Orban greift Kritiker im eigenen Lager an – und spaltet EVP

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Nach den Attacken auf die EU-Kommission greift Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban nun auch seine Kritiker im eigenen konservativen Lager an. Für EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber und dessen Europa-Wahlkampf wird das zum Problem.

Von unserem Korrespondenten Eric Bonse, Brüssel

In der Europäischen Volkspartei (EVP) liegen die Nerven blank. Knapp drei Monate vor der Europawahl Ende Mai sucht die konservative Parteienfamilie, in der CDU und CSU den Ton angeben, händeringend nach einer Strategie gegen Ungarns Regierungschef Viktor Orban. Kommt es zum Showdown, oder sitzen CDU und CSU auch diesen Streit aus?

In der EVP scheint alles möglich, seit Orban eine Plakatkampagne gegen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gestartet hat. Der Luxemburger wird darauf im „Stürmer“-Stil zusammen mit US-Investor George Soros gezeigt. Beide hätten sich gegen Ungarn verschworen und wollten das Land mit Flüchtlingen überschwemmen, suggeriert das Plakat.

Das führte zu einem Sturm der Entrüstung – nicht nur in der angegriffenen EU-Kommission, sondern auch in der EVP. „Es gibt keine Verschwörung“, beteuerte Junckers Chefsprecher Margaritis Schinas gestern in Brüssel. „Alle Optionen liegen auf dem Tisch“, erklärte der Spitzenkandidat der EVP für die Europawahl, Manfred Weber (CSU). Selbst ein Ausschluss von Orbans Fidesz-Partei aus der EVP scheint nicht mehr ausgeschlossen. Das dafür nötige Quorum – einen Rauswurf müssen mindestens sieben Mitgliedsparteien aus fünf Ländern beantragen – ist schon erreicht. Bei den Christdemokraten in Flandern, Luxemburg oder Portugal ist der Geduldsfaden gerissen.

Ausschlussverfahren gegen Orban offen

Doch Orban scheint dies nicht zu beeindrucken, im Gegenteil: Am Wochenende legte er noch einmal nach. Seine Kritiker in der EVP bezeichnete er als „nützliche Idioten“, die nur „der Linken“ in die Hände spielten. Gleichzeitig kündigte er eine neue Schmutzkampagne an – diesmal gegen Junckers Stellvertreter Frans Timmermans.

Das ist pikant. Denn Timmermans ist nicht nur für das Rechtsstaatsverfahren zuständig, das die EU gegen Ungarn eingeleitet hat. Der Niederländer ist zugleich auch Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der Europawahl. Orban versucht offenbar, seinen Kritikern in der EVP die Spitze zu nehmen, indem er sich gegen „die Linke“ stellt.
Wie werden die Konservativen und Christdemokraten auf dieses neue Manöver reagieren? Aus der EVP-Parteizentrale in Brüssel kommen keine klaren Signale. Zwar hat sich auch Parteichef Joseph Daul von Orban distanziert. Doch ob es nun tatsächlich zu einem Ausschlussverfahren kommt, lässt der konservative Franzose offen – genau wie Weber.
Für einen endgültigen Bruch mit Fidesz braucht es eine Mehrheit in der politischen Versammlung der EVP, die eine Art Präsidium darstellt.

Es besteht aus dem Parteivorstand, der Fraktionsführung sowie jeweils einem Vertreter aus den Mitgliedsparteien. Doch dieses Präsidium tritt erst am 20. März zusammen.
Wie es der Zufall so will, hat Orban angekündigt, seine Kampagne gegen Juncker am 15. März einzustellen. Offenbar ist dieser Termin mit Bedacht gewählt. Bei der politischen Versammlung dürfte es den Orban-Gegnern schwerfallen, eine Mehrheit zu organisieren. Denn wenn das EVP-Gremium tagt, wäre die Kampagne schon beendet. Zudem kommt Orban zugute, dass sich CDU und CSU noch nicht festgelegt haben. Aus den Parteizentralen in Berlin und München kamen Verwarnungen, aber keine Platzverweise. Die CSU steht zwar nicht mehr so bedingungslos hinter Orban wie noch unter Ex-Parteichef Horst Seehofer.

Fidesz-Partei als Zünglein an der Waage

Doch CSU-Kandidat Weber sieht sich immer noch als Brückenbauer, der zwischen Ost und West vermittelt. Webers unklare Haltung wird zunehmend zum Problem – nicht nur für die EVP, sondern auch für den Europawahlkampf. „Wenn Manfred Weber glaubwürdig sein will, muss er sich klar positionieren und den Ausschluss der Fidesz unterstützen“, erklärte Ska Keller, die Spitzenkandidatin der Grünen. In dasselbe Horn bläst Martin Schirdewan, Topkandidat der Linken: „Ich bin für einen klaren Schnitt“, erklärte er. Weber müsse sich von Orban lossagen und dessen „antisemitische Kampagne“ stoppen.

Für die EVP geht es jedoch nicht nur um die Europawahl. Es geht auch um die Mehrheitsverhältnisse im nächsten Europaparlament – schließlich will sich Weber von den Abgeordneten zum Nachfolger von Juncker wählen lassen. Die elf Parlamentarier von Orbans Fidesz-Partei könnten zum Zünglein an der Waage werden, heißt es in der EVP. Doch so einfach ist die Rechnung nicht. Zum einen wurde Juncker bei der Europawahl 2014 ohne die Stimmen der Fidesz gewählt – Weber ist auf die Ungarn also nicht unbedingt angewiesen. Zum andern wird der CSU-Mann ohnehin Stimmen aus anderen Fraktionen brauchen, um sein Ziel zu erreichen. Neben den Sozialdemokraten muss er, dies zeigen die Umfragen, noch eine dritte Partei umwerben.

Doch nicht nur die Grünen wenden sich von der EVP ab. Auch die Liberalen – der zweite mögliche Koalitionspartner – fordern den Bruch mit Orban. Auf Weber kommen schwere Tage zu. Wie auch immer er sich entscheidet: Es könnte die EVP zerreißen und seine Wahlchancen mindern.

roger wohlfart
7. März 2019 - 12.02

Wie heisst es in Goethes Faust? " Die Geister, die ich rief…. ".