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Lisa Mariottos langer, schwerer Weg bis zum Mikrofon

Lisa Mariottos langer, schwerer Weg bis zum Mikrofon

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Lebensfreude, Authentizität und Ehrlichkeit sind wohl die Hauptmerkmale des Energiebündels namens Lisa Mariotto. Die Sängerin, die im Schnitt zwei Auftritte wöchentlich hat, hat vieles zu erzählen. Wir besuchten die Autodidaktin in ihrem Haus in Ettelbrück.

Von Roger Infalt (Text) und Anne Lommel (Foto)

Die Tür öffnet sich und es begrüßt uns eine Frau mit einem breiten Lächeln im Gesicht. «Kommen Sie herein. Möchten Sie eine Tasse Kaffee» sind die ersten Sätze der Lebensfreude ausstrahlenden Lisa Mariotto. Sie erzählt uns gleich von ihrem Haus, das sie zusammen mit ihrem Mann Luciano so renoviert und eingerichtet habe, wie es die Finanzen eben zuließen. «Wir sind stolz auf das, was wir zusammen geschafft haben», sagt sie – und damit waren wir gleich beim Thema.

DREI WÜNSCHE

Was würde Lisa Mariotto sagen, hätte sie drei Wünsche frei:
1) «20 Kilo weniger auf der Waage»
2) «Weiterhin eine gute Gesundheit»
3) «Meinen Kindern ein glückliches Leben»

Und als Sängerin?
«Da hätte ich einen großen Wunsch: Einmal zusammen mit Zucchero ‚Baila Morena‘ singen.»

Heute tritt Lisa Mariotto mindestens zweimal die Woche als Solosängerin auf. Doch wie kam es eigentlich dazu? Sie lächelt, nimmt einmal kurz Luft und gibt uns zu verstehen, dass sie eigentlich von Kind auf immer gerne vor sich hingesungen habe. «Meine große Schwester liebte den Gesang ebenfalls. Sie hatte schon immer eine schönere Stimme als ich. Doch sie sang immer nur für sich, während ich mit 8 Jahren in einem Kinderchor des Ettelbrücker Gesangvereins Lyra übte und in den Folgejahren an zahlreichen Wettbewerben teilnahm.»

Schlechte Erinnerungen

Plötzlich legt sie ihr sympathisches Lächeln ab. Ihre Gesichtszüge werden sehr kantig und ihre gesamte Mimik lässt auf tiefsitzende Schmerzen deuten. «Jedes Mal, wenn ich an meine Jugend, an meine Grundschulzeit zurückdenke, kommen überaus schlechte Erinnerungen hoch. Als Tochter eines Italieners, eines ,Bootscha‘, der dazu auch noch ,nur ein einfacher Arbeiter‘ war, wurde ich von vielen Mitschülern gemieden und über die Maßen gedemütigt. Ich war ausgesondert, sowohl im Unterricht als auch in den Pausen. Ich war ein ‚dreckege Bier‘. Ich musste viel, sehr viel einstecken.»

Ebenso plötzlich ist das Lachen aber wieder zurück. «Vielleicht war es ja gerade diese Haltung mir gegenüber, die mich später dazu brachte, nicht mehr nur zu fürchten, nicht mehr nur zu glauben, ich sei minderwertig. Als ich mit 13 Jahren in die ‚große‘ Schule wechselte, hörte ich auf, mich nur zu ducken. Es kam der Moment, wo ich in einer Trotzreaktion all meine Komplexe ablegte. Ich wurde bei meinen Mitschülern zur ‚Entertainerin‘. Zu Hause lernte ich das Gitarrenspiel, ohne fremde Hilfe und ohne Kenntnis von Noten zu haben. Apropos: Ich kenne die Noten auch heute noch nicht. Ich lerne Lieder ganz auf mein Gehör hin.»

Mit Wallstreet on tour

Dann sei es Schlag auf Schlag gegangen. Lisa gewann mehrere Gesangswettbewerbe («Crochets») und trat alsdann bei Familienfesten auf. Der erste große Durchbruch gelang ihr Jahre später als Sängerin der bestbekannten Band Wallstreet, mit der sie fast drei Jahre lang durchs Land zog.

