Nähmaschinen, Leder und Tinkturen: Der boxende Schuster aus Bereldingen

Nähmaschinen, Leder und Tinkturen: Der boxende Schuster aus Bereldingen

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Luciano Maffei hat sich hochgearbeitet: Nach mehreren Jobs in Schuhgeschäften, der Gemeindeverwaltung und der Eröffnung seines ersten eigenen Schuhladens besitzt er mit der «Cordonnerie ML» in Bereldingen nun sein zweites Geschäft samt Atelier, in dem er Schuhe repariert und selbst herstellt.

Von Misch Pautsch

«Warum ich immer schon Schuhmacher werden wollte? Warum wollen Leute Schreiner oder Juwelier werden? Ich weiß nur, dass ich mit zehn Jahren in einer Schusterei meiner Mutter sagte: ’Ich bleibe hier, ich will diesen Beruf machen!‘ Das steckt einfach in dir. Ich habe in meinem Leben viele Leute wenig Arbeit verrichten sehen, sowohl unten als auch oben auf der Karriereleiter. Das ist eine Arbeitsphilosophie, die ich nicht teile und die in meinen Augen von einem Mangel an Savoir-vivre zeugt.»

Alltägliche und obskure Werkzeuge

In derart verkrusteten Systemen sei es schwierig, frische Ideen einzubringen. Also hat der ehemalige Boxer entschieden, seines eigenen Glückes Schmied zu sein. «In meinem Sport habe ich Disziplin und Respekt gelernt.» Auf diese Werte baut bis heute auch mein Geschäft auf. Klassische Möbel definieren das Ambiente, restaurierte und selbst hergestellte Schuhe, gerahmte Fotos und scheinbar antike Schuhlöffel setzen Akzente, die einen nicht vergessen lassen, wo man sich hier befindet: in einer klassischen Schusterei.

Weiter hinten: die Domäne des Handwerkers. Maffeis Atelier ist ein Charakter an und für sich, getränkt in Farben, übersät mit einigen alltäglichen und vielen obskuren Werkzeugen. Das einzig logische Gegenstück zum perfekt präsentierten Ladenbereich. Hier lebt das Genie zwischen beschilderten Schuhen, Nähmaschinen und experimentellen Tinkturen. Diesen Bereich der Vintage-Ästhetik des Ladens anzupassen, sei das nächste Projekt, teilt Maffei uns mit.

Aus alten Schuhen werden hier neue, aus schwarzem Leder hellblaues, grünes, rotes. Wie das geht, wird uns nicht verraten: «Das ist mein Geheimnis. Schuhe in solchen Farben herstellen dauert nicht selten einen Monat. Solche Behandlungen haben natürlich auch ihren Preis. Den Schuhen, die ich hier bearbeite, wird neues Leben eingehaucht. Und mit der richtigen Pflege kann jedes Paar Schuhe gerne 20 Jahre benutzt werden.»

Korrekte Pflege für die Schuhe

Korrekte Pflege bedeutet, sich für alle Schuhe, teuer oder nicht, eine gewisse Routine anzugewöhnen: Die Schuhe möglichst zwischen dem Tragen einen Tag ruhen lassen, nach dem Putzen hochwertige Schuhcreme und -Wichse sowie einen naturbelassenen Zedernholz-Schuhspanner benutzen.

Wenn dann doch etwas wackelt, sich löst oder zerkratzt ist: zum Schuhmacher gehen. Auch ein auf den ersten Blick völlig ausgelatschtes Paar ist fast immer zu retten. «Wir sind zu arm, um billige Schuhe zu kaufen. Oder eher: schlechte Schuhe. Denn Preis und Qualität gehen nicht Hand in Hand. Ein Paar Turnschuhe von Dior kostet 800 Euro, obwohl es massenproduziert wurde. Würde ich den Leuten solche Schuhe empfehlen? Nein, sicher nicht. Selbst habe ich gerne 20 Paar Adidas-Turnschuhe zu Hause», lacht Maffei. Diese bringt er dann selbst regelmäßig auf Vordermann.

Besonders auf die Materialien soll man beim Einkauf achten: Plastik vermeiden, Leder ist immer vorzuziehen. Die Schuhe sollten möglichst nicht nur geklebt, sondern tatsächlich genäht sein. Leider ist es nicht immer einfach, Qualität zu erkennen, auf Markennamen darf man sich auch nicht blind verlassen.

Boxen mit den Jungs aus der Gegend

Für die Luxusschuhe, denen – neben den normal bepreisten Modellen – hier ein neues Leben gegeben wird, sind viele Leute wohl dennoch bereit, horrende Summen auszugeben. «Meine Kunden lassen mir Schuhe hier, die teilweise gut und gerne 4.000 Euro kosten. Als Handwerker wird einem viel Vertrauen entgegengebracht. Während ich nicht behaupten kann, dass ich keine Fehler mache, kann ich sagen, dass ich immer ehrlich mit den Leuten bin. Und wenn man jahrelang Qualität abliefert und gute Beratung bietet, lernen die Leute, einem zu vertrauen. Entweder man liebt seine Arbeit, oder man macht sie nicht.»

Noch weiter hinten im Laden, den Kunden verborgen, hängt ein Andenken an vergangene Tage: «An diesem Sandsack trainiere ich ab und an die Jungs aus der Gegend.» Selbst boxt Maffei nicht mehr, aber die Disziplin, die der Sport ihm wortwörtlich mit Fäusten eingedroschen hat, ist bis heute eine treibende Kraft in seinem Leben. Während des etwa einstündigen Gesprächs hat der Schuhmacher sieben Kunden beraten, ein «ruhiger Tag». Qualität scheint immer noch Kundschaft zu finden.