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Neue Bewegung auf der Balkanroute: Mit wärmeren Temperaturen steigen die Migrantenzahlen

Neue Bewegung auf der Balkanroute: Mit wärmeren Temperaturen steigen die Migrantenzahlen

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Nicht nur in Griechenland drängen gestrandete Flüchtlinge nach Norden. In allen Anrainerstaaten der sogenannten „Balkanroute“ nimmt mit den wärmeren Temperaturen die Zahl der Transitmigranten zu, die nach Mitteleuropa wollen.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser

Weinende Kinder, Steinwürfe, Tränengas und Blendgranaten: Die Bilder der Ausschreitungen im Flüchtlingslager Diavata unweit der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki lassen alle Anrainerstaaten vor einer neuen Bewegung auf der sogenannten Balkanroute bangen. Denn mit den wärmeren Temperaturen steigt in Südosteuropa auch die Zahl der Transitmigranten, die nach Mitteleuropa drängen.

Zum Flaschenhals der Balkanroute ist seit vergangenem Jahr Bosnien und Herzegowina mutiert: Der verarmte EU-Anwärter zeigt sich mit der Überwachung seiner unwegsamen Grenzen und der Unterbringung der Flüchtlinge völlig überfordert.

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015/16 war der Korridor der Balkanroute vor drei Jahren an der griechischmazedonischen Grenze bei Idomeni offiziell abgeriegelt worden. Doch gänzlich geschlossen war die sich ständig ändernde Route nie.
Laut Angaben von Bosniens Sicherheitsminister Dragan Mektic sind 2018 rund 26.000 illegale Grenzgänger in den Balkanstaat gelangt. 3.000 bis 4.000 von ihnen seien während des Winters in Bosnien gestrandet, dem Rest sei offenbar die Grenzpassage zum EU-Nachbarn Kroatien und weiter nach Westen geglückt.

Brutale Grenzpolizei

Wenn sich über die Türkei und Griechenland weitere 70.000 Migranten in Richtung Mitteleuropa aufmachen sollten und „nur die Hälfte“ durch Bosnien ziehe, werde sein Land „in große Probleme“ geraten: „Wir erwarten eine Eskalierung der Lage – nicht nur in Bosnien, sondern auf der gesamten Route.“

Die Zahl der Flüchtlinge, die von Nordafrika aus über die Mittelmeerroute nach Europa zu gelangen versuchen, hat sich in den letzten beiden Jahren spürbar verringert. Stattdessen scheint sich in Südosteuropa der Druck auf die Grenzen wieder zu verstärken – auch wenn die Flüchtlingszahlen kaum mit der Krise von 2015/16 zu vergleichen sind, als in zwei Jahren rund 2,5 Millionen Menschen über die Balkanroute nach Mitteleuropa gelangten.
So wurden in Bosnien im ersten Jahresquartal 3.805 illegale Immigranten registriert, Tendenz steigend: Allein in der letzten Märzwoche wurden 482 Neuankömmlinge vermeldet.

Ein in den sozialen Netzwerken kursierendes Gerücht über die angeblich bevorstehende Öffnung der mazedonischen Grenze soll am Wochenende der Auslöser der Flüchtlingskrawalle in Griechenland gewesen sein. Wegen des vermehrten Andrangs im nordgriechischen Lager Diavata haben die Nachbarstaaten Nordmazedonien und Bulgarien die verstärkte Überwachung der Grenzen ankündigt.

Bosnische Medien werfen derweil den Sicherheitsdiensten in Montenegro und Serbien vor, Schlepper und deren Kunden gezielt auf schlecht überwachte Abschnitte von Bosniens Grenze umzuleiten, um die ungewollten Immigranten möglich schnell dem Nachbarland aufzuhalsen.

Vor allem Bosniens westlichster Kanton Una-Sana ist von dem Andrang der Transitmigranten völlig überfordert. Die provisorischen Aufnahmelager in den Grenzstädten Bihac und Velika Kladusa sind hoffnungslos überfüllt.

Versuche, die Flüchtlinge auf andere Landesteile zu verteilen, zeigen bisher keinen Erfolg: Auch wegen der geringen Entfernung zur slowenischen Schengengrenze suchen Migranten immer wieder den tief nach Kroatien reichenden Nordwestzipfel des Vielvölkerstaats als erhofftes Sprungbrett in den Westen auf.

Kroatiens Grenzpolizei sieht sich wiederum dem Vorwurf von Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International ausgesetzt, aufgefasste Grenzgänger nicht nur illegal über die grüne Grenze nach Bosnien „abzudrängen“, sondern auch gewalttätig zurück zu prügeln.
Eine „gesamteuropäische Lösung“ fordert Bosniens Sicherheitsminister Mektic: Die Mehrheit der ins Land gelangenden Migranten seien schließlich über EU-Staaten eingereis – und wollten in EU-Staaten gelangen.