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Mangelhafter Mieterschutz in Luxemburg: Die „Commissions des loyers“ sind oft überfordert

Mangelhafter Mieterschutz in Luxemburg: Die „Commissions des loyers“ sind oft überfordert

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Laut Statec wohnten 2013 in Luxemburg 29 Prozent der Haushalte zur Miete. Mieterschutzvereine wie in anderen Ländern gibt es im Großherzogtum nicht. Diese Rolle übernehmen die kommunalen und kantonalen Mietkommissionen, die in der Regel über drei bis vier Mitglieder verfügen. Sie dienen jedoch lediglich als Vermittler und können sowohl von Mietern als auch von Vermietern befasst werden. Deshalb fordern immer mehr Beteiligte eine Reform des Mietgesetzes.

Die Familie Touré (Name von der Redaktion geändert) wohnt in einem 30 Quadratmeter großen Studio in Merl. Zu dritt teilen sie sich ein einziges Zimmer. Das Sofa dient den Eltern gleichzeitig als Bett, die 15-jährige Tochter schläft im Flur. Vor allem das Bad und die Küche sind in schlechtem Zustand. Die Farbe blättert von der Decke ab, der Abfluss in der Spüle und im Waschbecken ist verstopft. 840 Euro Miete hatte die Familie 2011 mit dem Vermieter vereinbart. Doch die Wohnung ist alt und schlecht isoliert. Im Wohnzimmer dringt Feuchtigkeit durch die Wand, das Fenster schließt seit einiger Zeit nicht mehr richtig. Rund 1.200 Euro an Heizkosten hat die Familie zwischen 2012 und 2015 jährlich verbraucht. So viel war in den Nebenkosten nicht vorgesehen. Der Vermieter hat die Monatsmiete vor zwei Jahren auf rund 1.100 Euro erhöht. Doch die Familie Touré hat nicht so viel Geld. Der Vater hat seine Festanstellung vor einigen Jahren verloren und arbeitet seitdem auf Leihbasis. Eine neue, kostengünstigere Wohnung zu finden, ist ohne festen Arbeitsvertrag fast unmöglich.

Kritik an der 5-Prozent-Regelung

Mieterschutzvereine gibt es in Luxemburg nicht. Der Konsumentenschutz bietet zwar Unterstützung für Mieter an, doch dafür muss man Mitglied sein. Um gegen die ihrer Ansicht nach ungerechtfertigte Mieterhöhung vorzugehen, hat die Familie Touré die Mietkommission der Stadt Luxemburg befasst. Nach eingehender Untersuchung der Wohnung und unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgeschriebenen Mietobergrenze kommt die Kommission in ihrem Gutachten zu dem Schluss, dass die berechtigte Miete für das Studio bei 469 Euro liegt. Der Anwalt des Vermieters reicht anschließend Klage vor dem Friedensgericht ein und bekommt recht. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass die Entscheidung der Mietkommission nicht begründet sei.

«Wir sind kein Gericht. Wir übernehmen lediglich eine Vermittlerrolle, um zu einer Übereinkunft zu gelangen. Was häufig aber nicht möglich ist, vor allem, wenn Anwälte im Spiel sind», erklärt Paul Schon, Sekretär der «Commission des loyers» der Stadt Luxemburg. Dort werde die Mietkommission mit durchschnittlich 15 Fällen pro Jahr befasst. Die meisten Anfragen kämen von Vermietern, die den Mietpreis erhöhen wollen.

Seit dem Gesetz von 2006 habe sich die Rolle der Mietkommission sehr zugunsten der Wohnungsbesitzer geändert, sagt Schon. Eine der Hauptursachen sei die gesetzliche Regelung, dass der Vermieter maximal 5 Prozent des investierten Kapitals als Jahresmiete verlangen darf. Bei den heutigen Immobilienpreisen mache diese Regelung keinen Sinn. Für eine Wohnung, die ein Investor für eine Million Euro kauft, kann er demnach bis zu 4.150 Euro Monatsmiete verlangen. Unter diesen Umständen könne die Mietkommission vielen Besitzern eine Mieterhöhung nicht verwehren, weil die Preise häufig noch unter dieser sogenannten «Obergrenze» liegen.

