„Mehr als Erinnerungsort“ – Robert L. Philippart über das Luxemburger Hotel Alfa

„Mehr als Erinnerungsort“ – Robert L. Philippart über das Luxemburger Hotel Alfa

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Das geschichtsträchtige Hotel Alfa am Bahnhofsplatz steht zum Verkauf. Wir haben uns in dem Zusammenhang mit dem promovierten Historiker Robert L. Philippart unterhalten, der bestens mit der Bau- und Entwicklungsgeschichte der Stadt Luxemburg vertraut ist.

Tageblatt: Was darf mit dem Hotel Alfa geschehen?
Robert Philippart: Bereits 1991 wurde das Hotel Alfa als nationales Denkmal geschützt. Das bedeutet nicht, dass das Gebäude nicht renoviert werden kann. Als die Groupe Accor das Hotel 1998 übernahm, wurde es den Ansprüchen der Kunden angepasst. Sogar ein Flügel in gleichem Stil, wenn auch mit sichtbaren Unterschieden an der Fassade, wurde dem Bau linksseitig hinzugefügt. Die Ausführungen der Bauarbeiten wurden von der nationalen Denkmalbehörde begleitet. Auch der «plan d’aménagement général de la Ville de Luxembourg» schreibt die Art der Nutzung des Areals vor. Beides zusammen garantiert dem Investor die Entwicklung seines Wirtschaftsprojekts bei gleichzeitiger Beachtung der bestehenden Bausubstanz.

Weshalb wurde der Bau geschützt?
Die Fassade des Alfa ist in der Form in Luxemburg einzigartig. Die Art-déco-Formensprache im Zickzack-Stil gibt es nur hier. Zickzack-Ornamente gibt es zwar noch weitere in Luxemburg-Stadt und in Esch, doch nie in der Monumentalität und Qualität der Verzierungen am Alfa. Im Innenbereich sind die Kunstwerke von Julien Lefèvre hervorzuheben. Sie tragen zum Gesamtkunstwerk bei. In diesem Haus wurde auch Luxemburger Geschichte geschrieben. Das Hotel Alfa ist mehr als Erinnerungsort vergangener Generationen.

Was war damals neu bei der Eröffnung des Alfa?
Architekt Gustav Schopen hatte die ersten Pläne zum Bau des Hotel-Palastes entworfen. Schopen hatte sich in Esch und in Luxemburg einen Namen gemacht. Doch starb der 40-jährige Architekt unerwartet bei der Ausarbeitung der Pläne zum Hotel Alfa im Jahre 1931.

Wie ging es dann weiter?
Architekt Léon Bouvart übernahm das Projekt. Auch er war in Luxemburg kein Unbekannter, hatte er doch zu Beginn der 20er Jahre Pläne zum Bau von Ausstellungshallen auf Limpertsberg vorgestellt. Zu seinen meist bekannten Bauten gehören das «Victory House», das «Palais du mobilier» und die Tabakfabrik F. & M. Cahen. Bauherr und Bauunternehmer war Alfred Lefèvre. Sein Sohn Julien entwarf die Bilddarstellungen der Moselregion, des Gutlands, der Ardennen und der Minette. Sie zierten die Brasserie im Erdgeschoss und vermittelten den Gästen die Einzigartigkeit Luxemburgs.

Wie ging der Bau bzw. die Eröffnung dieses Hauses über die Bühne?
Der Bau wurde etappenweise in Angriff genommen. Zuerst wurde die Brasserie im Januar 1932 eröffnet, dann folgte der zum Hotel gehörende Friseursalon in der angrenzenden Passage, schließlich dann die Einweihung des damals größten Hotelbetriebs der Hauptstadt.

Wie war es um die Ausstattung bestellt?
Das Haus bot 200 Zimmer, davon war die Hälfte mit Privatbädern ausgestattet. Appartements, Salons, die für Empfänge oder Ausstellungen genutzt werden konnten, sowie Privatbüros standen den Gästen damals zur Verfügung. Treffen konnte man sich ebenfalls in der Hausbar. 100 Parkplätze im Hof konnten von den mit Privatwagen anreisenden Kunden genutzt werden. Die Einrichtung war beeindruckend modern: Helle Farben, ebene Flächen, schlichte und elegante Formen, lackierte Möbel ohne jegliche Verzierung und Stahlrohrstühle kennzeichneten das sehr modernistische Interieur. Das «Musée national d’histoire et d’art» konnte einige wertvolle Objekte aus dieser Zeit in seine Sammlungen aufnehmen. Die Einrichtung war auf eine tadellose hygienische Nutzung ausgerichtet.

