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Nur Fliegen ist schöner: Zwei Leichtathleten über die Faszination des Hochsprungs

Nur Fliegen ist schöner: Zwei Leichtathleten über die Faszination des Hochsprungs

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Der Hochsprung ist seit 1896 fester Bestandteil der Olympischen Spiele. Genauso zählt diese Disziplin stets zum Programm der luxemburgischen Hallenmeisterschaften in der Leichtathletik, die am Freitag beginnen. Bei diesem Event wird wohl ein FLA-Athlet versuchen, den mehr als 30 Jahre alten Rekord im Hochsprung zu knacken. Was diese Disziplin so besonders macht, verraten einem der Jäger auf diese Bestmarke, Charel Gaspar, und der Gejagte, der Rekordhalter Raymond Conzemius.

2,45 m: In Sportlerkreisen – oder besser gesagt im Leichtathletik-Milieu – wissen die Athleten ganz genau, was es mit diesen Zahlen auf sich hat. Es handelt sich hierbei um den legendären Weltrekordsprung des kubanischen Hochspringers Javier Sotomayor, den er am 27. Juli 1993 aufstellte. Diese Höhe bleibt bis zur heutigen Zeit noch immer unerreicht. Auch in der Halle kommt kein Sportler an die 2,43 m des Kubaners heran. In Luxemburg gestaltet sich die Situation gleichermaßen. Die beiden nationalen Bestleistungen (2,22 m im Freien aus dem Jahr 1995 und 2,17 m in der Halle aus dem Jahr 1988) haben noch immer ihre Gültigkeit. Diese Höhen sind auf Raymond Conzemius zurückzuführen, der den nationalen Hochsprung wie kein anderer prägte. Conzemius’ Talent für diese Disziplin wurde schon in seinen frühen Jugendjahren entdeckt. Schon als Cadet knackte er die Zwei-Meter-Marke. «Ich bin schon ein wenig überrascht darüber, dass ich diese Bestmarke noch immer innehabe. Es waren zwar schon des Öfteren einige einheimische Hochspringer nah dran, aber bisher hat es noch keiner geschafft. Meine damalige Leistung war dann wohl gar nicht so schlecht», schmunzelt der 52-Jährige.

In der Tat gab es in den letzten Jahren immer wieder hoffnungsvolle FLA-Talente wie Ben Kiffer, Sven Liefgen, Kevin Rutare oder Charel Gaspar, die infrage kamen, diesen Rekord einmal brechen zu können. Rutare war 2017 nicht weit davon entfernt, als er bei den Spielen der kleinen Staaten in San Marino zum ersten Mal in seiner Karriere die 2,18 m überqueren konnte. In der Halle liegt seine «personal best» bei 2,12 m. Einer, der diese «Indoor»-Marke noch überbieten konnte, ist ausgerechnet Rutares Schützling, Charel Gaspar. Der CAEG-Athlet konnte anfangs des Jahres seine persönliche Bestleistung um gleich vier Zentimeter auf 2,13 m beim Meeting in Gütersloh (D) verbessern. «In der Tat bin ich nicht mehr allzu weit von den 2,17 m entfernt. Was mir bei meinem Rekordsprung zugute kam, war, dass ich in einem qualitativ hochwertigen Wettbewerb antreten konnte. Obwohl man nicht wie beim Laufen direkt gegen einen anderen antritt, gibt einem dies einen enormen Motivations- und Adrenalinschub, wenn man sieht, dass dein Konkurrent die geforderte Höhe geschafft hat.

Komplexe Sportart

Dann kommt in mir gleich der Wettbewerbsgedanke auf», verrät Gaspar, der eher per Zufall zu dieser Disziplin gelangt ist. Der ehemalige Kurzstreckenläufer wechselte nämlich 2011 zum Hochsprung über. «Wie so oft hatten wir in Grevenmacher für die Coupe du Prince so einige Probleme, eine komplette Mannschaft an den Start zu bekommen. Unser Mann, der eigentlich für den Hochsprung-Wettbewerb vorgesehen war, musste damals aufgrund seines Studiums passen. So sprang ich ins kalte Wasser und probierte diese Disziplin einfach mal aus. Mit übersprungenen 1,84 m war mir dieser Einstieg auch relativ gut gelungen. Von da an entwickelte ich eine Leidenschaft dafür. Und was auch noch dazukam: Der vereinsinterne Rekord lag zu dieser Zeit bei 1,86 m. Das spornte mich natürlich an, diesen zu brechen», plaudert der 27-Jährige aus dem Nähkästchen. Seitdem hat ihn das Hochsprung-Fieber gepackt.

