Radprofi Bob Jungels: Fluch und Segen eines Alleskönners

Radprofi Bob Jungels: Fluch und Segen eines Alleskönners

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Bob Jungels hat über die letzten Jahre auf jedem Terrain Rennen gewonnen. Eine Fähigkeit, die ihn von anderen Profis unterscheidet, aber zugleich einen enormen Leistungsdruck bedeutet.

Radprofis sind eigentlich leicht in Schubladen zu stecken. Es gibt Sprinter, Zeitfahrer, Klassiker-Spezialisten, Bergfahrer und Rundfahrtspezialisten. Einige Fahrer passen sogar in zwei Kategorien, und dann gibt es Bob Jungels, der in alle Schubladen passt – oder positiver: in keine.

Er ist momentan der wohl vielseitigste Radprofi im Peloton. Bei den großen Landesrundfahrten wie der Tour de France fährt er um eine Top-Ten-Platzierung im Gesamtklassement mit, er gewinnt mit Liège-Bastogne-Liège den schwersten Ardennen-Klassiker und düpiert ein ganzes Peloton bei seiner Rückkehr auf die flämischen Pavés. Als ob es eines Beweises für seine Vielseitigkeit bedurfte, so hat Jungels ihn mit seinem Sieg bei Kuurne-Brüssel-Kuurne definitiv erbracht.

Seine Rückkehr auf die „Kasseien“, wie die Kopfsteinpflaster auf Flämisch heißen, haben sich viele Fans und Radsportexperten gewünscht. Bereits als Nachwuchsfahrer wurde Jungels als der nächste Cancellara angesehen. Als Nachfolger des großen Schweizer Zeitfahr-Meisters und Spezialisten für die Flandern-Klassiker, dem Jungels in seinem ersten Profijahr zum Sieg bei Paris-Roubaix verhalf. Der junge Luxemburger führte das Peloton über viele Kilometer an und bereitete somit den dritten Sieg seines Kapitäns Cancellara in der Hölle des Nordens vor. Da Jungels bereits als Espoir Paris-Roubaix gewinnen konnte, schien sein Weg vorgezeichnet.

Beste Zeit noch vor sich

Doch trotz des vielversprechenden Debüts hatte sich Jungels dazu entschieden, 2014 neue Wege zu gehen und sich bei den Ardennen-Klassikern zu versuchen. Im gleichen Jahr entdeckte er bei der Vuelta a España die dreiwöchigen Landesrundfahrten für sich. „Ich finde es gut, dass er sich ausprobiert“, sagt der ehemalige luxemburgische Nationaltrainer Bernhard Baldinger, der Jungels über seine gesamte Jugend hinweg betreute. Und für den mittlerweile pensionierten Radtrainer gehört der 26-Jährige auch heute noch zu den jungen Fahrern. „Bob fuhr bereits ganz früh auf einem hohen Niveau. Deswegen vergisst man gerne, dass er erst 26 ist. Man braucht sich nur anzuschauen, in welchem Alter die meisten Profis ihre großen Erfolge feiern.“ Chris Froome war bei seinem ersten Tour-Sieg 28, Geraint Thomas, der Sieger des vergangenen Jahres, sogar 32. „Bob hat noch sehr viel Zeit, seinen Weg zu finden.“

Für Baldinger ist es kein Problem, dass Jungels sich auf allen Terrains versucht. „Ich habe eher das Gefühl, dass der Öffentlichkeit und den Medien die Geduld fehlt.“ Was womöglich daran liegt, dass der Luxemburger in den Reihen von Deceuninck – Quick Step auf sämtlichen Terrains gleich erfolgreich ist.

Nach seinem Debüt bei den großen Landesrundfahrten 2014 schaffte er es 2016 gleich auf Platz 6 des Giro d’Italia. Das hatten ihm im Vorfeld nur die allerwenigsten zugetraut. 2018 verblüffte er die Radsportexperten erneut, als er wie aus dem Nichts mit Liège-Bastogne-Liège sein erstes Monument gewinnen konnte. So viele Erfolge auf unterschiedlichem Terrain, und das in so kurzer Zeit, schaffen nur die allerwenigsten. Aus diesem Grund ist es auch so schwierig, Jungels mit irgendeinem anderen Fahrer zu vergleichen. Oft wird Tom Dumoulin genannt, der ebenfalls als reiner Zeitfahrspezialist anfing und mittlerweile bereits einen Gesamtsieg beim Giro d’Italia in der Tasche hat. Allerdings ist Dumoulin vom Körperbau ein anderer Typ als Jungels und der Niederländer hat sich in den vergangenen Jahren ausschließlich auf die großen Rundfahrten und das Zeitfahren konzentriert. Bei Klassikern spielte er nie wirklich eine wichtige Rolle.

