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30 Jahre an der Spitze von Steinsel und Lorentzweiler: Die ewigen Bürgermeister Klein und Roller

30 Jahre an der Spitze von Steinsel und Lorentzweiler: Die ewigen Bürgermeister Klein und Roller

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Sie sind das, was man gemeinhin als «politisches Urgestein» bezeichnet. Jean-Pierre Klein (74) und Jos Roller (70) stehen ihrer jeweiligen Gemeinde seit über drei Jahrzehnten als Bürgermeister vor und verfügen über eine geballte Ladung an kommunalpolitischer Erfahrung. Ein Doppelporträt.

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar von François Besch.

«Ich hatte nie das Glück, einem Gemeinde- oder Schöffenrat anzugehören, ich wurde gleich zum Bürgermeister gewählt, zu der Zeit, als ich bei euch Gemeindesekretär war», betont Jean-Pierre «Jempi» Klein mit einem verschmitzten Lächeln an die Adresse seines Lorentzweiler Amtskollegen Jos Roller. Neun Jahre lang hat er das Sekretärsamt in der Nachbargemeinde ausgeübt, davor war er dies schon 21 Jahre lang in Steinsel gewesen.

Die Nähe zum Bürger, die Möglichkeit, ihm in administrativen und anderen Fragen zu helfen, habe wohl wesentlich mit dazu beigetragen, dass er sich 1987 dazu entschied, bei den Gemeindewahlen – damals wurde in Steinsel noch nach dem Majorzsystem gewählt – zu kandidieren. Das Resultat war gut, so gut, dass er, ohne bisher Erfahrungen auf politischer Ebene gesammelt zu haben, gleich auf den Bürgermeisterposten gehievt wurde. «Zusammen mit einer ganzen Reihe anderer Bürgermeister, darunter auch meinem Freund Jos, wurde ich am 22. Dezember 1987 vom damaligen Innenminister Jean Spautz vereidigt», so Klein. Er löste damit Robert Daleiden von der CSV ab.


Zur Person

Jos Roller wurde 16. März 1948 in Luxemburg geboren und wuchs in Helmdingen auf, wo er auch die Grundschule besuchte. Die Sekundarschule absolvierte er von 1961 bis 1968 im hauptstädtischen Athenäum. Anschließend studierte Jos Roller am „Institut pédagogique“ und wurde Grundschullehrer. Bis zu seiner Pensionierung unterrichtete er an den hauptstädtischen Grundschulen. Auch seine 2014 verstorbene Ehefrau übte den Lehrerberuf aus. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor, von denen einer als Fluglotse und der andere als Arzt arbeitet. Das große Hobby von Jos Roller ist seit vielen Jahren die Fotografie, früher analog mit eigener Dunkelkammer, heute nur noch digital.

Auch in Sportlerkreisen ist der Lorentzweiler Bürgermeister kein Unbekannter. Die Leichtathletik war sein Gebiet, vor allem der Hürdenlauf. Auf 400 Metern wurde er 1967 mit 19 Jahren Landesmeister in dieser Disziplin. Heute hält er sich mit Joggen – zweimal die Woche – fit. Zur Politik stieß Jos Roller aufgrund seines Engagements im Lehrerverband FGIL. 1975 trat er als LSAP-Politiker auf der Liste „Är Leit“ zum ersten Mal bei Kommunalwahlen an.


Absolute Mehrheit dreimal in Folge

Damals war es noch so, dass die neuen Schöffenräte erst am 1. Januar des Folgejahres die politischen Geschäfte übernahmen, heute können sie, nach einer Gesetzesänderung, gleich loslegen, sobald die Koalition steht. Infolge der demografischen Entwicklung der Gemeinde wurde ab 1993 nach dem Proporzsystem gewählt. Zusammen mit seiner «Är Equipe fir eis Gemeng» fuhr er damals, genauso wie 1999, eine absolute Mehrheit ein. Erst 2011 sollte es nicht mehr reichen und die LSAP ging eine Koalition mit der CSV ein. Diese wurde auch nach den letzten Gemeinderatswahlen 2017 wieder fortgesetzt.

Wenn Jean-Pierre Klein heute über die drei Jahrzehnte, die als Gemeindevater hinter ihm liegen, spricht und die wichtigsten umgesetzten Projekte hervorheben soll, dann fällt ihm als Erstes der Schulbereich ein: «Das Thema Schule lag mir sehr am Herzen, die Kinder sollten in den Mittelpunkt gestellt werden. So sorgten wir dafür, die Schule zu zentralisieren. Die Grundschule in Steinsel, die Vorschule in Heisdorf. Das sollte sich gegenüber der vorherigen Situation als eine wesentlich wirkungsvollere Lösung herausstellen. Die Gemeinde Steinsel war auch ein Vorreiter, was die sogenannten ‹Maisons relais› angeht!»

