Letzter Auftritt: Ehemaliger „Serbenführer“ Radovan Karadzic hofft auf Freispruch

Letzter Auftritt: Ehemaliger „Serbenführer“ Radovan Karadzic hofft auf Freispruch
Der ehemalige Politiker Radovan Karadzic (M.) im April vergangenen Jahres im Gerichtssaal in Den Haag. Foto:AP

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Am Mittwoch dürfte Bosniens früherer Serbenführer Radovan Karadzic in Den Haag zum letzten Mal im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit stehen. Bei der Urteilsverkündigung seines Berufungsverfahrens hofft der in erster Instanz zu 40 Jahre Haft verurteilte Kriegsverbrecher auf Freispruch. Doch alles andere als die Bestätigung seiner Schuld wäre eine Überraschung.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser, Belgrad

Zumindest für Serbiens nationalistische Boulevardpresse ist der Freispruch für den einstigen Kriegsschergen ausgemacht. «Radovan Karadzic kehrt nach Serbien zurück» titelt bereits hoffnungsfroh die regierungsnahe Gazette Alo!: «Willkommen zu Hause!»
Er stehe ständig mit Bosniens einstigem Serbenführer in Telefonkontakt, berichtet derweil vor der für Mittwoch in Den Haag anberaumten Urteilsverkündigung im Berufungsverfahren aufgeregt dessen Bruder Luka Karadzic in Belgrad: «Radovan ist der größte Optimist und ist sich eines positiven Ausgangs sicher.»

Jahrelang stand der einstige Präsident der von ihm proklamierten Republika Srpska zunächst als Kriegsherr im Bosnienkrieg (1992-1995) und später als Justizflüchtling im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Nun steht der heute 73-jährige Psychiater vor seinem vermutlich letzten großen Auftritt: Alles andere als die Bestätigung seiner Verantwortung für die ihm zur Last gelegten Kriegsverbrechen und die Bekräftigung des Schuldspruchs wäre eine Überraschung.

Zu 40 Jahren Haft wegen der Verantwortung für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schwerer Kriegsverbrechen war der Mann mit der nach hinten gekämmten Haartolle 2016 in erster Instanz vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal verurteilt worden. Vor dessen Nachfolgeorganisation MICT wird nun das rechtskräftig gültige Urteil verkündet.

Die Anklage fordert eine lebenslange Haftstrafe, Karadzic seinen Freispruch: Als früherer Politiker sei er keineswegs für die von bosnisch-serbischen Truppen begangenen Kriegsverbrechen verantwortlich zu machen, so seine Verteidigung.

Schon seine Richter in erster Instanz vermochten dieser Argumentation nicht zu folgen. Als Präsident der Republika Srpska habe Karadzic am 9. Juli 1995 den Befehl zur Einnahme von Srebrenica gegeben und habe auch nach dem Fall der Muslim-Enklave ständig in Kontakt mit der Führung der bosnisch-serbischen Truppen gestanden, begründeten sie 2016, warum sie den Angeklagten für den sorgfältig vorbereiteten und systematisch ausgeführten Völkermord an rund 8.000 muslimischen Männern für verantwortlich halten: Seine Beteuerung, von den damaligen Massenmorden nichts gewusst zu haben, wurde als unglaubwürdig verworfen.

Jede Nation sieht sich als Opfer

Der lange Arm der internationalen Justiz hatte Karadzic relativ spät ereilt. Erst im Juli 2008 war der jahrelang abgetauchte Kriegsverbrecher verhaftet worden: Vermutlich mit Wissen der serbischen Geheimdienste hatte der mit einem Rauschebart vermummte Justizflüchtling als «Dr. Dragan Dabic» in Belgrad zuvor ungestört als Wunderheiler praktiziert.

Egal wie das Urteil am Mittwoch ausfällt, es dürfte die Nachkriegsgräben im zerrissenen Vielvölkerstaat Bosnien und Herzegowina weiter vertiefen. Ein erneuter Schuldspruch dürfte die Führung der bosnischen Serben, aber auch Belgrad erneut das vertraute Klagelied anstimmen lassen, das die internationale Justiz den Serben einseitig die Kriegsschuld aufhalsen wolle.

Sollte es wider Erwarten zu einer Verminderung der Haftstrafe oder gar einem Freispruch kommen, dürfte sich die Verbitterung muslimischer Opferverbände noch verstärken. Diese hatten schon das Strafmaß in der ersten Instanz als zu gering empfunden.

Jede Nation sieht sich als Opfer, niemand als Täter. Ob Serbien oder Kroatien, Kosovo oder Bosnien, eine schonungslose und selbstkritische Aufarbeitung der im Namen der eigenen Nation begangenen Verbrechen steht bei allen der ex-jugoslawischen Kriegsgegner noch immer aus. Stattdessen werden die Kriegsschergen der 90er-Jahre im Rückblick aus politischem Kalkül von deren Populisten-Epigonen und nationalistischen Medien auch noch zu Helden verklärt.

So pries Milorad Dodik, das serbische Mitglied in Bosniens Staatspräsidium, Karadzic 2016 bei der Einweihung eines nach diesem benannten Studentenheims in Pale als «Ideal der Freiheit» an, der die «Dankbarkeit aller patriotischen Serben» verdiene.

J.C.KEMP
18. März 2019 - 20.55

In den USA sitzen zumindest einige, nicht wenige, die ebensolche Haftstrafen verdienen. Nun erkennen die USA dieses Gericht ganz einfach nicht an. womit die Sache geregelt ist, aus ihrer Sicht.

Jang
18. März 2019 - 18.50

Egaal waat dass ësou Verbriecher nach verschount bleiwen.

boufermamm
18. März 2019 - 16.29

Klar, Freispruch, freilassen und für den nächsten Friedensnobelpreis vorschlagen !