Kroatien: Zagrebs kontroverser Bürgervater hat Präsidentschaftswahl im Visier

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Endlose Skandale pflastern den Weg von Kroatiens bekanntestem Marathonläufer. Doch aufhalten lässt sich der kontroverse Zagreber Dauerbürgermeister Milan Bandic kaum. Die wundersame Vermehrung der Parlamentsfraktion seiner Kleinpartei hat die Machtposition des Strippenziehers gestärkt – und könnte ihm als Sprungbrett ins Präsidentenamt dienen.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser

Zumindest einen Mangel an Selbst- und Sendungsbewusstsein lässt sich Kroatiens schillerndem Politdauerbrenner kaum nachsagen. Ohne seine «BM 365 – Partei der Arbeit und Solidarität» werde in Kroatien «niemals mehr eine Regierung auf irgendeinem Niveau gebildet», kündigte der Zagreber Bürgermeister Milan Bandic am Wochenende auf deren Parteitag an. Er werde nicht ruhen, bis er in ganz Kroatien «eine Partei-Armee» für eine bessere Zukunft des Landes geschaffen habe: «Wie wir in Zagreb leben, wollen wir in ganz Kroatien leben. Kroatien hat dieses Glück verdient.»

Bandic sei schon Populist gewesen, als es den Populismus noch gar nicht gegeben habe, spötteln seine Kritiker. Tatsächlich hat sich Kroatiens prominentester Marathonläufer trotz endloser Skandale als erstaunlich ausdauerndes Wiederaufstehmännchen auf dem glitschigen Politparkett des Adriastaats erwiesen. Obwohl der 63-jährige Strippenzieher wegen Fahrerflucht und des Verdachts von Polizeibestechung und Korruption bereits zweimal in Untersuchungshaft saß, zieht Bandic – mit kurzer Unterbrechung – seit 2000 im Rathaus die Fäden: 2017 wurde er zum sechsten Mal zum Zagreber Bürgermeister gewählt.

Als geschäftstüchtiger Macher mit guten Kontakten zu den eher der konservativen HDZ zugeneigten Kriegsveteranen- und Kirchenkreisen machte sich der aus der Herzegowina stammende Bandic als Parteigänger der sozialdemokratischen SDP einen Namen.

Ein Gespenst geht um in Kroatien

Es waren weniger die zahlreichen Skandale und die ihm vorgeworfene Clanwirtschaft als seine nationalen Politambitionen, die für den Bruch mit der SDP sorgten. 2009 schickte diese nicht ihn, sondern Ivo Josipovic ins Präsidentschaftsrennen. Der erboste Bandic trat als unabhängiger Kandidat an, zog aber in der Stichwahl gegen Josipovic klar den Kürzeren.

Nach der Wahlschlappe schien das Verblassen des Sterns des Aufsteigers unausweichlich. Doch der nach allen Seiten gut vernetzte Bandic vermochte sich in Zagreb zu behaupten und hat sich mit der wunderlichen Vermehrung der Parlamentsfraktion seiner Partei von zwei auf derzeit elf Abgeordnete auch auf nationalem Niveau neuen Einfluss verschafft: Seine BM 365 sichert die dünne Mehrheit der Mitte-rechts-Koalition von Premier Andrej Plenkovic ab. «Ein Gespenst geht um in Kroatien, das Gespenst von Arbeit und Solidarität», kommentiert Bandic feixend die zunehmende Anzahl von Abgeordneten in den Reihen seiner Partei. Vorwürfe, die Parteiwechsel mit Geld, Jobs oder Vergünstigungen für Angehörige der angeworbenen Politsöldner beschleunigt zu haben, fechten ihn nicht an: «Ich kaufe niemand.»

Bei der Frage, ob die Bandic-Partei eher die Rolle des barmherzigen Besenwagens oder die des korrupten Lumpensammlers mimt, sind sich Analysten nicht ganz schlüssig. Sicher ist, dass sich Bandic rechtzeitig vor den Präsidentschaftswahlen zu Jahresende erneut zu einem nationalen Faktor gemausert hat: Seine verstärkte Machtbasis könnte dem nimmersatten Bürgervater als Sprungbrett für einen erneuten Anlauf ins Präsidentenamt dienen.