Merkel lässt sich nicht grillen – und erstickt bei Fragerunde jeden Ansatz von Provokation

Merkel lässt sich nicht grillen – und erstickt bei Fragerunde jeden Ansatz von Provokation
Foto: DPA

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Als „Kanzlerin auf dem Grill“ wird ja oft die Fragestunde tituliert, der sich Angela Merkel drei Mal im Jahr im Bundestag stellen muss. Keine Themenvorgabe, Fragen und Antworten im Minutentakt. Große Erwartungen waren mit dieser parlamentarischen Neuerung verbunden. Doch am Mittwoch zeigte sich: Der Grill ist nur lauwarm. Und dieses spezielle Grillgut ist sowieso Hitze abweisend.

Von unserem Korrespondenten Werner Kolhoff, Berlin

Das liegt zum einen daran, dass Merkel auf Provokationen praktisch nie eingeht. Der AfD-Abgeordnete Tobias Peterka probiert es gleich als Erster bei seiner Frage, ob die Urheberrechtsreform noch verhindert werden könne. Schließlich habe Merkel bei der Flüchtlingskrise ja auch gesagt „Wir schaffen das“. Die Kanzlerin im blauen Blazer blickt den Fragesteller an wie einen Bus, der nicht losfährt: „War Ihre Frage jetzt zu Ende, ja?“ Dann erklärte sie ruhig, warum sie das Gesetz richtig findet.

Gottfried Curio, ebenfalls AfD, versucht es später weit schärfer, als er über „gewaltsame Durchbrüche“ von Flüchtlingen auf der Balkanroute berichtet und wissen will, ob Merkel diesmal wie 2015 erneut verhindern wolle, die deutsche Grenze zu sichern. Die Kanzlerin geht auf den Vorwurf mit keinem Wort ein, sondern betont, dass „die Grenzsicherung im Wesentlichen an den Außengrenzen stattzufinden hat“.

Bei der AfD fehlen die Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Alexander Gauland, nach offizieller Auskunft der Pressestelle wegen „Vortrags- und Wahlkampfterminen“. Die freilich während Plenarsitzungen sehr unüblich wären. Alle anderen Parteien sind wenigstens mit Teilen ihrer Spitzen vertreten; das Kabinett allerdings auch nur mit Staatssekretären. Der Bundestag ist insgesamt nur ein Viertel gefüllt. Auf Ungewöhnliches deutet nichts hin. Außer vielleicht, dass man sehen kann, wie umständlich Merkel das Tischmikrofon herauszieht. Sie ist nicht mehr gewöhnt, nicht am großen Rednerpult zu stehen.

Auch auf feinere Spitzen geht die Kanzlerin nicht ein. So will der FDP-Abgeordnete Michael Theurer wissen, wann sie denn Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) „das vollste Vertrauen“ aussprechen werde. Bekanntlich war diese Formulierung schon mehrfach so etwas wie ein Todeskuss für angeschlagene Regierungsmitglieder. Merkel antwortet auf die Frage erst gar nicht, sondern nutzt die Gelegenheit zu einem Kurzreferat in 60 Sekunden über die von Altmaier postulierte Notwendigkeit, gegen die chinesische Konkurrenz europäische industrielle „Champions“ zu bilden.

Merkel ganz souverän

Dass ihr eigener Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) dagegen ins Feld geführt hat, der Mittelstand sei viel wichtiger, sei kein Widerspruch, sagt Merkel. Der Mittelstand sei zwar das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, doch das werde auch nicht funktionieren, wenn es nicht ein paar große Player gebe.

Auch mehrere Versuche, anhand von Zitaten Widersprüche zwischen ihr und der neuen CDU-Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer zu markieren, lässt die Regierungschefin abprallen. „Ich habe mich auch schon ganz ähnlich geäußert“, sagt sie dazu jedes Mal.

Was an Kritik bleibt, erstickt die Kanzlerin mit Details. Ob bei den Löhnen für Paketzusteller („Wir sollten nicht als einzigen Ansatz immer die Nachunternehmerhaftung nehmen“), bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen, der Grundsteuer oder der Mietenpolitik – dass Merkel keine Ahnung von den Themen hätte, wird nach dieser Stunde keiner behaupten. Am ausführlichsten sind ihre Antworten zum Klimaschutz; FDP-Chef Christian Lindner fragt nach „marktwirtschaftlichen Instrumenten“. Und siehe da, die Kanzlerin kann sich neuerdings eine CO2-Bepreisung vorstellen, lässt sie wissen. Man werde alle Wege prüfen, das Ergebnis sei offen. Nicht offen, sondern entschieden sei aber das Ziel, bekräftigt Merkel: „Wir verpflichten uns, die Klimaschutzziele für 2030 vollumfänglich einzuhalten.“ Ein Satz wie gemeißelt.

Schon eine Viertelstunde vor Schluss recherchiert ungefähr die Hälfte der Abgeordneten auf ihren Handys, ob es irgendwo auf der Welt etwas Interessanteres gibt. Die Fragestunde plätschert dahin. Merkel dürfte als einzige Anstrengung an diesen Mittwochmittag in Erinnerung behalten, dass sie eine Stunde lang stehen muss. Da aber unmittelbar danach Sitzen in Brüssel angesagt war, findet sie das wahrscheinlich sogar ganz nützlich.

Jacques Zeyen
11. April 2019 - 15.15

" Nur zusammen geht es." " Wir müssen gemeinsam eine Lösung finden." usw. Seit Merkel Kanzlerin ist hat sie noch nicht einmal eine klare Stellung bezogen in der sie sich festlegen musste. Atomkraft JA,Nein,Ja,Nein. Autobahngebühr: Nein,ja,nein,ja. Mindestlohn?; Nein,ja. Die Liste ist endlos. Sie schläfert die Leute ein weil sie auf keine Frage eine Antwort gibt. Das ist Politik vom Feinsten.Reden ohne etwas zu sagen. Da war der Dicke doch eine andere Nummer. Luft kann man nicht grillen.