NATO droht nach Aus für INF-Vertrag Zerreißprobe um Aufrüstung

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Droht ein neues Wettrüsten in Europa? Nach dem US-Ausstieg aus einem der wichtigsten Abrüstungsverträge versucht der NATO-Generalsekretär, die Angst vor neuen Atomwaffen in Europa zu dämpfen. Doch seine Aussagen könnten eine sehr begrenzte Haltbarkeit haben.

Wer im ZDF das Interview mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg verfolgte, konnte versucht sein, etwas aufzuatmen. «Wir haben nicht die Absicht, neue landgestützte nukleare Waffensysteme in Europa zu stationieren», erklärte Stoltenberg da am Freitagabend – kurz nachdem die USA einen der wichtigsten Abrüstungsverträge mit Russland aufgekündigt hatten. Die NATO müsse nicht notwendigerweise das spiegeln, was Russland tue. Man werde «verantwortungsbewusst» antworten.

Also kein neues Wettrüsten? Keine neuen Nuklearwaffen in Europa? Was Stoltenberg nicht sagte, ist, dass sich an der Situation schnell etwas ändern könnte. Wenn er erklärt, dass die NATO nicht beabsichtige, neue Waffensysteme in Europa zu stationieren, heißt dies nämlich nur, dass es bislang keinen einstimmigen Beschluss der 29 Mitgliedstaaten gibt, in diese Richtung zu planen.

Aufrüstungssommer

Spätestens im Sommer, wenn der INF-Vertrag zum Verzicht auf landgestützte atomare Mittelstreckenwaffen nach Ablauf der sechsmonatigen Kündigungsfrist endgültig Geschichte ist, dürfte die Aufrüstungsdiskussion richtig losgehen. Russland kündigte bereits am Wochenende an, mit dem Start von Arbeiten an neuen, landgestützten Hyperschall-Mittelstreckenraketen auf die US-Entscheidung zu reagieren. «Die amerikanischen Partner haben die Aussetzung ihrer Teilnahme an dem Vertrag erklärt, und wir setzen ihn ebenfalls aus», sagt Präsident Wladimir Putin am Samstag.

Der NATO droht damit eine neue Zerreißprobe. Während Länder wie Deutschland und Luxemburg eine atomare Nachrüstung in Reaktion auf mutmaßliche Vertragsverstöße Russlands vehement ablehnen, äußern sich andere bereits offen. So machte der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz deutlich, dass sein Land im Zweifelsfall bereit wäre, zur Abschreckung Russlands neue amerikanische Mittelstreckenwaffen auf seinem Gebiet zu stationieren. «Es liegt in unserem europäischen Interesse, dass amerikanische Truppen und Atomraketen auf dem Kontinent stationiert sind», sagte er dem Spiegel. Russland verstehe nur die Sprache der Stärke.

Auch Experten warnen davor, die Entwicklung landgestützter nuklearer Mittelstreckenwaffen und ihre Stationierung in Europa von vornherein auszuschließen. «Nur auf diplomatische Bemühungen zu setzen und bestimmte militärische Gegenmaßnahmen von vornherein auszuschließen, schwächt Europas Verteidigung und erhöht die Optionen Russlands», schreibt der frühere beigeordnete NATO-Generalsekretär Heinrich Brauß.

Umstrittene Entscheidung der USA

Strategisches Ziel des neuen russischen Waffensystems sei es auch, die politische Entscheidungsfähigkeit, die Entschlossenheit und den Verteidigungswillen der europäischen Verbündeten im Krisen- und Verteidigungsfall zu lähmen. Weil die Raketen vom Typ SSC-8 in der Lage seien, in fast ganz Europa Hauptstädte und kritische zivile und militärische Infrastruktur mit geringer oder ohne Vorwarnzeit treffen zu können, könnten sie im Konfliktfall die Handlungsfreiheit der NATO erheblich einschränken.