In der Gemeinde Differdingen wurde die Mietkommission im vergangenen Jahr mit sieben Anfragen befasst, wie Gemeinderat Gary Diederich (Foto, «déi Lénk») erzählt, der seit Ende 2017 Präsident der Kommission ist. In Differdingen nahmen 2018 nur Mieter die Dienste der Kommission in Anspruch. Die meisten von ihnen seien Kunden des «Office social». Das habe damit zu tun, dass das «Office social» in Differdingen die Leute darüber informiere, dass sie dieses Recht haben und ihnen vorgefertigte Infoblätter zur Verfügung stellt, auf denen die komplizierte Prozedur im Detail erklärt wird. Denn in dem Antrag, der per Einschreibebrief erfolgen muss, soll der Mieter auch schon einen Preis nennen, den er für die Wohnung zu zahlen bereit ist. Ansonsten könne das Friedensgericht die Entscheidung der Mietkommission wegen eines Prozedurfehlers annullieren.

Zu viele juristische Feinheiten

Überhaupt sei die Prozedur zu kompliziert, es gebe zu viele juristische Feinheiten, bemängelt Diederich. Insbesondere bei der Berechnung des investierten Kapitals für die 5-Prozent-Regelung können viele Faktoren wie Architekten- und Notarkosten sowie Beträge für Renovierung oder Umbau miteinbezogen werden. Für Immobilien, die älter als 15 Jahre sind, existiert ein Abschlagssystem. Zudem gibt es eine vom Ministerium im Zweijahresrhythmus aktualisierte Tabelle mit Koeffizienten, anhand derer Wohnungseigentümer den Mietpreis anheben dürfen.

Weil schon kleine Prozedurfehler zu einer Widerrufung der Entscheidungen der Mietkommission führen können, leisten sich vor allem Eigentümer einen Anwalt, um ihre Anliegen durchzusetzen. Diederich spricht von «Vermieteranwälten». Mieter haben oft nicht die finanziellen Möglichkeiten, auf diesen Weg zu gehen.

Obwohl Mieter in Luxemburg eigentlich gesetzlich gut geschützt seien, käme es immer wieder zu Ungerechtigkeiten und Konflikten, sagt Gary Diederich.

Laut dem Gesetz von 2006 muss jede Gemeinde mit mehr als 6.000 Einwohnern über eine eigene Mietkommission verfügen. Kleinere Gemeinden können sich an eine kantonale Kommission wenden. «Auf diese Weise haben wir vielleicht 40 bis 50 Kommissionen in Luxemburg. In jeder Kommission braucht es drei Mitglieder und einen Sekretär, die sich mit dieser komplexen Thematik auskennen. Der Sekretär ist meist ein Beamter, der diese Aufgabe unentgeltlich und zusätzlich zu seiner regulären Arbeit übernimmt», erklärt Diederich. Es sei nicht einfach, ausreichend qualifizierte und motivierte Personen zu finden.

Keine Sitzung der Escher Mietkommission letztes Jahr

In der Stadt Esch beispielsweise hat sich die Mietkommission im vergangenen Jahr nicht einmal zu einer Sitzung getroffen. Das ist umso verwunderlicher, da es in der «Minettemetropole» viele Menschen gibt, die in unwürdigen Zuständen leben. Ein Beispiel ist die Familie Mohamad (Name von der Redaktion geändert). Sie zahlt 800 Euro für 20 Quadratmeter Wohnfläche. Die Eltern und der 19-jährige Sohn teilen sich ein Hochbett, ansonsten verfügen sie über ein kleines Bad und eine winzige Küche.

In dem Haus in der rue de la Libération wurden auf zwei Stockwerken und im Dachgeschoss bis zu 16 Studios eingerichtet, die nun zu hohen Preisen an Einwanderer mit Sozialhilfe oder niedrigem Einkommen vermietet werden. Familie Mohamad hat noch nichts von einer Mietkommission gehört.

Der Präsident der Escher Kommission, der grüne Gemeinderat Luc Majerus, hatte trotz mehrmaliger Nachfrage aus beruflichen Gründen keine Zeit für ein Interview mit dem Tageblatt.

Das Ministerium analysiert noch

In der Gemeinderatssitzung vom 22. November 2018 hatte Majerus darauf hingewiesen, dass «seine» Kommission bislang nicht mit einer Angelegenheit befasst worden sei. «déi Lénk» hatte zuvor eine Motion eingereicht, in der sie den Schöffenrat dazu aufrief, die Einwohner über die Existenz der Mietkommission zu informieren, damit sie ihre Rechte geltend machen können.

