Politischer Druck auf rotem Teppich: Die „Luxembourg Music Awards“ polemisieren

Politischer Druck auf rotem Teppich: Die „Luxembourg Music Awards“ polemisieren

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Ein neues Kulturevent zwischen Selbstbeweihräucherung, Bling-Bling und politischem Druckmittel, ein roter Teppich, Freibier, Preisgelder, Polemik auf sozialen Netzwerken und ein Film Fund, der einfach bei jedem kulturellen Event mitwirkt: Während der „Luxembourg Music Awards“ erlebte man die hiesige Kulturszene „in a nutshell“.

Alle zwei Jahre feiert sich die Filmbranche im Grand Théâtre selbst. Die Kultur-Schickeria des Großherzogtums stopft sich mit Sushi-Röllchen und Steaks voll, beschwert sich über mangelnde Subventionierung und versucht wieder einmal, Amerika zu kopieren, obschon man so langsam nicht mehr weiß, wieso man den Trends dieses wenig vorbildlichen Landes überhaupt noch nachläuft. Nach den luxemburgischen Oscars startete am Dienstag in der Rockhal die luxemburgische Version der Grammy Awards. Aufgrund einer Organisation, die so mancher, wie Pol Belardi es im Gespräch präzisierte, als „last minute“ qualifizierte, wurde die neu ins Leben gerufene Preisveranstaltung schnell skeptisch beäugt.

„Wenn man sich traut, in Luxemburg etwas Neues zu starten, hagelt es erst mal Kritik. Es gehört einfach zum guten Ton des Luxemburgers, sich zu beschweren“, meint Mutiny-Schlagzeuger Sacha Hanlet. Ein Fallbeispiel dieses doch sehr luxemburgischen Reflexes des Misstrauens konnte man Wochen vor der ersten Auflage der „Luxembourg Music Awards“ auf den sozialen Netzwerken wieder einmal in seiner großen Vielfalt beobachten.
Einer der Hauptkritikpunkte war methodologischer Natur.

Künstler standen vor der Wahl

Die Musiker durften sich selbst in den verschiedenen Kategorien eintragen, was dazu führte, dass der Künstler vor die Wahl gestellt wurde: Mute ich es mir selbst zu, als „Künstler des Jahres“ zu postulieren, und lebe dann mit dem (potenziellen) Vorwurf, ein gigantisches Ego zu haben, oder verzichte ich aus falscher Bescheidenheit darauf, mich zu bewerben, und lasse mir die Geldsummen entgehen – eine Geldsumme, die ich nutzen kann, um, wie es die Gewinnerin in der Kategorie „Best Upcoming Musician“, Claire Parsons, erklärte, eine Platte aufnehmen zu können?

Dieser Vorwurf entpuppte sich aber recht schnell als unangebracht, da diese Selbstanmeldung eigentlich nur angeboten wurde, um die Erstauswahl, die von Musikkennern (aus unter anderem der Presse) getroffen wurde, vollständiger zu gestalten. So wollte man sichergehen, dass kein Musiker vergessen wird, weil er nicht auf der von den Vorauswählern erstellten Longlist aufgeführt wurde. Letztere wurde anschließend von einer Jury, die aus Yves Stephany (100,7), Marc Hauser (Rotondes), Luka Heindrichs (De Gudde Wëllen, FFYS), Michel Welter (den Atelier), Bob Konsbruck (RTL) und Olivier Toth (Rockhal) bestand, zu einer Shortlist umgewandelt.

„Chaotische Kommunikation“

Serge Tonnar, der im Vorfeld auf Facebook Kritik geübt hatte, bemängelt, dass es für die Musiker sehr unklar war, dass abseits der Selbstanmeldung noch eine professionelle Auswahl stattfand, und wirft den Organisatoren eine chaotische Kommunikation vor. „Es ist durchaus begrüßenswert, dass junge Musiker vorgestern Abend Preisgeld absahnen konnten. Mit dem, was es bedeutet, in Luxemburg als Musiker zu überleben, hat dieser Award sehr wenig zu tun – in diesem Sinne stimmt er mit der allgemeinen Politik von der Rockhal, music:LX und Co. überein. Man schert sich bei einem solchen Event herzlich wenig um Musik als künstlerische Ausdrucksform in der heutigen Gesellschaft.“ Des Weiteren meint Tonnar, man werde ja sehen, ob die aufstrebenden Musiker in zehn Jahren auf einer Bank arbeiten oder auf einer Bühne stehen werden. „Einige werden wohl auch in Gremien sitzen, um dann der nächsten Generation von aufstrebenden Künstlern zu sagen, wo’s langgeht.“

Georges Goerens, bekannt als „Bartleby Delicate“ und als Sänger von Seed to Tree, denkt, dass diejenigen, die im Vorfeld Kritik übten, nicht wirklich gut informiert waren. „Die Rockhal hat als öffentliche Institution nicht jedermann auf dem Radar. Deswegen denke ich, dass die gefundene Kompromisslösung gar nicht mal so übel ist. Obschon es natürlich etwas komisch wirkt, wenn man selbst in der Kategorie ‹Musiker des Jahres› postuliert. Vielmehr frage mich aber: Gibt es gute Kriterien, um einen Hip-Hop- mit einem Folk-Pop-Künstler zu vergleichen? Was zählt in einem solchen stilistisch oder musikalisch ja sehr schwierigen Vergleich eigentlich: die Live-Show, der kommerzielle Erfolg? Hier kann man sich durchaus einige methodologische Fragen stellen.“ Pol Belardi findet, dass das doppelte Verfahren eigentlich gut durchdacht ist, da es eine Art „Cross-Reference“ erlaubt – die Liste der Angemeldeten verstärkt oder bestätigt die Wahl der Experten und umgekehrt.

