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„Keine Strafe, sondern eine Hilfe“

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TACS steht für «Tutelle- a Curatelle-Service». Diese Gesellschaft ohne Gewinnzweck gibt es seit zehn Jahren. Heute verwaltet sie um die 430 Dossiers. Das Tageblatt wirft einen Blick auf die alltägliche Arbeit der TACS und hat sich mit dem Direktionsbeauftragten Gilbert Beissel unterhalten.

Der Briefträger bringt gerade die Post. Unter den vielen Umschlägen befindet sich auch einer vom Gericht in Luxemburg. Es handelt sich um die Kopie eines Urteils in einem Fall, in dem eine Person durch einen Richterbeschluss unter Vormundschaft gesetzt wird. «Jetzt beginnt für uns die Arbeit. Wir schreiben gleich sämtliche großen Banken in Luxemburg an, damit sie die Konten der betroffenen Person sperren. Da wir nicht wissen, auf welcher Bank der Betroffene Kunde ist, müssen wir eben alle Geldinstitute kontaktieren», so Gilbert Beissel.

In einer nächsten Phase sieht sich TACS das gerichtliche Dossier der Person an und fragt beim Katasteramt nach, welche Besitztümer vorhanden sind. Dann kommt es zu Gesprächen mit dem Betroffenen. «Wir erstellen zusammen ein umfangreiches Dossier und natürlich auch ein Budget. Wir müssen zusehen, dass die uns auf diese Weise anvertraute Person Hilfe in Sachen Finanzen bekommt. Was die Herangehensweise anbelangt, gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Verfahren. Wir kennen die ,Sauvegarde de justice‘, die ,Curatelle‘ und die ,Tutelle‘ (siehe Text rechts). Dem Betroffenen muss zudem klargemacht werden, dass es sich bei diesem Verfahren keinesfalls um eine Strafe, sondern um eine wichtige Hilfestellung handelt.»

Angefangen hat TACS vor zehn Jahren als Einmannbetrieb mit rund 40 Vormundschaftsfällen. Gilbert Beissel arbeitete damals bei der Ligue HMC und verwaltete dort auch bereits Finanzen von behinderten Menschen, die dies nicht alleine bewerkstelligen konnten. Dann ging es Schlag auf Schlag. Es kamen Einrichtungen wie zum Beispiel das Kinderheim in Betzdorf hinzu und auch die Vormundschaftsgerichte in Luxemburg und Diekirch erkannten die wertvollen Dienste der TACS. Heute zählt die Gesellschaft rund sieben Vollzeitposten. Diese Belegschaft verwaltet um die 430 Dossiers, was so viel heißt wie 1.141 Bankkonten und 41.406.796,05 Euro (Stand: Ende 2017). Seit kurzem gehört auch ein Jurist für 20 Stunden die Woche zum Mitarbeiterstab.

Zahl der Vormundschaft steigt stetig

«In 44 Prozent unserer Fälle geht es um Menschen mit einer geistigen Behinderung, bei 21 Prozent handelt es sich um Altersdemenzen, 17 Prozent sind Menschen mit einem ,Handicap social‘, in 12 Prozent der Fälle haben wir es mit psychisch Erkrankten zu tun, Menschen mit einer körperlichen Behinderung machen 6 Prozent aus», erklärt Gilbert Beissel, der aber noch hinzufügt: «Die Zahl der älteren Leute, die unter Vormundschaft gestellt werden, steigt von Jahr zu Jahr. Machten sie 2016 noch 17 Prozent der uns anvertrauten Fälle aus, so waren es Ende 2017, wie erwähnt, bereits 21 Prozent.»
Die Kosten einer Vormundschaft belaufen sich auf 150 Euro monatlich. Diese werden, so weit wie möglich, von der betroffenen Person selbst getragen, anderenfalls werden sie vom Justizministerium übernommen. «Zurzeit kommt bei ungefähr der Hälfte unserer Fälle die Person selbst dafür auf.»

An dieser Stelle sei uns erlaubt, aus einem Urteilsschreiben eines Vormundschaftsrichters zu zitieren: «Le tuteur/curateur est obligé non seulement de pourvoir à la gestion financière de l’incapable (établissement des décomptes, opérations de comptabilité), mais sollicite de la part du tuteur/curateur un engagement personnel qui l’oblige à lui sacrifier une partie significative de son temps.»