Neben dem Spaß ist es auch die ganze Komplexität dieser Disziplin, die ihm gefällt. «Wenn das Anlaufen, der Absprung und die Technik beim Sprung nach Wunsch verlaufen, dann kann man ohne größere Anstrengung einen tollen Sprung hinbekommen. Das gibt einem ein extrem gutes Gefühl.» Doch nicht nur dies macht den Hochsprung aus. Für Conzemius fielen noch weitere Komponenten ins Gewicht, die ihn wahrlich faszinierten. «Wovon ich heutzutage noch immer schwärme, ist dieses kurze Gefühl vom Fliegen, das man in dieser knappen Sekunde empfindet. Auch die ganze Präzisionsarbeit, das Feilen an den kleinen Details in der Technik, die es einem möglicherweise erlauben, einige Zentimeter höher springen zu können, haben mich immer wieder anregt, weiterzumachen.»

Hochsprung zu praktizieren, hört sich im ersten Moment sehr einfach an. Doch dies ist wahrlich nicht der Fall. Eine Vielzahl von Faktoren müssen stimmen, damit ein guter Sprung gelingt. «Der Anlauf, der Absprung, die Lattenüberquerung und die Landung müssen richtig aufeinander abgestimmt sein. Auch das Laufen einer Kurve will gelernt sein. Manchmal geht man zu schnell an, manchmal zu langsam. Wenn nur einer dieser Punkte nicht so verläuft wie gewünscht, kommt es mit großer Wahrscheinlichkeit zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis. Das macht auch die Schwierigkeit und gleichzeitig den Reiz dieser Sportart aus», gibt der CAEG-Athlet zu verstehen. In die gleiche Kerbe schlägt auch der Direktor des «Sportlycée». «Eine starke Technik, gepaart mit der nötigen Kraft, macht einen guten Hochspringer aus. Für mich persönlich bestand die größte Schwierigkeit darin, die letzten Schritte vor dem Absprung genau hinzubekommen. In dieser nur kurzen Phase kann sehr viel schiefgehen. Wenn alles gut klappt, geht der Sprung wie von selbst.»

Im Krafttraining gemurkst

Diese ganzen – doch teils ungewöhnlichen – Bewegungen stellen den menschlichen Körper auf die Probe. Das Verletzungsrisiko ist dementsprechend hoch. Hochspringer haben deshalb oft mit Problemen an den Knie- und Sprunggelenken zu kämpfen. Sowohl Conzemius als auch Gaspar können ein Liedchen davon singen. «Vor allem das Fußgelenk – speziell beim Absprung – wird einer extrem hohen Belastung ausgesetzt. Deshalb ist es wichtig, dieser Gefahr präventiv entgegenzuwirken, um Verletzungen zu vermeiden. Deshalb mache ich viele spezifische Übungen, um den Fuß zu stabilisieren. Natürlich gehört die Arbeit mit einem Physiotherapeuten dazu.» Genau in dieser Hinsicht hätte Conzemius vielleicht etwas gezielter arbeiten können. Doch vor mehr als 30 Jahren gehörten diese Vorkehrungen nicht so spezifisch zum Trainingsplan dazu.

«Ich muss zugeben, dass ich als aktiver Sportler im Krafttraining ein wenig gemurkst habe. So hätte ich vielleicht die eine oder andere Verletzung vermeiden können», gesteht der ehemalige FLA-Nationaltrainer. Aufgrund einer Fußverletzung musste der luxemburgische «Überflieger» somit nämlich seinen Traum, bei den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 starten zu können, begraben. «Ich befand mich damals in der Form meines Lebens. Die Norm lag damals bei 2,25 m. Ich fühlte mich durchaus in der Lage, diese zu schaffen. Doch dann verletzte ich mich bei einem Meeting und kam nie mehr an meine damalige Form heran», blickt Conzemius etwas wehmütig zurück.

Die Olympischen Spiele spielen in Gaspars Überlegungen momentan keine Rolle. Er backt in dieser Hinsicht eher kleinere Brötchen und wäre schon froh darüber, wenn er wie z.B. bei den Spielen der kleinen Staaten dabei sein dürfte. «Vor dieser Saison hatte ich mir zum Ziel gesetzt, die Norm (2,15 m) für die Universiade zu schaffen. Doch die Altersbegrenzung hat mir hier einen Strich durch die Rechnung gemacht. Jetzt liebäugele ich natürlich damit, diese Rekordhöhe von 2,17 m einmal springen zu können. Als Athlet will man sich ja stets weiterentwickeln. Deshalb wäre es nur der nächste logische Schritt, sich dieser Herausforderung anzunehmen. Doch zunächst ist es mir wichtig, dass ich konstant gute Leistungen auf diesem Niveau vollbringen kann.» Das Potenzial ist auf jeden Fall vorhanden, schließlich hatte der Leichtathlet selbst vor zwei bis drei Jahren nicht gedacht, dass er je einmal so hoch wie jetzt springen würde.