Kampf der Bilder: Wenn Feder und Tinte zu scharfen Waffen werden

Kampf der Bilder: Wenn Feder und Tinte zu scharfen Waffen werden

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Ein Greis und ein Kleinkind. Beide in deutscher Uniform. Darunter der Schriftzug „Les derniers soldats du Kaiser“. Bildpostkarten wie diese entwickelten sich im Lauf des Ersten Weltkriegs zu einem wichtigen Propagandamittel.

Gedruckte Presse, Fernsehen, soziale Netzwerke: Die Menschen von heute sind einer nahezu grenzenlosen und überwältigenden Bilderflut ausgesetzt. Das war vor 100 Jahren noch ganz anders. Außer der gedruckten Presse gab es noch keine Medien und in Zeitungen waren Bilder rar. Schon allein deswegen erfreuten sich Bildpostkarten in jener Zeit großer Beliebtheit. Mit ihr ließen sich Botschaften leicht und besonders effektvoll übermitteln. Kein Wunder also, dass auch in den Kriegsjahren auf dieses Instrument mentaler Durchschlagskraft zurückgegriffen wurde. Sehr aktiv waren auf dem Gebiet der Propagandapostkarten die Franzosen. Der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt, wenn es darum ging, die „Boches“ und ihren Kaiser in ein schlechtes Licht zu stellen und die Leistungen der eigenen Soldaten sowie die der Alliierten zu würdigen. Es entstand ein regelrechter Postkarten-Boom, der Kampf der Bilder zog sich über die gesamte Dauer des Krieges.

Der Kaiser im Mittelpunkt

Immer wiederkehrende Motive auf den Karten sind patriotische, aber auch militärische Symbole. Der Feind wird häufig als Tier dargestellt: als Schwein etwa oder auch als Affe. Während es auf deutschen und österreichischen Karten (siehe auch „Jeder Tritt ein Britt, jeder Klaps ein Japs“) meist die einfachen Soldaten sind, die auf oft schreckliche Weise verunglimpft werden, zeichnen sich viele französische Karten dadurch aus, dass der deutsche Kaiser im Ziel des Spottes, der Verachtung, des Hasses steht. Häufig wurden auch Kinder in Uniform auf den Karten abgebildet. Was die künstlerische Qualität der Karten angeht, so ist diese stark schwankend. Es existieren hochwertige Arbeiten, doch oft handelt es sich dabei um rasch fertiggestellte Zeichnungen, die sich auf mehr oder weniger aktuelle Kriegsgeschehnisse bezogen. Mal stellte man den Feind als lächerlich dar, mal als teuflisch und menschenverachtend.

Millionenfach wurden die Karten während der Kriegsjahre verschickt. Gedacht waren sie eigentlich dazu, den Kampfgeist und das Durchhaltevermögen des eigenen Volkes zu stärken. Der Nebeneffekt einer psychologischen Kriegsführung war ursprünglich nicht das prioritäre Ziel der Herausgeber. Doch auch Feder und Tinte können zu scharfen Waffen werden …


„Quelle tristesse!“: „Ein Granatsplitter mitten ins Herz“

Meist wurden die Propagandapostkarten während des Krieges vor allem genutzt, um kürzere Mitteilungen über etwa den jeweiligen Gesundheitszustand an Verwandte oder Freunde zu senden. Ab und zu aber verraten sie uns heute mehr über das Schicksal der Menschen. So wie in diesem Fall bei einer Karte, die am 9. Juli 1916 aus Paris verschickt wurde.

Die obige Karte wurde in einem geschlossenen Briefumschlag verschickt, die Rückseite quasi als Briefpapier genutzt und vollgeschrieben.

 

„Bestrafung“ steht unter dem Bild auf der Vorderseite, das einen französischen Soldaten zeigt, wie er den auf seinem Bajonett aufgespießten Kopf des deutschen Kaisers präsentiert. „Bien cher Léon“ beginnt das Schreiben auf der Rückseite. Nach einer kurzen Erkundigung über den Gesundheitszustand des Adressaten verrät der Schreiber, dass eine gemeinsame Bekannte, Frau Forestier, gerade die Nachricht vom Tode ihres Bruders erhalten habe.

Er sei, so kann man lesen, im Alter von 25 Jahren, bei der brutalen Schlacht um das Fort Douaumont von einem Granatsplitter mitten ins Herz getroffen worden. „Quelle tristesse! Mon dieu, aurons-nous bientôt la fin de ce cauchemar?“ Doch noch sollten zwei schreckliche Kriegsjahre folgen.


„Jeder Tritt ein Britt, jeder Klaps ein Japs“

Deutsche Propagandapostkarte aus der Anfangszeit des Ersten Weltkriegs 1914.

Auch im deutschsprachigen Raum operierte man während des Krieges mittels Propagandapostkarten. Typisch bei den Karten aus dem deutschen Kaiserreich und aus Österreich ist die Charakterisierung des Gegners als ängstlicher Aggressor, der sich in die Hosen macht und auf alle möglichen Arten in die Flucht geschlagen wird. Dabei werden bestehende Vorurteile häufig visuell wie textlich verstärkt: die Franzosen werden als feige präsentiert, die Russen als verlaust und versoffen, die Engländer als verlogen, der Serbe als diebisch, …

Schlichte Reime

Der deutsche Soldat hingegen wird als stark und tapfer gezeigt. Die Wortbotschaften sind einfach und häufig auf simplistische Reime aufgebaut. So beispielsweise die oben gezeigte Karte aus dem Jahr 1914, wo es heißt: „Jeder Schuss – ein Russ, Jeder Stoss – ein Franzos‘“. Ähnliche Karten gibt es beispielsweise mit den Zeilen „Jeder Tritt – ein Britt, Jeder Klaps – ein Japs“. Weitere von solchen Karten bekannte Parolen sind „Serbien muss sterbien“ oder auch „Gott strafe England – Italien strafen wir selber“.