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Luxemburgs Umweltministerin Dieschbourg nach dem Klima-Krimi von Kattowitz: „Wir müssen weiterkämpfen“

Luxemburgs Umweltministerin Dieschbourg nach dem Klima-Krimi von Kattowitz: „Wir müssen weiterkämpfen“

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Mit großer Verzögerung konnte am späten Samstagabend die UNO-Klimakonferenz COP24 im südpolnischen Kattowitz doch noch erfolgreich abgeschlossen werden. Nach dreijähriger Vorarbeit wurde dabei ein bindendes Regelwerk für die Pariser Klimabeschlüsse verabschiedet.

Im Gespräch mit Armand Back zieht die luxemburgische Umweltministerin Carole Dieschbourg allerdings eine eher gemischte Bilanz.

Kattowice

Tageblatt: Wie lautet Ihre Bilanz zu Kattowitz?
Carole Dieschbourg: Es waren schwierige Verhandlungen. Wir haben ein anderes politisches Umfeld als noch zu Zeiten des Pariser Abkommens. Wir haben keine USA mehr, die mit uns zusammen für den Klimaschutz kämpfen. Auch auf Expertenebene waren die Gespräche schwieriger. Amerika, Brasilien und Saudi-Arabien haben bereits im Vorfeld Probleme gemacht. Aber Polen, zusammen mit dem Sekretariat, hat offensichtlich einen guten Job gemacht. Sonst wäre es nicht zu dieser Einigung gekommen.

Werten Sie das Abkommen demnach als Erfolg?
Ja, weil wir es geschafft haben, dass sich 197 Partner einstimmig dafür entschließen. Und wir haben ein gutes Regelbuch erstellt. Gut in dem Sinne, dass die Regeln transparent sind und alle Bereiche des Pariser Abkommens abdecken. Womit wir unzufrieden sind, ist die eher geringe Ambition, die das Abkommen vermittelt. Ich selber sehe es aber so, dass, wenn das Regelbuch stimmt, es an uns ist, mit der Zeit mehr Dynamik einfließen zu lassen. Und dass wir nun regelmäßig quasi eine Inventur durchführen, wer was macht, ist ebenfalls positiv. In Zukunft wird keiner kommen wollen und sich bloßstellen, wenn er nichts erreicht hat. Was wir jetzt brauchen, sind verantwortungsvolle Politiker, die dafür sorgen, dass es vorwärts geht – wir müssen weiterkämpfen.

Die Bestimmungen für den Emissionshandel wurden ausgeklammert. Wieso?
Wir haben als Europäer – die ja darin bereits eine gewisse Erfahrung haben – gespürt, dass das Ergebnis nicht gut sein würde. Brasilien hat stark dagegen gearbeitet. Wäre das System so angenommen worden, wäre es möglich gewesen, dass diese Märkte nicht funktioniert hätten. Um zu etwas Besserem zu kommen als dem, was wir jetzt auf die Schnelle erreicht hätten, brauchen wir Zeit.

Was bedeutet das Regelbuch für Luxemburg?
An sich wird ein Umsetzen des Abkommens für uns vor allem zu einer Weiterführung unserer Politik führen. Wir wissen, dass der Klimawandel ein großes Risiko bedeutet. Sowohl für die Menschen als auch für die Wirtschaft. In Europa haben wir bereits Klimapolitiken. Kattowitz hilft, das weltweit zu machen. Es ist ein Schub für den Klimaschutz – dass überall auf der Welt geschaut wird, wie wir unsere Systeme klimafreundlicher gestalten.

Wissenschaftler sagen massive Gefahren voraus. Müsste das Umdenken nicht noch umfassender sein?
Die Wissenschaftler sind in ihren Aussagen glasklar: Wenn wir die Ziele erreichen wollen, müssen wir schnell handeln und viel tiefgreifendere Änderungen durchführen. Aber das ist machbar. In den vergangenen Jahren haben wir im Klimaschutz bereits viel erreicht. Und bedenkt man, dass das Verhandlungen unter 197 Partnern waren, wo wir uns zeitgleich in verschiedenen Politikfeldern nicht einmal in Europa einigen können, dann ist das schon ein Erfolg. Dieses Ergebnis ist ein starkes Zeichen für den Multilateralismus – dass es möglich ist, sich in schwierigen politischen Zeiten doch zu einigen. Noch vor einer Woche hätte ich nicht gedacht, dass wir das schaffen. Der Widerstand war wirklich groß. Natürlich ist es nicht optimal und natürlich ist es ein Kompromiss, aber das Regelwerk stimmt und ist stark genug. Das finden sogar viele Nichtregierungsorganisationen, die ja meist kritischer sind.


