„Living on the Internet“: Unterhaltsamer Streifen über Freundschaft nach der virtuellen Wende

„Living on the Internet“: Unterhaltsamer Streifen über Freundschaft nach der virtuellen Wende

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Wreck-It Ralph ist zurück, um das Internet mithilfe seiner gigantischen Pranke zu zerbröseln. Hinter dem Animationsfilm mit der etwas zu sanften Kritik und den etwas zu transparenten Erziehungslektionen steckt ein teilweise ergreifender Buddy-Movie, der zu unterhalten weiß.

Als Jesse Eisenberg in „The Social Network“ in seiner Rolle als Facebook-Gründer David Zuckerberg prophezeite, dass in naher Zukunft der Massenauswanderung vom Land in die Städte eine weitere, vielleicht ultimative Etappe beigefügt wird und wir im Internet leben werden, war vielen noch nicht klar, wie recht er bekommen sollte.

Auch den virtuellen Figuren aus „Wreck-It Ralph“ wird das Internet zu schaffen machen. Während die virtuellen Protagonisten des Vorgängers – allen voran Ralph, der VideospielBösewicht mit dem großen Herzen, und seine beste Freundin Vanellope – tagsüber die Arkade-Klientel als Protagonisten der ihnen zugewiesenen Spiele bedienen und in der Nacht ihr Eigenleben entwickeln, um von einem Arcade-Game zum anderen zu wandeln, wird eines Tages ein weiterer Stecker eingestöpselt.

Arcade im Internet

Voller Vorfreude auf ein neues Spiel wird der Eifer der Figuren schnell gebremst: Die Arcade-Halle wird lediglich mit dem Internet verbunden. Und das Internet gilt als gefährlich, der Zugang folglich illegal. Da Vanellope aber zunehmend die Routine des Alltages stört, schleicht sich Ralph in ihr Rennspiel „Sugar Rush“, um dort Änderungen anzubringen. Die neue Strecke, die er für seine Freundin gräbt, sorgt allerdings dafür, dass das Steuerrad des alten Spiels abbricht.

Der Hallenbesitzer schaut auf eBay, sieht aber, dass das rar gewordene Ersatzteil mehr kostet, als der Spielautomat überhaupt wert ist. Das Spiel wird entstöpselt, eine Menge an Haupt- und Nebenfiguren werden obdachlos. Da Vanellope kein Zuhause mehr hat, schlägt Ralph ihr einen Ausflug ins Internet vor, um das fast vergriffene Steuerrad schnellstens zu ergattern.

Lemmings

Als Thomas Pynchon sich in „Bleeding Edge“ die Welt des Internets und des Dark Web vorstellte, machte er sich ernsthafte Gedanken über die Visualisierung des World Wide Web und bot ein überzeugendes metaphorisches Modell.

Auch hier wirkt das Internet wie eine Mischung von gigantischen Städten aus Science-Fiction-Filmen, einem Hybrid aus diversen Videospielen und einer gigantischen Werbung. Liebevoll und clever gemacht sind die nervigen Pop-up-Figuren, die quadratköpfigen User und ihr Lemming-artiges Verhalten, die Viren, die eingebetteten Spielwelten, das Spam und die Schlüsselwort-Suche, denen der Film via Nebenfiguren Leben einhaucht. Das Internet wird als unendliche Spielwiese, die sehr intelligent die wahren Absichten – Geldscheffeln durch Ausloten des menschlichen Narzissmus – übertüncht, dargestellt.

Leider weicht diese kritische Dimension einem Panegyrikon auf die Möglichkeiten des Internets, einer Dialektik – Vanellope mag die Gefahr, das Unvorhersehbare, Ralphs Blick richtet sich nostalgisch auf die Spielhallen –, die etwas zu moralistisch daherkommt. Der Film distanziert sich selbst etwas zu wenig vom Kommerzzirkus, den er teilweise kritisch beäugen möchte. Google und eBay und Amazon werden zwar belächelt, nichtsdestotrotz wird für die Giganten geworben.

Feministische Einsprengsel als Kompromiss

Lustig ist das Auftauchen sämtlicher Zeichentrickprinzessinnen, die sich über die Prinzen und sonstige Klischees beschweren, schon – wenn dann nachher das schwelgerische Prinzessinnenlied ironisch aufgetischt wird, ändert dies nichts daran, dass dieser feministische Einsprengsel wie ein Kompromiss wirkt: Man frönt sowohl der phallozentrischen Kritik als auch den obligatorischen Etappen des Werdegangs einer weiblichen Heldin (und Ralph bleibt weiterhin namensgebend).

Das Crossover-Feeling, das wir durch die Zeichentrickprinzessinnen illustrieren, charakterisiert übrigens sämtliche Internetfiktionen: Hier verschmelzen stets, wie auch in „Ready Player One“, mehrere fiktionale Welten. Wie lange es dauern wird, bis diese Metalepse allerdings erzählerisch ausgeschöpft ist, bleibt abzuwarten.

Der Titel ist Programm: Ralph wird das Internet – zumindest teilweise – kaputtmachen. Trotz des programmatischen Titels bleibt der erzählerische Spannungsbogen intakt. Wir wissen, dass es passieren wird, die erzeugte Erwartung peilt folglich nicht die Semantik – was passiert? –, sondern die Struktur – wie passiert es, wann und wieso? – an. Diesen Spannungsbogen hält der Film recht gut an, weil er durch den Unterhaltungswert den Blick des Zuschauers von den Konflikten, die im zweiten Teil die Freundschaft der beiden bedroht, ablenkt.

Zu dick aufgetragener Buddy-Movie

Hier wird der Film zum typischen Buddy-Movie und ist teilweise berührend, auch wenn die Botschaft – zu wahrer Freundschaft gehört das Loslassen – etwas zu dick aufgetragen ist. Loslassen bedeutet aber hier auch das Zurücklassen der Nostalgie – die Metapher funktioniert auch als Absage an die 80er-Arcade-Nostalgie, weist auf die Notwendigkeit des Fortschritts hin.

Kann man bemängeln, dass hier wiederum die Dialektik etwas simpel wirkt (Vanellope mag das Internet, Ralph will schnellstens weg), gefällt doch die im Film angedeutete Idee, dass das Internet uns alle zu Nomaden macht.