„Screaming Fields“: Die Nebenschauplätze einer Pressekonferenz

„Screaming Fields“: Die Nebenschauplätze einer Pressekonferenz

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Frei nach dem deutschen Dichter Matthias Claudius denken sich wohl viele Journalisten und Journalistinnen in Luxemburg: „Wenn einer eine Pressekonferenz tut, dann kann er (vielleicht) was erzählen.“ So auch vor der Vorstellung der zehnten „Screaming Fields“-Auflage. Die Pressekonferenz gestern in der Rockhal zum Festival für Nachwuchsmusiker dauerte eine Stunde. Das Grundsätzliche war innerhalb von zehn Minuten geklärt.

Um was es eigentlich geht, erfuhr man erst nach mehr als einer halben Stunde. Der Verantwortliche des „Rocklab“, Sam Reinhard, dessen Team in der Rockhal am engsten mit der Betreuung und Begleitung aufstrebender junger Musikschaffender befasst ist, war der fünfte Redner. Er hielt seinen kurzen Vortrag übersichtlich, verständlich und kompakt.
Die Essenz dessen, was er gesagt hat, lässt sich in dem kleinen Kasten unten wiederfinden, den Sie ausdrucken und als Merkzettel verwenden können. (Wenn Sie ausschließlich am Festival interessiert sind, können Sie genau jetzt aufhören, diesen Artikel zu lesen. Denn es geht nun auf Nebenschauplätzen weiter.)

Auch Kulturministerin Sam Tanson und Gleichstellungsministerin Taina Bofferding waren geladen. Nachdem der Präsident des Rockhal-Aufsichtsrats, Luc Henzig, Tanson – im Gegensatz zu späteren Rednern – die Ehre erwiesen hatte, sie als „Madame Ministesch“ anzukündigen, lobte die „déi gréng“-Politikerin innerhalb von knapp drei Minuten die Dynamik der luxemburgischen Musikwelt sowie die Arbeit des Exportbüros music:LX und des Rocklab, die sich beide der professionellen Unterstützung junger Künstler und Künstlerinnen verschrieben hätten. Da man dieses „Ausstatten für die Zukunft“ begrüße, fördere man die Veranstaltung nun noch mehr als in den vergangenen Jahren – durch das Sponsoring eines Betreuungs-Packages, das die Teilnehmenden gewinnen können. Des Weiteren unterstrich die Kulturministerin, dass die Musik ein wichtiges Element innerhalb der Kulturpolitik darstelle, und machte keinen Hehl daraus, dass dafür ein essenzieller Teil des Kulturetats veranschlagt werde.

Rockhal will dem Ministerium nicht «zu sehr auf der Tasche liegen»

Bevor Henzig in der Folge die nächste Sprecherin ankündigte, verkniff er es sich nicht, auf der Rockhal eigene Finanzierungsmodelle zu verweisen. Er schloss seinen Kommentar mit dem Satz ab, man gebe sich Mühe, dem Kulturministerium nicht zu sehr auf der Tasche zu liegen.

Das Tageblatt hakte nach der Pressekonferenz nach und wollte wissen, wieso er sich für diesen Einwurf entschieden hatte. Der finanzielle Beitrag des Ministeriums decke nicht das gesamte Budget des Hauses ab, hieß es dann. „Es ist kein Geheimnis, dass die Summe, die wir vom Staat erhalten, bei ungefähr 2,6 Millionen Euro liegt. In der Rockhal arbeiten aktuell 38 Personen. Das reicht lediglich aus, um die Löhne zu bezahlen“, so Luc Henzig. „Wenn der Staat alles tragen würde, was anfällt, dann müsste der Beitrag bei 3 Millionen liegen.“ Das erwarte man aber nicht und trage mit Eigenaktivitäten – darunter der Organisation von Konzerten sowie der Vermietung der Räumlichkeiten – dazu bei, dass das nötige Geld zusammenkomme.

Keine Kultur

Auf die Rückfrage hin, ob man sich denn aufgrund der zu generierenden Summen verpflichtet sähe, sogenannte „Kassenschlager“ zu buchen, verwies Henzig auf die Struktur des Hauses. Der große Saal habe eine Kapazität, die die 6.000er-Grenze überschreite. Neben der Coque sei die Rockhal die einzige Location, die so viel Platz zur Verfügung stellen könne. Dementsprechend vermiete man den Raum für größere Events an andere Veranstalter aus dem In- und Ausland. Unter anderem das „Atelier“ greife bei größeren Acts auf diese Möglichkeit zurück.

Laut Henzig stellt auch dieses Zurverfügungstellen einen Teil der „mission publique“ dar. Gerade zu Beginn des Jahres seien wenige Bands auf Tour – eigentlich der perfekte Zeitpunkt für Vermietungen im Kontext von beispielsweise Musicals und Ballettaufführungen.