Vielseitigkeit hat auch Nachteile

Stellt sich die Frage, ob Jungels heute nicht noch erfolgreicher wäre, wenn er sich auch auf ein Terrain spezialisiert hätte? Für Baldinger ist das reine Spekulation. „Dass er die verschiedensten Rennen fährt, ist auch ein großer Vorteil. Es macht ihn zu einem besseren Fahrer.“

Trotz seiner guten Ergebnisse beim Giro und der Tour wurden immer wieder Stimmen laut, die Jungels lieber bei den flämischen Rennen gesehen hätten. Davon ließ sich der 26-Jährige nie beirren. Er zieht sein Ding durch. Dass sich nach der Bekanntgabe seines Rennprogramms einige Leute bei ihm meldeten, freute ihn dennoch. „Viele ehemalige Profis haben mich kontaktiert, um mir zu sagen, dass sie meine Entscheidung gut finden. Das hat mir zusätzliches Selbstvertrauen gegeben.“

Mittlerweile fährt Jungels nicht nur sämtliche Rennen, sondern gehört jedesmal zum Favoritenkreis. Auch teamintern. Nach dem Omloop Het Nieuwsblad hat sein Mannschaftskollege Philippe Gilbert erklärt, dass das Team vier Karten auszuspielen hatte. Eine davon war Jungels. Auf dem 26-Jährigen lastet somit bei jedem Rennen ein enormer Leistungsdruck. Womit seine Vielseitigkeit auch schnell zum Fluch werden kann. Doch der Radprofi lässt sich den Druck nur selten anmerken. Im April 2018 kam erstmals Kritik wegen ausbleibender Leistungen an Jungels auf. Seine Antwort gab er bei Liège-Bastogne-Liège.

Keinen Zeitdruck

„Für uns ist es ein großes Glück, so einen vielseitigen Fahrer in unseren Reihen zu haben“, meint der Sportliche Leiter von Deceuninck – Quick Step, Wilfried Peeters. Wo die Reise des Luxemburgers in Zukunft hingeht, vermag Peeters nicht zu sagen. Dass Jungels seine Saison irgendwann einmal ganz nach den Klassikern ausrichten wird, kann sich Peeters gut vorstellen. „Das kann eines Tages so sein, wer weiß.“ Dass eines Tages das Team Jungels die Entscheidung abnimmt und ihm ein spezifisches Rennprogramm vorschreibt, glaubt Baldinger nicht. „Bob wird seinen Weg gehen, da spielt die Mannschaft eigentlich keine große Rolle. Er ganz allein kann die Entscheidung treffen, in welche Richtung es gehen soll.“

2016 wechselte Jungels auch aus dem Grund zu Quick Step, weil man bei Trek nicht an ihn glaubte. Jedenfalls nicht für die dreiwöchigen Rundfahrten. Unter Zeitdruck steht Jungels laut Baldinger noch lange nicht. „Er kann sich in einigen Jahren immer noch bei einer großen Landesrundfahrt versuchen.“ Allerdings kann sich der ehemalige Nationaltrainer auch gut vorstellen, dass der Junioren-Weltmeister im Zeitfahren von 2010 mal wieder in seiner früheren Spezialdisziplin für Furore sorgen wird. „Ich bin gespannt auf die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Gut möglich, dass Bob dort ein Wörtchen mitzureden hat.“

Jetzt steht für Jungels aber erst mal Paris-Nice auf dem Programm. Dort wird er auf einige Fahrer treffen, mit denen er schon am Wochenende im Peloton unterwegs war. Die Klassiker-Spezialisten nutzen die Rundfahrt gerne, um sich den letzten Schliff vor den großen Eintagesrennen wie der Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix zu holen. Jungels geht wieder einmal in das Rennen, um ein gutes Resultat in der Gesamtwertung zu erzielen. Er gehört halt wieder zum erweiterten Favoritenkreis. Das Schicksal eines Alleskönners.

Josy Miersch Junior
4. März 2019 - 12.26

Für die grossen Rundfahrten fehlt nicht viel ! CONTADOR sagte vor kurzem dass das Team von Patrick LEFEVERE und seiner Einstellung nie eine Grand Tour gewinnen könnte. Dies konnte man deutlich in der letzten TdF erleben, wo das Bergtrikot wichtiger war als Bob Beistand zu leisten. Er fuhr die 3 Wochen ganz auf sich alleine gestellt ! Bergfahren kann man erlernen und ausbauen, auch wenn dann vielleicht das Zeitfahren darunter leidet ! Mit Mannschaftshilfe (Gebrüder SCHLECK) hat sogar ein CANCELLERA die Tour de Suisse gewonnen. Neben BALDINGER könnte auch Kim KIRCHEN Bob helfen wie man hinter den besten am Berg Kontakt behält. Bewundere bei Bob JUNGELS vor allem sein sehr starker Wille !.