Brasilien konnte einen Rahmenvertrag letztendlich nicht verhindern

Einzig Indien machte während des Abschlussplenums einen Teilvorbehalt geltend, betonte aber auch, es wolle sich zum Wohl aller hinter die von der polnischen Gipfelpräsidentschaft ausgehandelte Paketlösung stellen. Erleichterter, minutenlanger stehender Applaus einer Mehrheit der Repräsentanten aus 196 Ländern war die Folge. Alle Teilnehmer müssten etwas weggeben, um etwas zu gewinnen, hatte Gipfelpräsident Michal Kurtyka, Polens sprachgewandter, aus dem Energieministerium entliehener Vize-Umweltminister, am Samstag, über einen Tag nach dem angepeilten Gipfelende, gefordert.

Ein klares Regelbuch

Den ganzen Tag über musste das Abschlussplenum immer wieder verschoben werden. Mit seiner konzilianten Art, eigentlich keine Stärke der polnischen Regierungsmannschaft, schaffte es Kurtyka in den entscheidenden letzten Verhandlungsphasen allerdings, Brücken zu bauen, wo viele Diplomaten in Korridorgesprächen kaum noch überwindbare Abgründe sahen.

Lesen Sie zum Thema auch unseren Leitartikel.

Damit ist das Pariser Abkommen von 2015 nun durch ein klares Regelbuch ergänzt. Es gibt gemeinsame Regeln für alle Staaten, wie sich diese künftig beim Klimaschutz vergleichen und ihn messen. Auch ist der finanzielle Beitrag der Industrienationen an die Entwicklungsländer bei der Anpassung an den Klimawandel grundsätzlich festgelegt. Ab 2020 sollen dafür jährlich 100 Milliarden Dollar bereitgestellt werden.

Vor allem Vertreter kleinerer Staaten waren zu dem Zeitpunkt bereits abgereist. Viele der entlegenen Konferenzzelte wurden schon in der Nacht zum Samstag wieder abgebaut. Das COP24-Konferenzzentrum rund um den Ufo-förmigen Spodek, das Wahrzeichen von Kattowitz, befand sich scheinbar in Auflösung. Einzig die massive Polizeipräsenz schien bei bitteren Minustemperaturen und beißendem Smog noch intakt.

Der größte Knackpunkt am Samstag war der Widerstand Brasiliens, das über 24 Stunden lang versuchte, die Bestimmungen für den Emissionshandel aufzuweichen. Dabei geht es um die sogenannten «Clean Development Mechanism»-Projekte, die es Industrieländern ermöglichen, ihre Klimabilanz durch die Finanzierung von Projekten wie Aufforstung oder Windkraftanlagen in Entwicklungsländern zu verbessern. Dabei könnte es zu Doppelzählungen kommen, weil es im Pariser Klimaabkommen keinen Mechanismus gibt, um zu verhindern, dass sowohl das zahlende Industrieland als auch das durchführende Entwicklungsland sich die Klimaschutzmaßnahme anrechnen lassen.

«Endlich zur Aktion schreiten»

Der Emissionshandel war zwar im Laufe der COP24 bereits von der Abschlussvereinbarung
ausgegliedert worden. Darüber soll erst wieder nächstes Jahr in Chile weiterverhandelt werden. Dennoch beharrte Brasilien, vermutlich auch aus innenpolitischen Gründen, in Kattowitz auf seiner Position, die Doppelzählungen künftig möglich gemacht hätten. Umweltorganisationen äußerten sich kritisch über den COP24-Rahmenvertrag. Das Ergebnis dieser Weltklimakonferenz sei «ein guter Schritt in die richtige Richtung», aber leider zu wenig ambitioniert, weil ein global verbindlicher Rahmen zur Nachbesserung der nationalen Klimaschutzpläne fehle, kommentierte Greenpeace-Klimaexperte Adam Pawloff im Gespräch.

Das enttäusche nach all den Klimaextremen des noch laufenden Jahres. «Ein Regelwerk ist nun da, doch müssen wir endlich auch zur Aktion schreiten», mahnte der Umweltaktivist.
Die polnische COP24-Präsidentschaft habe es im Gegensatz zu den Franzosen vor drei Jahren verpasst, schon im Vorfeld aktiv möglichst viele Staaten für Lösungen in ein gemeinsames Boot zu holen, kritisierte im Gespräch der indische Umweltschützer Harjeet Singh. «Alles konzentrierte sich bei den Polen auf den Gipfel in Kattowitz, das ist zu wenig», monierte Singh.