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Lügen haben unrasierte Beine – Erstes queeres Theaterfestival Luxemburgs findet in Esch statt

Lügen haben unrasierte Beine – Erstes queeres Theaterfestival Luxemburgs findet in Esch statt

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So respekt-, kontext-, und sinnlos wie der erste Teil des hier gewählten Titels daher kommt, werden auch manche Kritiken gegenüber Gender-Themen formuliert. Schlechte Witze sind kein probates, aber trotzdem häufig verwendetes Mittel, wenn man sich nicht mit Argumenten zu helfen weiß. Diesbezüglich kann das «Queer Little Lies Festival», dessen Startschuss heute Abend um 19:00 Uhr im Escher Theater fällt, eventuell Abhilfe schaffen. Denn der hier behandelte Themenkomplex, hält jede Menge Fakten bereit, die dumme Bemerkung überflüssig machen.

Themen wie Geschlecht, Sexualität, Begehren und Körper unterliegen einer teils berechtigten, aber ebenso  ungeheuerlichen Subjektivität. Dass jeder sie für sich selbst definieren kann und soll, hat die unangenehme Nebenwirkung, dass mehr als einer oder eine glaubt, die Wahrheit dazu für sich gepachtet zu haben. Deshalb wird bewusst selbstironisch mit der Wahl des Festival-Namens «Queer Little Lies » provoziert, wie die Hauptveranstalterin (und Mitglied des Theaterkollektiv Independent Little Lies) Sandy Artuso  erklärt:»Schon bei der Wahl des Namens für unser Kollektiv, hatte das Ganze etwas Spielerisches; ein Augenzwinkern gebenüber der Tatsache, dass häufig kritisiert wird, das Schauspiel bilde nicht die Realität ab, sondern lüge lediglich. Beim Festivalnamen spielen wir nun auch damit, dass es Menschen gibt, welche sämtliche Gender-Debatten für groben Unfug halten.»

Es geht jeden und jede was an

Aber auch diese werden willkommen geheißen: «Ich hoffe, dass wenn Kritiker kommen, diese eine gewisse Offenheit mitbringen, zuhören und zuschauen. Hier haben sie die Möglichkeit, sowohl eine Fotoausstellung wie verschiedene Performances zu sehen und mit den jeweiligen Künstlern und Künstlerinnen zu sprechen. Danach können sie immer noch entscheiden, ob es sich wirklich nur um eine Ideologie voller Lügen handelt oder vielleicht doch mehr dahinter steckt. Die Künstlerinnen, Künstler udn wir. Sind auf jeden Fall gesprächsbereit.»

Demnach sei auch kein bestimmtes Vorwisse von Nöten. Artusos Wunschpublikum bestünde aus folgenden Elementen: «Es wäre die ganz einfache Person, die sich vielleicht noch nicht wirklich Gedanken über solche Dinge gemacht hat und vielleicht zusätzlich annimmt, das es sie nicht wirklich betrifft, weil sie beispielsweise heterosexuell oder cis (Anmerkung der Redaktion: Personen, deren Geschlechtsidentität mit dem Geschlecht übereinstimmt, dem sie nach der Geburt zugeordnet wurden) ist. Auch möchten wir gerade jene Menschen ansprechen, die ohnehin glauben, sie seien in einem Theater nicht willkommen, weil sie annehmen, da nicht hinzugehören.» Man wolle eben diesen Gästen zeigen, dass durchaus eine Verbindung zwischen ihnen, den Themen und dem Ort bestehen könne «und zwar in einem positiven Sinn» wie Sandy Artuso betont. «Es kann das Leben nämlich um einiges einfacher machen, regelmäßig vermeintliche ‹Normalitäten›, Körper- wie Genderrollen mal in Frage zu stellen.»

Lachen ist nicht verboten

Außerdem könne das Festival auch jungen Menschen in Luxemburg bestärken, die gerade aufgrund ihrer Lebenphase bestimmte Entscheidungen in Bezug auf ihre eigene Identität treffen und sich sozusagen nicht integriert fühlen, da ihre Selbstdefinition ausserhalb des bekannten (häufig unhinterfragten) Standards liegt. Umso mehr Sichbarkeit und Akzeptanz für das Thema entsteht, umso weniger bleiben eben Jugendliche mit offenen Fragen alleine zurück, weil dieser in aller Öffentlichkeit angesprochen und verhandelt werden können. Obwohl für Sonntag ein Rundtischgespräch mit allen teilnehmenden Künstlern und Künstlerinnen geplant ist, sind auch schon zuvor Gespräche, Diskussionen und Debatten zwischen sowie nach den Veranstaltungen möglich.

Barrieren abzubauen, das hoffen Sandy Artuso und ihr Team von Independent Little Lies durch die Programm-Gestaltung  erreicht zu haben. Statt auf extrem textlastige Stücke zurückzugreifen, habe man sich für alternative Darstellungsformen entschieden, die eine spielerische Zugänglichkeit gewährleisten. Als Beispiel führt sie unter die interdisziplinäre Ausstellung der Künstlerinnen Céline Le Gouail und Laura Pfeiffer an, deren Vernissage am Freitagabend um 19:00 beginnt. Ebenfalls hielte der von der luxemburgischen Organisation queer loox gestaltete Filmabend am Freitag eine weitere Kunstrichtung bereit, durch die sich mit «Queerness» auseinandergesetzt werden könne.

Da im Rahmen von Geschlechterdebatten das Thema Biologie nicht fehlen darf, weist Artuso zudem auf die One-Women Show  «La Nature contre-nature (tout contre)» hin, bei der bisher eher wenig bekannte wissenschaftliche Befunde gepaart mit Humor und Chanson präsentiert werden. «Dieser Programmpunkt ist ohne Zweifel darauf ausgelegt, Menschen dort abzuholen, wo sie stehen und sie außerdem zum Lachen zu bringen», so Artuso.