Sacha Hanlet, der in letzter Zeit mit seinem Projekt Them Lights für Aufmerksamkeit sorgte, meint: „Die Polemik muss irgendwann aufhören. Diejenigen, die am stärksten Kritik übten, sind selbst überhaupt nicht vor Ort gewesen. Das Event ist in dem Sinne auch politisch, weil mit einem solchen Ereignis verschiedenen Radiosendern, die aus dubiosen Gründen luxemburgischen Musikern das Airplay verweigern, die Verweigerungsargumente ausgehen. Wenn ein Musiker wie Edsun in drei Kategorien absahnt, dann haben RTL und Eldoradio keinen Grund mehr, seine Musik nicht zu spielen, und sind gezwungen, diese Künstler hervorzuheben. Verschiedene Medien respektieren die harte Arbeit der Musiker einfach nicht, trauen sich nicht, Neues zu entdecken, und zögern deswegen, ausgezeichneten Musikern Airplay zu geben. Wir müssen weg von dieser ‹Fir Lëtzebuerg ass et nawell gutt›-Attitüde. Und da ist ein Event wie die LMA ein Schritt in die richtige Richtung.“

Generische Öffnung erwünscht

Ein weiterer Kritikpunkt war die generische Armut. So gab es wenig Klassik und Jazz – abgesehen von den music:LX-Export-Awards, die man dieses Jahr in die LMAs eingebettet hat und die neben Rome in der Kategorie Pop-Rock-Elektro Christoph Sietzen und das Trio Reis, Demuth und Wiltgen als beste Klassik- und Jazz-Exportkünstler auszeichnete.
Laut Pol Belardi könnte man die Kategorien definitiv erweitern und so ausarbeiten, dass jedes Genre vertreten ist. Dem stimmt auch Sacha Hanlet zu. Claire Parsons gibt zu bedenken, dass die Rockhal eben auf Pop-Rock spezialisiert sei – und man ein ähnliches Event für Jazz und Klassik schaffen könnte. „Der Name ist in der Tat etwas unglücklich gewählt. ‹Luxembourg Pop Music Awards› wäre wohl präziser gewesen – und hätte die Kritik verstummen lassen.“

Kulturministerin Sam Tanson verwies in ihrer Rede ebenfalls auf die Vorzüge einer generischen Öffnung, bevor sie darauf aufmerksam machte, dass die kulturpolitischen Herausforderungen für die Musikszene hauptsächlich bei der Optimierung der finanziellen Rahmenbedingungen und der Bereitstellung von Proberäumen liegen. Sie bemerkte zudem, dass viele der hiesigen Musiker ihr finanzielles Überleben einem Hauptjob schulden und so ihre musikalische Karriere neben einer Voll- oder Halbtagsarbeit verfolgen müssen, und ist sich bewusst, dass sich dies ändern muss, um die Professionalisierung der Szene zu gewährleisten.

Weniger Preisgeld für den besten Song als für das beste Musikvideo

Dass die Preisgelder sehr unterschiedlich waren, stieß auch bei einigen sauer auf: Der Song des Jahres war mit 750 Euro von der Sacem und 750 Euro vom 1535º Creative Hub deutlich spärlicher dotiert als das beste Musikvideo, für das der Film Fund großzügige 5.000 Euro zahlte. Klar kostet ein Filmdreh so einiges – ohne den Song dazu würde es aber überhaupt kein Video geben.

Diese Diskrepanz mag wohl auf die finanziellen Mittel der Sponsoren zurückführen, ein Ausgleich in dieser Hinsicht könnte zu den Aufbesserungen in den kommenden Jahren gehören. Im Laufe derer es auch gelten wird, zu verhindern, dass stets nur dieselben Musiker belohnt werden – auch in diesem Sinne wäre eine generische Öffnung wünschenswert, um sich nicht auf den doch etwas gefälligen, wenn auch gut gemachten Einheitsbrei zu beschränken. Denn auch im relativ großflächigen Bereich der Popmusik hätten beispielsweise die Metaller von Desdemonia und die Mathrocker von Mount Stealth es definitiv verdient, auf einer Shortlist zu landen – was der Vielfalt der Auswahl gutgetan hätte.

Die Musiker sehen den Award auf jeden Fall – abseits der Schickeria-Elemente, die nicht jedermanns Sache sind – als wichtige Wertschätzung des Milieus – und möchten allesamt das Preisgeld (hauptsächlich) in musikalische Projekte oder den Kauf von Material investieren.

Die vollständige Liste der Gewinner:

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Bananana
20. Dezember 2018 - 18.06

Solange Herr Tonnar auf RTL der Liebling der Massen bleibt kann er es sich erlauben nicht angebrachte Kritik zu üben. Immerhin überlebt er hauptsächlich durch Subvention (Maskenada...) und Airtime bei seinen Freunden von RTL ...

Danielle
20. Dezember 2018 - 17.32

Ja, ist es, beweist es doch dass verschiedene Medien (RTL-Eldoradio) kaum Luxemburger Musiker spielen oder immer nur die gleichen von ihnen gepusht werden!

Realist
20. Dezember 2018 - 13.54

Ist es schlimm, wenn man von den allermeisten der im Artikel erwähnten Musiker noch nie im Leben gehört hat…?