Der Bau war damals also sozusagen richtungsweisend für die Hotelbranche hierzulande, oder?
Und ob. Die Eröffnung des Alfa-Hotels brachte nämlich richtig Bewegung in die Hotelszene. Cravat, Gevelinger (ehemals Schintgen, heute Simoncini) und Kons rüsteten mit modernistischen Hotelneubauten nach.

Gab es bereits vor dem Bau des Alfa an dieser Stelle ein Hotel?
Das Alfa nahm die ehemaligen Parzellen des Café-Restaurant-Estaminet Chalet Dallée und des Tabakgeschäfts Giberius ein. Das Chalet Dallée empfing seit 1862, also bereits zu Festungszeiten, Gäste. Da sich das Unternehmen im Bereich der Festungsanlage befand, musste das Chalet in Holzbauweise errichtet werden, um im Falle einer Belagerung schnellstens abgetragen werden zu können. Da das Postamt am Bahnhof im Bahnhofgebäude eingerichtet war, fungierte das Chalet Dallée 1865 als «Buffet de la Gare». Das Chalet war recht groß und beherbergte ebenfalls mehrere Ställe fürs Vieh, das von den Kunden vor Ort versteigert wurde. Vor dem Chalet gab es einen eleganten Brunnen mit Fontäne und Blumenarrangements.

Und die Straßenbahn zirkulierte ebenfalls dort, oder?
Ja, die Straßenbahn fuhr seit 1875 am Hotel vorbei. Die Ställe fürs Vieh befanden sich bis 1908 in der Nähe des Hotel International. Größere Teile des Vorgartens gingen durch Enteignung 1897 an den Staat, als das Gesetz zum Bau der Eisenbahnlinie Luxemburg-Echternach gutgeheißen wurde. Der Bahnhofsplatz wurde nun nach Westen erweitert, die Einmündung der avenue de la Liberté musste geschaffen werden. Das Chalet Dallée und das Tabakgeschäft Giberius wurden erst 1930 abgerissen. Sie standen bereits einige Jahre leer und vermittelten Besuchern und Einwohnern einen schäbigen Eindruck am Stadteingang. Erst 1998 erlaubte es die Erweiterung des Hotels, die Baulücke zu schließen, die der Brand des benachbarten «Café de la Gare» 1957 hinterlassen hatte.

Welche Rolle spiele das Alfa in Luxemburgs Geschichte?
In den 30er Jahren und der direkten Nachkriegszeit wurde das Hotel Alfa im ganzen Land für die Qualität der gebotenen Jazz- und Varieté-Ensembles geschätzt. Auch die Konzerte und Theateraufführungen für Kinder waren äußerst beliebt. Interessant ist, dass die Geschäftspassage des Hotels ebenfalls als Platz für öffentliche Möbel-Versteigerungen genutzt wurde. Am 25. Dezember 1944 feierten die amerikanischen Generäle George S. Patton, Omar Bradley und Dwight D. Eisenhower, der künftige Präsident der Vereinigten Staaten, ihr «Christmas Dinner» im Hotel Alfa, während in den Ardennen die Rundstedt-Offensive tobte. Dort wurden strategische Pläne zur Befreiung Luxemburgs geschmiedet. Auch in den Nachkriegsjahren war das Hotel Alfa ein mondäner Treffpunkt für Konzert, Tanz, Bridgenachmittage und Versammlungen von Vereinen jeglicher Art.

