Politologe über Trump und Xi: „Aus Chinas Sicht ist Trump ein Glücksfall“

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Das Abendessen zwischen den Präsidenten der USA und Chinas nach dem G20-Gipfel war mit Spannung erwartet worden. Die Frage war: Eskaliert der Handelskonflikt? Donald Trump feiert sich nun als Sieger. Xi Jinping lässt das geschehen. Was hinter dieser Taktik steckt und was das alles für Europa bedeutet, erklärt Politologe Eberhard Sandschneider.

Tageblatt: Wer hat gewonnen? Oder besser: Konnten Trump und Xi ihr Gesicht wahren?
Eberhard Sandschneider: Natürlich feiert Trump die chinesischen Zugeständnisse. Die musste es geben, um überhaupt zu einer Vereinbarung von 90 Tagen zu kommen. Aber das Entscheidende ist: Der Konflikt ist nicht gelöst. Sie legen ihn bloß 90 Tage auf Eis und geben ihren Verhandlungsdelegationen so mehr Zeit. Das ist der eigentliche Deal, mehr nicht.

Hat Xi Jinping wirklich so viel nachgegeben?
Xi hat nicht so viel nachgegeben, wie Trump jetzt tut. Dass er das tut, ist aber völlig normal, und damit hat Xi Jinping wohl auch gerechnet. Trump legt sich die Welt so zurecht, wie sie ihm am besten erscheint und wie sie ihn am tollsten aussehen lässt. Letztendlich ist nichts entschieden. Das werden im Übrigen schwierige 90 Tage werden. Mittlerweile rudert der US-Präsident in der für ihn typischen Art ja auch schon wieder zurück. Und am Ende wird vermutlich doch stehen, dass sie sich nicht wirklich einigen können. Xi kann der amerikanischen Agenda nicht einfach so nachgeben, schon aus innenpolitischen Gründen nicht. Außerdem ist ihm das wahrscheinlich zu riskant für die Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Unternehmen – und die ist in einer sich abschwächenden Wirtschaftssituation von entscheidender Bedeutung für ihn. Da ist also nichts Dramatisches passiert – und das Grundproblem ist nach wie vor nicht vom Tisch.

Ist das überhaupt vom Tisch zu bekommen?
Da müssten die Amerikaner auch nachgeben, vor allem was ihre Strafsanktionen angeht. Diese Zölle sind Gift für chinesische Firmen. Eine Lösung wird es von heute auf morgen nicht geben. Das wäre eine Schocktherapie für die chinesische Wirtschaft, das können die Chinesen nicht machen. Aber es ist wie immer: Trump hat zu 30 Prozent recht. Die chinesische Wirtschaft ist hochgradig staatlich subventioniert und sie ist hochgradig protektionistisch geschützt gegen unliebsamen Wettbewerb.

Wird China sich denn bewegen?
Da wird China sich bewegen müssen und auch bewegen wollen, auch weil sich an der Stelle Amerikaner und Europäer einig sind. In Europa wird der protektionistische Teil der chinesischen Wirtschaft genauso gesehen wie in den USA. Die Europäer setzen im Unterschied zu Trump aber darauf, mit China zu reden – und in einigen punktuellen Dingen spüren sie auch, dass es Bewegung gibt. Diese Bewegung wird jedoch nicht durch europäischen oder amerikanischen Druck entschieden, sondern durch die chinesische Einsicht, den nächsten Schritt machen zu können.

Was wollen die Chinesen eigentlich, wo wollen sie hin?
Zum Jahr 2049?

Wir könnten ja mal bei 2025 anfangen …
Das ist eine Zwischenstation. Das Endziel heißt erst mal 2049. Das sind 100 Jahre Volksrepublik China. Doch eigentlich wollen sie zurück ins Jahr 1435. China war zu diesem Zeitpunkt die führende Technologiemacht der Welt. Damals hat der chinesische Kaiser beschlossen, seine Überseeflotte abzubauen und dafür eine Mauer zu bauen. Danach begann der kontinuierliche Abstieg Chinas, der bis zur Kehrtwende 1978 dauerte, als die Reformpolitik begann. Zum 100. Jahrestag der Volksrepublik will China wieder an der Spitze der Nationen stehen, sowohl was die Wirtschaftsleistung angeht, wie den politischen und auch den militärischen Einfluss betreffend. Alles, was Xi jetzt macht, passiert in Richtung dieses Ziels. Man kann sich jetzt über die Einzelziele aufregen, aber wenn man das ganze Bild sieht, dann regt man sich an der falschen Stelle auf.

Wie sind die Erfolgsaussichten?
Die Aussichten sind nicht schlecht. Mit dem zentralen Vorsatz, pragmatische Schritte in die Richtung zu gehen, in die sie wollen, kann das gelingen. Auch die Kapazitäten sind sicherlich da.

Dazu hängt das ja auch von den anderen ab, oder?
Und nun schauen Sie sich die Europäer an. In der Digitalisierungsfrage drücken die Chinesen dermaßen auf die Tube, dass sie mit einiger Wahrscheinlichkeit in nicht allzu ferner Zeit sehr viel weiter sind als alle unsere Gesellschaften. Versuchen Sie mal, in Berlin mit Ihrem Handy zu bezahlen – in Peking werden sie komisch angeguckt, wenn Sie es nicht machen! Wie übrigens auch in Afrika. In jeder afrikanischen Kneipe können Sie Ihr Bier mit dem Handy bezahlen, die Nummer steht über der Theke.