Die zweite wichtige Leistung, die dem langjährigen Gemeindevater gleich in den Kopf kommt, als er zurückdenkt, ist die Lösung des Trinkwasserproblems, unter dem Steinsel nicht selten zu leiden hatte, da das Netz fast ausschließlich aus eigenen Quellen gespeist wurde. «Schien im Sommer über einen längeren Zeitraum die Sonne, musste man Angst darum haben, dass bald nicht mehr genug Wasser zur Verfügung stünde.» In den 1990er-Jahren habe man dann den Anschluss an das Sebes geschafft, womit dieses Problem endlich der Vergangenheit angehört habe. Zur selben Zeit habe man sich ebenfalls der Problematik eines Zentralfriedhofs gewidmet. «Wir haben dabei auch darauf geachtet, den Bedürfnissen der verschiedenen Religionsgemeinschaften Rechnung zu tragen», so der Bürgermeister.

Viel Wert habe man in all den Jahren auch auf die Verkehrsproblematik gelegt, dies unter anderem mit Sensibilisierungsmaßnahmen und Projekten, um die sanfte Mobilität zu stärken. «So entstanden Fahrrad- und Fußgängerwege, um dem ständigen Zuwachs an Automobilverkehr entgegenzuwirken.»


Zur Person

Jean-Pierre Klein wurde am 24. Januar 1944 in Heisdorf geboren und besuchte nach der Grundschule in seiner Heimatgemeinde das hauptstädtischen „Lycée de garçons“, wo er 1963 sein Abschlussdiplom erhielt. Nach neun Monaten obligatorischem Militärdienst und ersten Schritten im Berufsleben trat er am 1. April 1965 die Arbeit als Gemeindesekretär in Steinsel an. 21 Jahre lang blieb er auf diesem Posten, studierte zwischendurch – übrigens gemeinsam mit seinem Parteikollegen Jean Asselborn – Rechtswissenschaften mit einem Abschluss als Rechtsanwalt.

Von 1986 bis 1994 war er Gemeindesekretär der Nachbargemeinde Lorentzweiler. Obwohl er bereits seit Ende 1967 der LSAP angehört, trat er erstmals 1987 bei den Gemeindewahlen an, fuhr ein hervorragendes Ergebnis ein und steht Steinsel seit dem 1. Januar 1988 ununterbrochen als Bürgermeister vor. Klein gehörte ebenfalls während 19 Jahren der LSAP-Fraktion in der Abgeordnetenkammer an und war zehn Jahre Präsident des interkommunalen Syndikats Syvicol. In seiner Freizeit liebt es Jean-Pierre Klein, Fahrrad zu fahren und Geschichtliches zu lesen. Der Politiker ist verheiratet, Vater einer Tochter und eines Sohnes und Großvater zweier Enkel.


Schwerpunkt sozialer Wohnungsbau

Nahezu im selben Atemzug spricht Klein die Thematik des sozialen Wohnungsbaus an und hebt hier vor allem das Jahr 2007 hervor, als nicht weniger als 28 Einfamilienhäuser und 24 Appartementwohnungen gebaut werden konnten. «Wir sind auch weiterhin auf diesem Gebiet aktiv, sowohl was den Bereich der Miet- als auch den der Eigentumswohnungen angeht.» In den mehr als drei Jahrzehnten, seit er als Bürgermeister tätig ist, hat sich die Einwohnerzahl fast verdoppelt. Sie liegt derzeit bei rund 5.400. «Viele dieser Menschen wohnen in Gebäuden, bei denen die Grünfläche zu gering ist, als dass man einen eigenen Garten hier anlegen könnte – aus diesem Grund haben wir auch eine ‹Cité jardinière› am Ufer der Alzette angelegt.» Diese erfreue sich übrigens eines großen Erfolgs.

Wert lege man in Steinsel ebenfalls auf das gute Zusammenleben zwischen Älteren und Jüngeren, aber auch zwischen Luxemburgern und Ausländern. Rund 70 verschiedene Nationalitäten sind in der Gemeinde angesiedelt, der Ausländeranteil macht etwa 40% aus. Was die aktuellen Projekte angeht, so hebt der Bürgermeister hauptsächlich die Neuerstellung des generellen Bebauungsplans hervor. «Wir wollen hier den ländlichen Charakter der Gemeinde beibehalten und den Bauperimeter nicht erweitern, sondern die Bebauungsdichte moderat erhöhen und genügend Bauland reservieren, um der demografischen Entwicklung Rechnung zu tragen.»