Hinzu kommt, dass das neue System die NATO in zwei Sicherheitszonen teilt, da die russischen Raketen nur Europa und nicht die Vereinigten Staaten erreichen können. Dies birgt nach Einschätzung von Brauß und Mölling die Gefahr, dass die USA bei einem Konflikt in Europa versucht sein könnten, nicht alle militärischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Bündnispartner zu verteidigen.

Ob der Weg, den die USA jetzt gehen, der richtige ist, ist allerdings umstritten – auch wenn man sich im Westen weitgehend einig ist, dass Russland mit der Entwicklung der SSC-8 die Hauptschuld an der derzeitigen Situation trägt. «Der Verlust des Vertrages schafft eine echte Möglichkeit eines unvorhersehbaren und ungezügelten russisch-amerikanischen Wettrüstens in Europa und potenziell auch im Nordosten Asiens», kommentiert Alexander Vershbow, ein früherer US-Botschafter in Moskau und stellvertretender NATO-Generalsekretär, für den Thinktank «Atlantic Council». Der frühere US-Außenminister Colin Powell hatte schon im Dezember von einem «fürchterlichen Fehler» gesprochen, den man bereuen werde.

Zieht Europa beim Run auf die Waffen mit?

Gibt es einen Weg, die Sicherheit in Europa ohne atomare Aufrüstung zu garantieren? Deutsche Politiker forderten Moskau beispielsweise auf, seine neuen Marschflugkörper vom Typ SSC-8 (russische Bezeichnung 9M729) so weit nach Osten zu verlegen, dass sie Europa nicht mehr erreichen können, wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) berichtete. Im Gegenzug sollten dann von Russland kritisierte US-Raketenabschussanlagen in Europa für russische Kontrollen geöffnet werden, schlugen Kiesewetter und Mützenich vor. Mit ihrem Vorschlag bezogen sie offensichtlich auch Spekulationen mit ein, dass neben den Russen auch den USA unterstellt wird, kein großes Interesse am INF-Vertrag zu haben, da dieser aufstrebende Militärmächte wie China oder Nordkorea nicht miteinbezieht.

Dass sich Russland und die USA auf einen solchen Vorschlag aus Europa einlassen, erscheint allerdings als äußerst unwahrscheinlich. So räumte Kiesewetter ein, dass dafür gewissermaßen neben jeder einzelnen russischen Waffe permanent ein Beobachter stehen müsste, weil sich diese per Bahn und Lkw unerkannt verlegen lassen. Zudem haben auch die USA genaue Kontrollen ihres nach offiziellen Angaben defensiv ausgerichteten Raketensystems in Rumänien bislang abgelehnt.

Als wahrscheinlicher erscheint stattdessen, dass die USA ihre europäischen Verbündeten dazu bewegen, bei der Aufrüstung gegen Russland mitzuziehen. Wenn sie dies nicht tun, müssen sie nämlich vielleicht sogar befürchten, dass US-Präsident Donald Trump Drohungen eines US-amerikanischen Rückzugs aus der NATO wahr macht, die er bereits im Streit über Verteidigungsausgaben gemacht hat. Nur so ist wohl auch zu erklären, dass alle Bündnispartner die US-Rückzugsentscheidung aus dem INF-Vertrag offiziell unterstützen.

Auf der anderen Seite des Atlantiks hatte es am Wochenende nicht den Anschein, als würde Donald Trump gerade die großen Probleme der Welt auf seinen Schultern tragen. Mit den Superstars Tiger Woods und Jack Nicklaus an seiner Seite gönnte sich der US-Präsident in Florida eine Runde seines Lieblingssports.

fluppes
3. Februar 2019 - 17.14

An de „normale Bierger“ muss einfach nees akzeptéiere, wat esou wichteg a gescheit Leit a sengem Numm decidéieren? Vive d’Demokratie an d‘Oprüstung. (Hu mir soss keng Problemer op der Welt?)