Daraufhin forderte der Escher Schöffenrat in einer von der CSV eingereichten eigenen Motion die Regierung dazu auf, das System der Mietkommissionen und der komplexen Prozeduren abzuschaffen und durch ein unabhängiges nationales Organ zu ersetzen, das den beteiligten Parteien auch rechtlichen Beistand zusichert. Weiter verlangte die CSV eine Änderung des «Bail à loyer»-Gesetzes.

Auf Nachfrage ließ das Wohnungsbauministerium kürzlich verlautbaren, dass man zurzeit noch dabei sei, die Situation und die existierenden Maßnahmen zu analysieren. Änderungen oder Verbesserungen könnten erst ergriffen werden, wenn die Regierung genau wisse, welche Maßnahmen gut funktionieren und in welchen Bereichen eventuell nachgebessert werden muss.

luc jung
8. März 2019 - 21.43

Wa mir eppes geheiert, dann lossen ech mir net drann schwetzen wat ech domat ze machen hun. Esou wie sou, wien investeiert dann haut nach an Appartementer fir sech dann mat Lokatairen erem ze klappen. Den e Prais net wellt bezuelen, deen soll eng Wunneng an Nordkorea loune goen. Do get bestemmt mei Wunnenengen an si sinn och mei bellech. De Proprietären eppes firzeschreiwen as Kommunismus.

de Pensionär
8. März 2019 - 9.09

@iPerre Ravarin.Leider hab Sie Recht !Und wenn Sie Pech haben, schlagen die gekündigten Mieter noch alles kaputt oder setzen die Wohnung unter Wasser und behaupten dann dreist, alles wäre schon bei ihrem Einzug in diesem Zustand gewesen. Ein Wohnungseigentümer der das Geld sparen wollte, von einem Huissier einen état des lieux erstellen zu lassen, sieht dann sehr alt aus und seine ausstehende Miete kann er auch abschreiben.

Pierre Ravarin
8. März 2019 - 3.36

Versuchen Sie mal einem Mieter zu kündigen! Das dauert Jahre bis der auszieht! Ich habe dieses Problem und verstehe, dass Eigentümer Wohnungen leerstehen lassen anstatt zu vermieten!!! Ich habe mein Elternhaus vermietet und wollte es jetzt meinem Sohn zur Verfügung stellen. Der sogenannte "Eigenbedarf" ist Mieter und Gericht völlig gleichgültig. Als Eigentümer hat man die schlechten Karten. Hat mann die Steuern gezahlt, muss Haus/Wohnung noch instandsetzen, bleibt von 10 Jahren Miete nicht viel übrig. Heute würde ich 10 Jahre Leerstand der Vermietung vorziehen und fordere jeden auf sich dies gründlich zu überlegen.

de Pensionär
7. März 2019 - 16.06

@Jérôme. Sie haben völlig Recht! In der Mietkommission sind Hausfrauen, Rentner und Studenten ohne die geringste juristische Ausbildung und diese werden dann von hochnäsigen Anwälten regelrecht verhöhnt. Einmal hat ein Anwalt (namentlich bekannt) lauthals gelacht und sich auf die Schenkel geklopft als er den Sitzungssaal betrat womit er seine Geringschätzung gegenüber der Mietkommission dokumentieren wollte. Dabei hatte er aber ein Selbsttor geschossen denn zufällig war der Präsident der Kommission auch ein höherer Beamter i.R. der den vorlauten Herrn Anwalt sofort zurecht wies .Dabei hat die Mietkommission lediglich die Aufgabe, zwischen Eigentümern und Mietern einen außergerichtlichen,friedlichen Konsens zu finden, wonach es beiden Parteien danach immer noch freisteht, (kostenpflichtig) ein Gericht zu bemühen.

Jérôme
7. März 2019 - 11.53

Die Mietkommissionen sind nur ein (teueres) Alibi für die Schöffenräte. Sie haben rein gar nichts zu sagen und werden oft von (...) Anwälten die von den "armen, mittellosen" Mietern heran geschleppt werden verdummt und lächerlich gemacht. Das habe ich 8 Jahre erlebt, dann war Schluss mit Mietkommission! Dafür war meine Zeit zu schade, selbst wenn es für jedes Kommissionsmitglied einen "Jeton de présence" von (damals) 1.200Fr (steuerpflichtig) pro Sitzung gab, was für die 15 Minuten Zeitaufwand seinerzeit ein astronomischer Stundenlohn war.