1991 habe sie ihren Mann kennengelernt. Sie nippt kurz an ihrer Tasse Kaffee, bevor sie schmunzelnd zu verstehen gibt, dass ihr Mann nicht mehr wollte, dass sie ein- bis zweimal die Woche bis lange in die Nacht hinein mit der Band unterwegs war. «Also hörte ich auf, der Liebe wegen.»

Die Pause dauerte aber nur drei Jahre. «Eine Rockband aus Esch-Belval, die früher mal Sofilis hieß und später den Namen Grad elo trug, suchte eine Sängerin. Ich sang vor, und schon war der Deal perfekt. Ich trat wenig später mit ihnen auf. Wir nahmen sogar eine CD auf und ich schrieb Texte auf Luxemburgisch.»

1997 kam dann der erste Sohn Alessio zur Welt. Lisa trat nur noch sporadisch auf. Zwei Jahre später vergrößerte der zweite Sohn Elio die Familie. «Ich musste Kinder, Haushalt, Arbeit und Gesang unter einen Hut bringen. Der Gesang stand aber damals an allerletzter Stelle», erzählt Lisa rückblickend.

Multi-Sprache-Talent

Irgendwann aber kam der Moment, in dem sie sich entscheiden musste, ob sie ihre Halbtagsarbeit als Chefsekretärin in einem hauptstädtischen Betrieb nicht doch aufgeben und sich ganz der Musik widmen sollte. «Es war nicht einfach, aber ich entschied mich fürs Singen. Ich kaufte mir vom ersparten Geld eine Anlage, ein Mischpult und ein Mikrofon, denn ich hatte mir vorgenommen, auf Drängen meines Mannes hin, nur noch als Solosängerin aufzutreten. In der Zwischenzeit hatte ich mir mehrere Sprachen angeeignet und heute singe ich auf Italienisch, Portugiesisch, Luxemburgisch, Französisch, Deutsch, Englisch, Serbisch und Spanisch», erzählt Lisa nicht ohne Stolz.

Sie zog von einem Familienfest zum anderen, sie hatte Auftritte bei Seniorenfesten, bei Geburtstagsfeiern und Firmen-Events. Lisa sah sich, wie sie selbst sagt, als «Sängerin vum Vollek». Sie habe nie Starallüren gehabt, stand stets mit beiden Füßen auf dem Boden.
«Päischtcroisière»

«Einen Traum hatte ich aber noch», sagt sie zögerlich, um dann mit einem Lachen hinzuzufügen: «Ech wollt ëmmer eng Kéier mat op d’Päischtcroisière.» Sie habe vor neun Jahren bei den Verantwortlichen angeklopft, doch es kam lediglich ein klares «Nein» zurück. «So schnell habe ich mich aber nicht geschlagen gegeben. Ich habe damals neben meinen Auftritten als Sängerin auch Mini-Discos organisiert und reichte dieses Konzept, mit all meinen Ideen, die ich da hineinfließen ließ, wieder ein. Und siehe da, tags darauf bekam ich eine Zusage. Aber eben halt nur für die Mini-Disco. Erst am Tag der Abreise erhielt ich dann einen Anruf, ich solle meine Gesangsanlage mit allem Drum und Dran auch mitnehmen. Man gestattete mir einen einstündigen Auftritt als Sängerin. So nahm das Ganze seinen Lauf, und demnächst fahre ich bereits zum neunten Mal mit.»

Die «Päischtcroisière» sei ihr Sprungbrett gewesen. Ihr Bekanntheitsgrad sei nicht nur in der breiten Öffentlichkeit enorm gestiegen, auch in den Reihen luxemburgischer Musiker war Lisa Mariotto plötzlich keine Unbekannte mehr. «Ich habe durch die Zusammenarbeit mit anderen Sängern über die Jahre sehr viel dazugelernt. Unter diesen war und ist auch Jeannot Conter, den ich besonders hervorheben möchte. So, jetzt habe ich wieder einmal viel zu viel geredet», schmunzelt Lisa und gewährt uns zum Abschluss noch einen Blick in ihre Alben, mit Fotos von früheren und aktuellen Auftritten.