Persisch gewürzt: Sittas langer Weg zum ersten Soloalbum

Persisch gewürzt: Sittas langer Weg zum ersten Soloalbum

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Die Sängerin Sitta vermischt moderne Rhythmen mit orientalischen Melodien. „Urban Soul with Persian spice“ nennt sie ihren Stil. Am Mittwoch erscheint ihre erste CD. Fünf Jahre sind seit der Produktion vergangenen. Mehrere Schicksalsschläge drohten, ihrer Karriere ein frühzeitiges Ende zu setzen.

Dunkle, wallende Haare, braune Augen, ihre Gesichtszüge spiegeln den Orient wider, doch ihr perfektes Deutsch und Französisch mit einem leichten Schweizer Akzent passen nicht so recht zu meinen gedanklichen Stereotypen.

Diese Ambivalenz wird durch ihren Namen unterstrichen: Sitta Föhr, ein orientalischer Vorname und ein deutscher Nachname. Aufgewachsen ist die Sängerin in Zürich als Tochter der persischen Opernsängerin Farah Afiatpour und des deutschen Bühnenschauspielers Harald Föhr-Waldeck.

Musik war überall

Musik war in ihrem Elternhaus allgegenwärtig. Dass sie Sängerin werden wollte, stand sehr früh fest. „Laut meiner Mutter habe ich bereits gesungen, bevor ich sprechen konnte“, sagt sie schmunzelnd. Ihre Musik ist die künstlerische Fortsetzung dieser Ost-West-Fusion: Ihre Lieder versprühen die Wärme des Souls, gestützt auf Bass-Grooves, das Ganze vermischt mit orientalischen Melodien, gespielt auf Instrumenten wie Oud, Saz, Tar und Daf.

Hinzu kommt Sittas vier Oktaven umspannende Stimme, bei der man eine Affinität zum Operngesang heraushört. Was kein Wunder ist, bekam sie doch ihren ersten Gesangsunterricht von der Mutter. Heute Abend wird die Sängerin in Düdelingen ihre erste Solo-CD „Part Of Me“ vorstellen.

Liebe, Trauer, Trennung

„Urban Soul with Persian spice“ nennt sie ihren Stil, was aber nur annähernd ihre Musik beschreibt. Die Songs, deren Texte sie alle selbst geschrieben hat und für deren Musik sie auch größtenteils verantwortlich ist, handeln von Liebe, Trauer, Trennung, der Suche nach der eigenen Identität, einem Thema, das sie stets sehr beschäftigt hat.

Das Zusammenspiel unterschiedlicher Kulturen mag auf viele Menschen anziehend wirken, als Kind musste die Musikerin jedoch eher negative Erfahrungen machen. Das Aufwachsen in Zürich bezeichnet sie als „unbewusste Verwirrung“: Lange habe sie die Reaktion der Leute auf sie nicht verstanden. „Ich glaube, die Leute konnten mich nicht einstufen. Ich passte in keine Box, ich war halt so exotisch.“ Sie sei mit einem Gefühl des Unerwünschtseins aufgewachsen. Dies sei sogar bis hin zu offenen rassistischen Anfeindungen gegen sie und ihre Mutter im Alltag gegangen.

Sinnsuche

Bei einem Auftritt auf einer TEDx-Veranstaltung der Universität Luxemburg erklärte sie, dass das Thema des Stückes „Part Of Me“ eng mit ihrer Kindheit in der Schweiz verbunden sei. Sie sei in einem Land aufgewachsen, das weder die Heimat der Mutter noch des Vaters ist, und habe sich stets dort ausgeschlossen gefühlt.

In Luxemburg mag sie die Stabilität und die Internationalität. Dass sie sich heute hier wohlfühlt, habe jedoch nichts mit ihren Kindheitserfahrungen in der Schweiz zu tun. Damit habe sie ihren Frieden geschlossen. Irgendwann habe sie sich gesagt, es könne nicht sein, dass sie für den Rest des Lebens mit diesem Gefühl durch die Welt gehe, nirgendwo hinzupassen. „Ich war das Gefühl so gewohnt, es war ein unbewusstes, und als es mir bewusst wurde, habe ich sehr viel an mir gearbeitet, um eine innere Zufriedenheit zu finden.“

Diese Sinnsuche ist Thema des Titeltracks „Part Of Me“, das dem Album den Namen gab und von Sitta als Herzstück der EP bezeichnet wird: „Far, I’ve come so far – I hide no more – Like I did before – Once I was weak in me – Now I believe in me“, heißt es hier. Hinzu kommt hin und wieder ein trauriger Unterton, der sich stellenweise zu einem schmerzvollen Klagelied steigert. Hier singt sich jemand die Seele aus dem Leib.

