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„Katastrophale Niederlage“: Labour-Chef reicht Misstrauensantrag gegen Regierung ein

„Katastrophale Niederlage“: Labour-Chef reicht Misstrauensantrag gegen Regierung ein

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Die Abstimmungsniederlage war bereits seit Dezember absehbar, am Dienstagabend erfolgte sie. Und das noch deutlicher, als sich die britische Regierung erwartet hatte. 432 der Abgeordneten im Unterhaus stimmten gegen die Annahme des mit Brüssel ausgehandelten Abkommens, nur 202 Abgeordnete unterstützten die britische Regierungschefin.

Das Ergebnis der Abstimmung am Dienstag im britischen Parlament ist in mehreren Hinsichten historisch. Zum einen was die Sache angeht: Die Abgeordneten sprachen sich für einen ungeordneten Austritt ohne Abkommen aus der Europäischen Union aus und riskieren damit erhebliche Probleme vor allem im Transportwesen und Handel zwischen Großbritannien und der EU sowie nachhaltige wirtschaftliche und soziale Schwierigkeiten. Zum anderen hat die Regierung von Theresa May eine erhebliche Niederlage einstecken müssen und ist dennoch nicht bereit, die Konsequenzen daraus zu ziehen und ihren Rücktritt einzureichen.

Nach der Abstimmung reagierte der Oppositionsführer und Labour-Chef Jeremy Corbyn umgehend und reichte einen Misstrauensantrag gegen die Regierung ein, der bereits am Mittwoch debattiert werden soll. «Die Regierung hat das Vertrauen dieses Hauses und dieses Landes verloren», so Jeremy Corbyn, der von einer «katastrophalen Niederlage» sprach, die die Regierung habe hinnehmen müssen.

Drei Tage für einen Plan B

Der Labour-Chef will Neuwahlen herbeiführen, aus denen seine Partei laut letzten Umfragen als Gewinner hervorgehen würde. Ob er allerdings mit seinem Misstrauensantrag durchkommt, ist eher unwahrscheinlich. Doch angesichts der aufgeladenen Stimmung im britischen Unterhaus scheint mittlerweile vieles möglich. Immerhin hatten Teile der konservativen Tories bereits vor einigen Wochen versucht, Premierministerin Theresa May in einem parteiinternen Misstrauensvotum zu stürzen. Was ihnen jedoch nicht gelang. Unterstützung für den Misstrauensantrag hat am Dienstag die Schottische National-Partei angekündigt. Sie plädiert zudem für eine Verlängerung der Austrittsfrist.

Die britische Regierung muss nun binnen drei Tagen einen «Plan B» vorlegen, also klarmachen, wie sie nun weiter vorgehen wolle. Das britische Parlament hatte diese Frist vergangene Woche von 21 Tagen auf drei Tage verkürzt.

Gefahr eines «ungeordneten Austritts»

Seit vergangener Woche wurde im Unterhaus über den Brexit-Vertrag debattiert. Dabei wurde ebenfalls immer wieder die Forderung eines zweiten Referendums erhoben. Theresa May hat dies stets abgelehnt. An dieser Haltung dürfte sich nichts ändern. Als Knackpunkte während der Debatte wurden unter anderem der vereinbarte sogenannte Backstop angeführt. Über den Backstop soll das Vereinigte Königreich so lange in einer Zollunion mit der EU gehalten werden, bis eine endgültige Lösung für die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland gefunden wird. Beide Seiten, sowohl die EU als auch London, wollen vermeiden, dass es an dieser Grenze wieder zu Kontrollen kommt, die den Frieden in Irland gefährden würde.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verlangte von London am Dienstagabend dringend, «seine Absichten so bald wie möglich klarzustellen». Die Zeit dafür sei vor dem geplanten Brexit am 29. März «fast abgelaufen». Juncker zufolge ist mit dem negativen Votum die Gefahr eines «ungeordneten Austritts» ohne Abkommen gestiegen. Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk forderte von Großbritannien nun eine klare Ansage, wie es weitergehen soll. Wenn ein Abkommen unmöglich sei, niemand aber einen Austritt ohne Vereinbarung wolle, «wer wird dann letztlich den Mut haben zu sagen, was die einzig positive Lösung ist?», erklärte er im Kurzbotschaftendienst Twitter. Die verbleibenden 27 EU-Staaten würden «geeint bleiben» und wie bisher eine verantwortungsvolle Haltung einnehmen, erklärte ein Sprecher Tusks.

Juncker: «Nehme die Ablehnung mit Bedauern zur Kenntnis»

Juncker betonte, die Kommission und EU-Chefunterhändler Michel Barnier hätten «enorme Zeit und Mühe in die Aushandlung des Austrittsabkommens investiert». Der über 17 Monate ausgehandelte Brexit-Vertrag sei «ein fairer Kompromiss und der bestmögliche Deal». Er sei «der einzige Weg, um einen geordneten Austritt sicherzustellen». Die EU nehme die Ablehnung «mit Bedauern zur Kenntnis», erklärte Juncker weiter. Sie werde ihrerseits die Ratifizierung des Abkommens weiter fortsetzen. Die Kommission werde gleichzeitig ihre Notfallplanungen weiterverfolgen, damit die EU im Falle eines ungeordneten Austritts ohne Abkommen «vollständig vorbereitet» sei.

Die EU-Mitgliedstaaten haben wiederholt klargemacht, dass das vorliegende Abkommen das «beste und einzig mögliche Abkommen» sei. Damit schlossen sie aus, dass es zu Nachverhandlungen kommen könnte. Möglich wäre noch, die für den 29. März vorgesehene Austrittsfrist zu verlängern. Diese dürfte aber zum einen kaum über den Termin der Europawahlen am 23. bis 26. Mai hinausgehen, da vermieden werden soll, dass die Briten noch einmal an den Europawahlen teilnehmen müssen. Zum anderen müsste dafür eine deutliche Perspektive bestehen, damit es doch noch zu einem geordneten Brexit, also einem Austritt mit Abkommen, kommt.

Mit Material von AFP