Und wie sieht es mit den Amerikanern aus?
Aus chinesischer Sicht ist Trump ein Glücksfall – weil er langfristig das tut, was Amerika mehr schaden wird. Und das nutzt China.

Ein gigantisches Projekt der Chinesen ist die neue Seidenstraße. Im Westen wird die teilweise immer noch milde belächelt. Wie schätzen Sie das ein?
Westliche Überheblichkeit. Seit es diese Initiative gibt, geht das so. Zu Beginn hieß es, sie sei viel zu groß, und dann, es sei nur Chinas Ding – jetzt sind 65 Länder beteiligt. Später hieß es, China kann das nicht finanzieren – was aber jetzt passiert, ist offensichtlich finanziert. Dann wiederum hieß es, es gibt keine Grand Strategy – aber Chinesen machen keine Grand Strategy, so einen Quatsch machen nur wir. Wer heute eine Grand Strategy schreibt, der ist kaum fertig, dann ist sie schon veraltet. Das wissen die Chinesen. Auch daran kann man den chinesischen Pragmatismus ablesen. Das wird schon deshalb aufgehen, weil Dinge, die nicht klappen, einfach rausfliegen. Das ist ja eine Schwierigkeit bei einem solchen Projekt: einzuschätzen, was dazugehört und was nicht. Für die Chinesen gilt: Was funktioniert, gehört dazu. Was nicht funktioniert, wird wieder weggelassen. Das ist ein Riesenprojekt, wenn da nur 50 Prozent funktionieren, ist das schon gigantisch.

Werden mit der Seidenstraße nur wirtschaftliche Ziele verfolgt?
Sie hat auch politische und strategische Bedeutung. Die Seidenstraße ist geopolitisch eine Landstrategie – und eindeutig gegen die Dominanz der Vereinigten Staaten gerichtet. Sie ist das strategische Kernelement, um die globale Macht der USA zu brechen. Über Eurasien reden wir plötzlich, und das haben wir über Jahrzehnte hinweg nicht getan. Der Grund dafür ist die Seidenstraße. Sie führt durch Russland, es gibt eine Pakistan-Linie, Südostasien ist eingebunden, ebenso die ganzen -stans, so ist Kasachstan eines der zentralen Transitländer.

Welche Folgen sind für Europa zu erwarten?
In Weißrussland wird im Moment mit 5.000 chinesischen Arbeitern der weltgrößte Trockenhafen gebaut. Diesen Umschlagplatz für Container hat bei uns niemand auf dem Schirm. Das ist 50 Kilometer von Minsk entfernt, und von dort geht es weiter nach West- und Südosteuropa. Die Chinesen bauen die Eisenbahnstrecke zwischen Belgrad und Budapest aus, weil sie damit schneller und näher an den Hafen von Piräus kommen, der ihnen auch schon gehört. Wenn Sie das alles zusammenfügen, entsteht schon ein sehr brauchbares Bild.

Die Schienen führen in beide Richtungen, das müsste doch eine Opportunität auch für Europa sein.
Aber nur wenn die Europäer nicht so doof wären. Vor ein paar Jahren haben wir gespottet, dass billige Fertigwaren aus China in den Containern zu uns kommen und Schrott in den Containern zurückgeht. Weil die Chinesen alles gebrauchen konnten, auch unseren Schrott. Doch ob wir das jetzt mit Waren bestücken können? Was sie dann transportieren, wird spannend zu sehen sein. Es ist auch eine Preisfrage.

Ist die Schiene konkurrenzfähig auf solch langer Strecke?
Nehmen Sie nur das Beispiel vom Duisburger Hafen. Dort ist man überzeugt, dass er in zwei Jahren 50 Züge mit einer Laufzeit von acht Tagen hat. Jetzt sind sie bei 18 Tagen. Das ist absolut wettbewerbsfähig gegen Seefracht und Luftfracht. Die eine dauert zu lange, die andere ist zu teuer. Innerhalb von einer Woche können sie dann einen Container zu erschwinglichen Preisen durch Eurasien transportieren – das ist ein Geschäftsmodell.


Zur Person

Eberhard Sandschneider, geboren 1955, ist ein deutscher Politikwissenschaftler und Ostasien-Experte. Sandschneider lehrt als Professor für Politikwissenschaft, Schwerpunkt Politik Chinas und Internationale Beziehungen, an der Freien Universität Berlin. Von 1999 bis 2001 war er Geschäftsführender Direktor des Otto-Suhr-Instituts. Zwischen 2003 und 2016 war er zugleich „Otto-Wolff-Direktor“ des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Seit September 2012 gehört er dem 6. Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik an. Vergangenen Freitag war Sandschneider auf Einladung der deutschen Botschaft in Luxemburg.

Jacques Zeyen
6. Dezember 2018 - 18.18

Für jeden Zirkus wäre Trump ein Glücksfall. Gründlicher als mit dieser Figur können sich die Amerikaner in der Welt nicht blamieren.

roger wohlfart
6. Dezember 2018 - 15.44

In der Verblendung seiner Egozentrik merkt der Psychopathe aus dem Weissen Hause nicht, dass Xi ihn auflaufen lässt ud öffentlich vorführt. Auf dem obigen Foto spricht die Mimik der beiden Bände.