„In einem großen Saal mit einer derartigen Kapazität macht man keine Kultur.“ Er eigne sich besser für Unterhaltung und Events, zu denen große Massen hinströmen. In den kleineren Räumen könne man in Eigenregie zielgerichteter buchen und sich beispielsweise auf weniger bekannte Newcomer konzentrieren, wohlwissend, dass man damit nicht unbedingt einen kommerziellen Erfolg landet. „In ebendiesen Räumen können wir dem kulturinteressierten Publikum etwas bieten, was es vielleicht anderswo nicht erleben könnte.“ In kleineren Räumen könne man seiner „mission publique“ besser nachkommen, meint Henzig. „Verschiedene Botschaften lassen sich dort anders vermitteln. Ein Event im großen Saal bleibt eine kommerzielle Veranstaltung.“ Es brauche diese aber auch, um die kleinen mitfinanziere zu können. Zum Konzept der Rockhal gehöre es nun mal, das breite Publikum ebenso zu bespielen wie die Zuschauer, die sich mehr für Nischen begeistern.

Madame Minister

Auf Sam Tanson und das kleine Intermezzo mit dem Präsidenten des Aufsichtsrats folgte ein Wortbeitrag von Taina Bofferding. Stolz verkündete sie, man habe gemeinsam mit dem Veranstalterteam das Motto für den Songcontest festgelegt. Bezug nehmend auf das 100-jährige Jubiläum des Frauenwahlrechts wolle man junge Kunstschaffende dazu motivieren, sich kreativ mit Themen wie Demokratie, Gleichberechtigung und Ungleichheit auseinanderzusetzen. Das vorgegebene Thema lautet: „It’s called democracy, stupid!“ Bofferding unterstrich, dass die Gleichstellung zwar de jure in Luxemburg existiere, de facto jedoch noch eine Menge zu machen sei.

Bisher ungeklärt ist, ob Bofferding sich mit Rockhal-Direktor Oliver Todd abgesprochen hatte, da dieser (eventuell um ihre Behauptung zu bekräftigen) Frau Tanson im Laufe der Pressekonferenz als „Madame Minister“ bezeichnet hatte. Ein weiterer Punkt, der auf eine raffinierte Absprache schließen ließe, ist der Umstand, dass er am Ende der Veranstaltung das, was Taina Bofferding zu Beginn erklärt hatte, quasi nochmals, nur noch länger und ausladender, darstellte.

Falls es Absicht war, nennt man dieses Verhalten „mansplaining“. Falls es abgesprochen war, fällt es wohl unter die Bezeichnung „gelungene interinstitutionelle Zusammenarbeit“.

Das Wichtigste zum Ausdrucken

Beim Screaming Fields Festival geht es um das Entdecken, Unterstützen und Fördern von jungen musikalischen Talenten. Demnach stehen nicht nur Auftritte im Fokus, sondern auch die zahlreichen Schritte, die diesen vorausgehen.

Wer sich bewirbt und in der Folge qualifiziert, erhält die Möglichkeit, professionell in allen Bereichen begleitet zu werden, die für Musikschaffende von Bedeutung sind, wie technisches Know-how, Medienkompetenz und Gesangscoaching.
Außerdem findet ein Songcontest statt. Das Motto lautet: „It’s called democracy, stupid!“
Die Gewinner erhalten eine weiterführende Begleitung in unterschiedlichen Bereichen. In Aussicht gestellt werden unter anderem finanzielle Mittel, die direkt an die Weiterentwicklung der Band gekoppelt sind. Zu den Gewinnen zählen auch Probe- und Live-Sessions sowie eine Mini-Tour und weitere Auftritte.

Statt die Beratung nur über „Alteingesessene“ erfolgen zu lassen, wird eine Art „peer-to-peer exchange“ unter Nachwuchskünstlern ermöglicht. Musiker wie Maz, C’est Karma und District 7 haben bereits am Festival teilgenommen und können über ihre Erfahrungen sprechen und Input geben.
Wichtige Eckdaten:
– für Solokünstler und Bands
– Alter: zwischen 12 und 25 Jahren
– Genres: eine große Bandbreite, die von Pop und Rock über Hip-Hop und Metal bis hin zu elektronischer Musik reicht
– Bewerbungsfrist: vom 29. März bis zum 23. April
– Voting (durch Publikum und Profi-Jury): vom 26. April bis zum 17. Mai
– Bekanntgabe des definitiven Line-ups: 20. Mai
– das Festival findet am 13. Juli statt

Weitere Informationen und Anmeldung auf:
www.screamingfields.lu