Der Bahnübergang in Heisdorf, so Jean-Pierre Klein, stelle immer noch eine große und durch den stets zunehmenden Bahnverkehr wachsende Gefahrenquelle für sämtliche Verkehrsteilnehmer dar. Dieser soll noch in der laufenden Legislaturperiode durch eine Unterführung in unmittelbarer Nähe ersetzt werden. Für Radfahrer und Fußgänger soll ebenfalls eine Unterführung, dies am jetzigen Übergang, eingerichtet werden. Es bleibt also nach wie vor eine Menge zu tun. Wenn der Bürgermeister auf seine lange Zeit an der Spitze der Gemeinde zurückblickt, dann gibt es jedoch zwei Momente, die ihm auch heute noch schwer zu Gemüt gehen.

Jos Roller trat 1975 erstmals an

«Es gab zwei tödliche Unfälle, die in meiner Mandatsperiode geschahen: Einerseits der schreckliche Unfall im Jahr 2006, als ein Kind in der Schule von einem umstürzenden Schrank erschlagen wurde, und andererseits der schwere Busunfall bei Reims, bei dem 2007 vier junge Menschen aus der Gemeinde starben.»

Von derlei Katastrophen blieb der jüngere im Duo, Jos Roller aus Lorentzweiler, glücklicherweise im Laufe seiner politischen Laufbahn verschont. Er ist übrigens schon länger kommunalpolitisch aktiv als sein Amtskollege aus Steinsel. «1974 sprach mich der damalige Innenminister Jos Wohlfart auf meine gewerkschaftliche Aktivität bei der FGIL an und so kam es, dass ich auch in der LSAP aktiv wurde.» 1975 stellte er sich den Kommunalwahlen und wurde in den Rat der damals (bis 2011) noch im Majorzsystem befindlichen Gemeinde gewählt. 1980 wurde er Schöffe und nach den Wahlen von 1987 Bürgermeister.

Wie sein Kollege aus Steinsel wurde auch Jos Roller bei den folgenden Wahlen immer wieder mit großer Mehrheit wiedegewählt. Und genau so wie in Steinsel war man auch in Lorentzweiler lange Zeit Selbstversorger, was das Trinkwasser angeht. So lag eines der Hauptaugenmerke Rollers denn auch in diesem Bereich. «Heute sind wir über das ‹Syndicat des eaux du Centre› an das Sebes angeschlossen und speisen mit 550 Kubikmetern täglich unsere drei Wasserbassins.» Und auch die Schulen lagen dem langjährigen Lehrer am Herzen. «Lorentzweiler besaß übrigens die erste Zentralschule weit und breit», erzählt der Bürgermeister, «sie wurde 1973 eingeweiht und in den Folgejahren konnten wir um sie herum viel Bauland erwerben, so dass wir alle möglichen Einrichtungen wie die Sporthalle, die Kindertagesstätte, die ‹Maison relais›, den ‹Précoce› hier errichten konnten.»

Zentralschule mit idealer Lage

In den kommenden Jahren sollen die Tagesstätte und die «Maison relais» ausgebaut und weiterer Schulraum hier geschaffen werden. Ein weiteres Projekt, das in seiner Mandatszeit realisiert wurde, nachdem das neue Rathaus in Betrieb gehen konnte, war es, das einstige Rathaus umzubauen. Gemeinsam mit den Familienministerium und dem Roten Kreuz entstand hier u.a. ein «Foyer du jour» für Personen aus dem gesamten Alzettetal. Das Vereinsleben spiele in der Gemeinde auch eine bedeutende Rolle. «Sie halten die Gemeinde lebendig», so der Bürgermeister. Man sei neben weiteren diesbezüglichen Aktivitäten dabei, einen neuen großen Musiksaal zu planen.

Auffallend ist bei unserem Gespräch, dass die beiden Gemeindeväter im Laufe ihrer Karriere oft mit den gleichen Problemen zu kämpfen hatten und haben. Auch in Lorentzweiler etwa bereitet der Bahnübergang Sorgen: «37 Minuten pro Stunde ist die Schranke geschlossen!» Und auffallend ist, dass beide Gemeinden auf vielen Gebieten partnerschaftlich zusammenarbeiten.

Da kann die freundschaftliche Beziehung, wie sie seit mehr als drei Jahrzehnten zwischen Klein und Roller existiert, nur hilfreich sein.

roger wohlfart
8. November 2018 - 13.05

Nicht die Quantität sondern die Qualität zählt und jede Aera hat einmal ein Ende .