Romain Poulles: Atmosphäre wird als „größter Mülleimer der Welt“ missbraucht

Romain Poulles: Atmosphäre wird als „größter Mülleimer der Welt“ missbraucht

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„Nein zur Müllverbrennung!“, fordert Romain Poulles, Präsident des EcoInnovation-Clusters. Die Abfallverbrennungsanlagen seien im Grunde riesige Krematorien für Rohstoffe.

Zur Person

Der 49-jährige Luxemburger gründete sein erstes Unternehmen im Jahr 1996. Heute ist Romain Poulles CEO der PRO-group. Daneben ist er Präsident des LCCE (Luxembourg Center for Circular Economy), Vorsitzender des EcoInnovation Cluster Luxembourg und Mitglied des Conseil supérieur du développement durable (CSDD).

100 Millionen Tonnen Müll werden in Europa jedes Jahr verbrannt. Das ist so viel wie das 1.000-fache Gewicht der USS Gerald R. Ford, des größten Flugzeugträgers der Welt. Die zigtausenden Müllwagenladungen dienen den Verbrennungsanlagen Europas als Brennstoff. Diese lösen das Müllproblem und produzieren gleichzeitig Strom, so die offizielle Meinung.
Doch Romain Poulles, der Präsident des EcoInnovation-Clusters, sieht dies anders: „Kritische Ressourcen gehen durch die Müllverbrennung für die kommenden Generationen endgültig verloren.“ Haushaltsmüll ist in seinen Augen nicht bloß Dreck. „Man findet dort Biomasse, Papier, Plastik, Glas und Metalle.“

Thermische Abfallverwertung

Diese, teilweise seltenen Rohstoffe werden der sogenannten thermischen Abfallverwertung zugeführt. „Fünf bis sieben Tonnen Abfall ersetzen eine Tonne Heizöl“, weiß Poulles. „Wenn die Hälfte aller Abfälle thermisch verwertet würde, könnte ein Prozent des Energiebedarfs der Bevölkerung gedeckt werden.“ Müll ist nicht nur eine schlechte Energiequelle, als solche ist er zudem für deutlich mehr CO2 pro produzierte kWh verantwortlich als vergleichbare Kohle- oder Gaskraftwerke.

Dennoch werde in Europa die Müllverbrennung gerne als nachhaltige Energieform dargestellt. Der Müllstrom versiegt wohl nie komplett, der Rohstoff wächst nach. Müllverbrennung liegt im Trend. Romain Poulles sieht einen Grund darin, dass viel in solche Anlagen investiert wird. „Es dauert 30 Jahre, bis sich diese Investitionen ausgezahlt haben“, so Poulles. „So lange brauchen die Anlagen enorme Mengen Müll, um rentabel laufen zu können.“

In Deutschland und Schweden muss sogar schon Müll importiert werden, um zu verhindern, dass den Kraftwerken der Brennstoff ausgeht. Diese Situation führe dazu, dass Müllvermeidung in vielen Staaten keine politische Priorität sei. Historisch war die Müllverbrennung die bessere Lösung des Müllproblems, sie verhinderte, dass die Deponien in den Himmel wuchsen. Doch wirtschaftlich sei die Verbrennung heute nicht mehr die beste Lösung – zu viele Rohstoffe gehen verloren. „Die Verbrennung schafft, im Vergleich mit Recycling und Wiederaufarbeitung, nur sehr wenig Arbeitsplätze“, meint Romain Poulles. „Das Job-Potenzial der Zirkularwirtschaft ist 10 bis 20 Mal höher.“

Die thermische Müllverwertung nutze die Atmosphäre als „größten Mülleimer der Welt“. Bei der Verbrennung entstehen giftige Abgase, die selbst die besten Filter nicht alle aus den Abgasen herausfiltern können. „Die Giftstoffe finden sich anschließend in der Luft, aber auch in der Erde und im Wasser wieder“, so Poulles. „Und schließlich auch in der Nahrungsmittelkette des Menschen.“

Lesen Sie dazu den Kommentar von Jean-Philippe Schmit.

Goldener Müll – Wieso die Abfallwirtschaft überdacht werden sollte