«Warme Stimme mit klassischem Touch»

Joe Chicarelli aus Los Angeles war als einer der Produzenten an der CD beteiligt und hat schon mit Größen wie Etta James oder Alanis Morissette zusammengearbeitet. Er bezeichnet Sittas Stimme als warm, mit einem klassischen Touch, „soul groove und pop feeling“.

Der Weg zur hauptberuflichen Künstlerin war für Sitta lange und steinig und die ersten Hürden wurden ihr ausgerechnet von den Eltern in den Weg gelegt. Beide waren dagegen, dass sie das Singen zum Beruf mache. „Und das obwohl sie selber Künstler waren, oder vielleicht gerade deswegen.“

Also entscheidet sie sich für ein „richtiges“ Studium: Anglistik an der Züricher Universität. Kurz vor dem Abschluss, Anfang der 1990er-Jahre, heiratet sie und zieht mit ihrem Mann nach Tschechien. Drei Jahre später scheitert die Ehe und sie ist allein mit einem Kind. Sie kehrt zurück in ihre Heimatstadt, wo sie Ende der 1990er eine dreijährige Ausbildung in Soul, Jazz, R’n’B an der Academy of Contemporary Music macht. Singen tut sie zu diesem Zeitpunkt allerdings nur nebenberuflich, da sie als alleinerziehende Mutter andere Sorgen hat. „Der Traum einer Sängerkarriere schien in weite Ferne gerückt“, erzählt sie. „Ich sang zwar, so viel ich konnte, doch ich hatte einen Tagesjob, um meine Rechnungen zu begleichen.“

2007 brachte sie ihre Arbeit als Headhunterin für ein internationales Unternehmer nach Luxemburg. Seit 2012 widmet sie sich hauptberuflich ihrer Gesangskarriere. 2015 wurde sie unter anderem als Sängerin in den Grund Club (eine Vereinigung von Musikern in Luxemburg) aufgenommen. Zwischen 2012 und 2014 hat sie in Marseille und Los Angeles ihre erste CD aufgenommen.

Schicksalsschläge

Doch 2014 trafen sie zwei Schicksalsschläge. Im Juni starb ihre Mutter. Ihr Tod sei ein schwerer Schock für sie gewesen, erzählt Sitta. Nur sechs Monate später hatte sie einen schweren Unfall. Beides zusammen habe sie ziemlich aus der Bahn geworfen.

An Singen war vorerst wieder einmal nicht zu denken. Heute sagt sie darüber: „Es gab eine Zeit, in der ich dachte, ich würde immer deprimiert sein. Aber ich hatte mehr Macht darüber, als ich mir zugestanden habe. Wir haben die Wahl, was wir denken und was wir fühlen. Ich war es leid, mich als Opfer zu fühlen, denn das gibt einem das Gefühl von Machtlosigkeit und irgendwann kann man sich selbst nicht respektieren. Ich will aber mit mir selbst im Reinen sein.

Musik war ein Auslöser, danach zu suchen, wo ich zu Hause bin. Als ich mich mit meiner eigenen Musik und Stimme ausdrücken wollte, musste ich aber zuerst herausfinden, was meine Musik ist, da ich ja verschiedene Stile studiert habe: Jazz, Soul, Gospel, aber das sind andere Kulturen.“

Die Frage, was sie ist, will sie nicht beantworten: „Ich entwickle mich permanent, ich kann nicht sagen, dass ich angekommen bin. Ich definiere nicht mehr, wer ich bin, ich bin jeden Tag anders. Ich suche nach der Authentizität im Moment, und die möchte ich nicht definieren. Sobald ich das tue, setze ich mir selbst Grenzen. Die Bezeichnung ‹Urban Soul with Persian spice› bedeutet also nichts Definitives.“