich, dass ich enorme Fortschritte erkennen konnte. Ich bin im letzten Jahr ganz nach Portugal umgezogen und ich durfte mit der portugiesischen Nationalmannschaft trainieren. Besonders im Halbfinale bei diesem verflixten Rennen in Tiszaujvaros konnte ich mich in jeder Disziplin steigern.»

Ärgerlich war die gut zweimonatige Verletzungspause insbesondere, weil sie quasi in die Periode fiel, als die Olympiaqualifikation eröffnet wurde. Die Konkurrenz durfte bereits einige Punkte auf dem Olympia-Konto verbuchen. Zum Glück für den Luxemburger besagt das Regelwerk, dass nur eine bestimmte Anzahl an Rennen in die Wertung eingeht.

Für Haller bedeutet dies «all in». Der Athlet des X3M Mersch ließ sich vom Triathlonverband für praktisch alle großen Wettbewerbe 2019 anmelden. Sollte ihm in einem Rennen wieder eine Panne widerfahren, dann packt er Plan B aus und nimmt den nächsten Wettkampf wahr: «Es ist aber nicht so, dass ich jetzt an allen Wettkämpfen teilnehmen werde. Man muss schon selektiv vorgehen.» Denn neben dem Olympia-Ranking muss Haller die Weltrangliste im Auge behalten, denn nur die berechtigt Athleten an der Teilnahme an großen Rennen wie der WM oder dem Weltcup.

Ein Leben für den Sport

Insgesamt hat Bob Haller sein Leben dem Sport verschrieben. Befindet er sich nicht auf Reisen oder im Einsatz, dann wird sein Tag durch Training bestimmt. Zwischendurch steht auch noch Lernen auf dem Programm. Ende 2018 hat er sein Abitur nachgeholt und sieht sich jetzt mit der Hilfe des ehemaligen Schwimmers Laurent Carnol nach einer passenden Universität um. Dass Triathlon eine teure Sportart ist, versteht sich von selbst. Allein die Reisen verschlingen ein enormes Budget. In dieser Hinsicht ist Haller um einige Euro abgesichert: «Ich bin glücklich, dass ich mit dem Gehalt als Sportsoldat einigermaßen über die Runden kommen kann. Ohne die finanzielle Unterstützung vom Sportministerium, dem Luxemburger Olympischen Komitee, dem Nationalen Triathlon-Verband und all meinen Sponsoren wäre es trotzdem nicht möglich, diese Unternehmungen zu stemmen.»

All die Aufwendungen reichen aber nicht aus, auch Sparen ist angesagt: «Ich habe mir vermehrt Wettbewerbe in Europa ausgesucht. Auch Hotels sind nicht mehr drin, wir haben uns auf Airbnb-Wohnungen umgestellt.» Mit «wir» meint Haller seine Mutter, die ihn überall hin begleitet und ohne die es schwer wäre, zurechtzukommen. «Meine Mutter ist zugleich meine Managerin, sie kümmert sich auf organisatorischer Ebene um alles. Schon Monate vor dem Termin plant sie die Reise, bucht Flüge und Wohnungen und räumt mir alle Hindernisse aus dem Weg.»

International ist das Duo längst bekannt, Bob Haller und seine «Mama-Managerin». Viviane Sloniewicz kümmert sich um alles. Auch andere Athleten bitten bereits um ihre Hilfe. Kommt mal ein Koffer bei einem Flug abhanden, «Mama-Managerin» wird es schon richten. Sie ist aber nicht nur Managerin, auch Köchin, Hausfrau, Seelentrösterin und Schatzmeisterin. Denn Sparen will gelernt sein und jeder Euro wird zweimal umgedreht. So ist beispielsweise ein Flug von Lissabon über Luxemburg nach Südamerika billiger als ein Direktflug. Mit dem Vorteil, einmal zuhause nach dem Rechten zu sehen. Auch die Airbnb-Wahl hat ihre Vorteile: «Ich kann entspannt ’nach Hause› kommen und muss mich keinem Zwang unterwerfen. Ich kann essen, wann und was ich will. In welchem Hotel bekommt man schon morgens um 10.00 Uhr Spaghetti gekocht? Vor einem Rennen ist richtige Ernährung aber enorm wichtig», so Bob Haller.

Training in Portugal

Einsam ist der Sportler dennoch nicht. In Portugal pflegt er einen sehr guten Kontakt mit seinen Kameraden, die fast schon zu Freunden wurden. Auch auf Reisen kann sich Haller auf Begleitung verlassen: «Wenn man zehn Jahre im Triathloncircuit dabei ist, kennt man alle Athleten. Ich tausche mich mit ihnen aus und wir verabreden uns für das Fahrrad- oder Lauftraining.» Am liebsten ist ihm aber, wenn seine Trainingskollegen beim gleichen Wettkampf starten, dann befindet er sich in vertrauter Gesellschaft.

Denn insgesamt ist Bob Haller ein Solist. Während fast alle anderen Athleten als Mannschaft antreten, vertritt er zumeist allein die Luxemburger Farben. Problematisch wird es, wenn Ungereimtheiten auftreten. «Wenn es irgendwo zwickt, dann muss ich mich nach dem Physiotherapeuten umschauen, den der Organisator anbietet, und mich zu seiner Adresse begeben.» Aber auch Physiotherapeuten anderer Nationen nahmen sich des Luxemburgers schon mal an.

Der Zusammenhalt ist groß in der Triathlonwelt. Haller, der ohne ärztliche Betreuung bei Wettkämpfen antreten muss (wie auch alle anderen luxemburgischen Triathleten), kann immer auf die Hilfe eines Doktors aus einem anderen Land zählen. Von Nachteil ist die Solistenrolle nur im Rennen, weil dann der Konkurrenzkampf beginnt. Denn eines kann «Mama-Managerin» nicht: einen Trainer ersetzen. Während des Wettkampfs kann sie nur bedingt Hilfe leisten und nur ungenau Abstände und Zeiten auf der Strecke zurufen.

Rang 13 in Südafrika

Der Triathlon-Verband schickt den Nationaltrainer nur zu Rennen, wenn mindestens zwei Luxemburger am Start sind. «Ich will mal hoffen, dass das so der Fall sein wird», ist Haller in dieser Hinsicht etwas skeptisch. So oder so freut er sich auf diese Wettkämpfe mit mehreren FLTri-Athleten: «Es wird eine ganz andere Konstellation sein. Wir können uns taktisch besprechen und gegenseitig unterstützen. Das Verständnis unter uns vier Triathleten ist perfekt.»

Dies trotz der Rivalität um einen Startplatz bei den Olympischen Spielen. Denn dieser Weg ist weit, mindestens eine Top-35-Platzierung im Olympiaranking muss es sein, rechnet Haller aus. Und davon ist das FLTri-Quartett noch viele Punkte entfernt. Haller ist aber davon überzeugt, dass mindestens ein Luxemburger den Sprung nach Tokio schaffen wird. Mindestens, denn wenn alle vier Kandidaten eine Topsaison abliefern, wäre sogar ein zweiter Startplatz möglich. Für Haller stellt dies keine Utopie dar.

Beim ersten Rennen 2019 in Kapstadt war das Quartett jedenfalls bereits komplett gemeldet: «Eine Premiere, noch nie war Luxemburg bei einem Weltcup mit vier Athleten vertreten.» In Südafrika kam Bob Haller als bester Luxemburger auf Rang 13 ins Ziel, knapp vor Stefan Zachäus, der 14. wurde. Beide konnten somit bereits wertvolle Punkte für die Olympiaqualifikation sammeln.