Ist das Hotel eigentlich noch authentisch bzw. wie wurde sein ursprünglicher Charakter über die Jahre bewahrt?
Die Eröffnung neuer Häuser durch große Hotelketten auf Kirchberg und am Flughafen stellte eine Herausforderung für das inzwischen in die Jahre gekommene Hotel dar. Das Unternehmen wurde verkauft und der Bau im Jahr 1973 einer tiefgreifenden Umstrukturierung unterzogen. Architekt Pierre Bohler, der 1979 den Bau des «Klenge Kueb» entwarf, plante den Umbau des Hotels. Die auf sechs Stockwerke verteilten Zimmer wurden renoviert und mit neuen Sanitäranlagen ausgestattet. Das Restaurant wurde auf die Beletage verlegt, um Geschäftsreisenden einen gediegenen sowie diskreten Rahmen zu bieten. Luxemburg wurde damals mehr und mehr zum internationalen Bankenplatz. Im Erdgeschoss wurde ein Empfangssaal eingerichtet, der auch Ausstellungen aufnehmen konnte. Kein weiteres Hotel im Stadtzentrum konnte seinen Kunden 70 eigene Stellplätze bieten. Und der Shuttle-Dienst zum Flughafen war eine weitere wertvolle Dienstleistung.

Was passierte 1998 nach der Übernahme durch die Hotelgruppe Accor?
Es wurde eine komplette Renovierung durchgeführt und der Südflügel wurde hinzugefügt. Die «Brasserie Alfa» öffnete im Erdgeschoss und bot ihren Gästen «Pariser Flair». Eine damit verbundene Piano-Bar sorgte bis 2010 regelmäßig für Unterhaltung. Themenabende für Gourmets und Weinfreunde lockten die Kunden an. Aus einst 200 Zimmern waren inzwischen 141 geworden, verteilt auf sieben Stockwerken. Drei Luxussuiten standen ebenfalls zur Verfügung. Insgesamt 18 miteinander verbundene Doppelzimmer waren besonders für Familien geeignet. Bis zu seiner durch Insolvenz bedingten Schließung im März letzten Jahres waren dort 80 Angestellte tätig.

 

Zukunft nach wie vor offen

Die Zukunft des Hotel Alfa ist noch nicht gesichert. Entgegen der Meldung von Paperjam vom Dienstag letzter Woche ist es nicht so, dass die amerikanische Hotelkette Marriott International kurz davor steht, einen Kaufvertrag zu unterschreiben. Wie wir gestern aus gut unterrichteter Quelle erfuhren, hat Marriott International zwar Interesse bekundet und ist somit in der Tat einer von fünf Kaufinteressenten. Von einem Deal, so unsere Quelle weiter, kann aber noch längst nicht die Rede sein. Fakt ist, dass Marriott International bislang noch nicht in Luxemburg vertreten ist. Das amerikanische Hotelunternehmen mit Sitz im Bundesstaat Maryland betrieb im Jahr 2017 insgesamt 6.080 Hotels und Resorts mit 1.200.000 Hotelzimmern in 122 Ländern weltweit. Darunter zehn Hotels in Belgien, 19 in den Niederlanden, 51 in Frankreich und 89 im benachbarten Deutschland. Seit der Übernahme des Hotel- und Freizeitunternehmens Starwood Ende 2015 ist Marriott International mit einem Marktanteil von acht Prozent die größte Hotelkette der Welt. Fakt ist auch, dass das Hotel renoviert wird, nachdem es einen neuen Käufer gefunden hat, um so den aktuellen Ansprüchen in der Hotelbranche gerecht zu werden. Man kann davon ausgehen, dass diese Arbeiten zwei Jahre in Anspruch nehmen werden.

roger wohlfart
10. Oktober 2018 - 17.43

Ein herrliches , geschichtsträchtiges Hotel und Gebäude, im Vergleich mit dem links auf dem Foto zu sehenden unpersönlichen Billigbau. Hoffentlich bleibt das Hotel Alfa uns in seinem unverkennbaren Stil weiter erhalten. Schade auch um das Kino Eldorado mit seiner unverwechselbar modernen Architektur aus den 1950er Jahren. Übrigens eine hochinteressante Rubrik, dieser historische Rückblick auf die architektonische Vergangenheit unserer, inzwischen zu einem Grossteil in ihrer Bausubstanz verschandelten Hauptstadt. Wäre der "moderne " Mensch noch in der Lage, trotz sämtlicher Maschinen, Prachtbauten wie die Kathedrale, das Palais oder das Arbeitsgebäude zu erschaffen?