Die Revision einer Vormundschaft in Luxemburg kann lediglich durch einen von der betroffenen Person selbst eingereichten Antrag geschehen. In anderen Ländern werden alle Fälle nach einer gewissen Zeit automatisch einer Revision unterzogen. «Es wäre gut, wenn dies hier ebenfalls so wäre», wünscht sich Gilbert Beissel.


„Sauvegarde, tutelle, curatelle“

Unter der Bezeichnung „Sauvegarde de justice“ versteht man provisorische Maßnahmen betreffend die Pflegschaft oder Vormundschaft, die von vornherein zeitlich begrenzt sind. Bei einer „Curatelle“ (Pflegschaft) wird ein „Curateur“ eingesetzt, der die Finanzen der betroffenen Person verwaltet. Sollte sich keiner aus der Familie dafür eignen, wird ein „Service de tutelle et curatelle“ eingesetzt. Man unterscheidet hier auch noch zwischen einer „Curatelle simple“, bei der die betroffene Person ihre Finanzen noch teilweise (bis zu einer gewissen Summe) selbst verwalten kann, und einer „Curatelle renforcée“, bei der die gesamte Buchhaltung in den Händen des „Curateur“ liegt. Im Falle einer „Tutelle“ (Vormundschaft) verliert der Betroffene zudem noch all seine Zivilrechte.


Fall Sandro Luci

Im Jahr 2015 gab es in Sachen Vormundschaft einen unrühmlichen Fall am hauptstädtischen Gericht. Dem damals alleinigen Vormundschaftsrichter Sandro Luci wurde in einem Prozess ein Interessenkonflikt vorgeworfen. Als Richter hob er das Vormundschaftsverfahren gegen eine Frau auf, mit der er ein Verhältnis hatte. Der Richter wurde seines Amtes enthoben und lebt sowie arbeitet heute in Frankreich. Damals gab es sowohl beim Luxemburger als auch beim Diekircher Gericht nur einen einzigen Vormundschaftsrichter. Heute gibt es deren drei am hauptstädtischen Gericht. Im Vergleich zu früher kann ein Richter, der riskiert in einen solchen Interessenkonflikt zu geraten, seinen Fall nun auch an einen seiner Kollegen abgeben.


Die Reform des Vormundschaftsgesetzes

Neben der TACS gibt es mit der SAT (Ettelbrück) und der Horizont asbl. (Mersch) zwei weitere Vormundschaftsgesellschaften. Zusammen wartet man auf eine dringende Reform des Vormundschaftsgesetzes, eine Reform, die auch im neuen Koalitionsabkommen wieder für diese Mandatsperiode versprochen wird.

Einige Forderungen des Vormundschaftsbereichs sind:

  • Umsetzung der UNO-Menschenrechtskonvention;
  • Das Wort „Tutelle“ soll durch die Bezeichnung „Mesure de protection“ ersetzt werden. Die damit zusammenhängenden Maßnahmen sollen in mehrere Stufen eingeteilt werden;
  • Anerkennung des Berufstitels und zugleich auch Ausarbeitung eines Aus- bzw. Weiterbildungsprogramms für die in dieser Berufssparte tätigen Mitarbeiter;
  • Einführung des „Mandat de protection en avance“. Ein Beispiel: Eine allein stehende Person könnte bereits im Vorfeld des Älterwerdens und auf die Gefahr einer Demenz hin eine Person oder Gesellschaft ab einem bestimmten Moment mit der Verwaltung seiner Finanzen vorzeitlich beauftragen;
  • Dem sozialen Bereich müsste in der alltäglichen Arbeit eines „Tuteur“ mehr Platz erlaubt werden, der dann auch dementsprechend entlohnt wird.
  • Eine automatische Revision des Verfahrens nach einer festgesetzten Zeitspanne;
  • Reform der Tarife für Vormundschaftsgesellschaften und evtl. staatliche Konventionierung.

 

Antony arthur
29. Februar 2020 - 0.20

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