Jean Hansen aus Esch – Der Mann, der den Formel-1-Piloten an die Wäsche durfte

Jean Hansen aus Esch – Der Mann, der den Formel-1-Piloten an die Wäsche durfte

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Langeweile dürfte ein Fremdwort sein im Leben von Jean Hansen (70). Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2006 ist er Chef der Kfz-Kontrollstation in Esch.
Er spielt Saxofon und ist Präsident der Bergarbeitermusik. Als Sportkommissar bereiste er die Welt und kontrollierte die Formel-1-Piloten. Seine größte Leidenschaft aber ist seine Familie, ganz besonders die drei Enkelkinder. Am liebsten verreisen er und seine Ehefrau nach Italien. Jean gibt sich bescheiden und genießt die kleinen Freuden des Lebens.

Von Marco Goetz

Montagabend im Viertel Lallingen. Ein Appartement im vierten Stock. Die Rundumterrasse erlaubt einen Blick von Schifflingen bis nach Belval. Jean, ein sichtlich gut gelaunter Pensionär, bietet Kaffee an: „Aber nicht ohne ein Gläschen Grappa. Seine Frau schenkt ein.

1949, im August, kommt er in der rue Chimay mitten in Luxemburg-Stadt zur Welt. Die Eltern führen eine Bäckerei-Konditorei und ein Wirtshaus in Neudorf. Jean erzählt von der Großmutter, die Köchin bei Staatsminister Bech ist. Oder vom Bierzelt eines Onkels auf der Schobermesse.

In Neudorf besucht er die Grundschule. Anschließend das „Lycée des arts et métiers“. Er macht die Gesellenprüfung als Mechaniker und arbeitet kurze Zeit in der Autowerkstatt Losch. 1969 wechselt er zur Kfz-Kontrollstation in Sandweiler: „Damals ging es da noch gemütlicher zu.“ Er legt die Meisterprüfung ab und besucht die „Ecole supérieure du travail“.

Mit Fachwissen zum Motorsport

Mit dem nötigen Fachwissen gerüstet, hält er nebenberuflich Kurse für Kandidaten, die sich auf die Meisterprüfung vorbereiten. Auch angehende Fahrlehrer bildet er aus. So kommt er zum Motorsport. Eine Leidenschaft, die ihn bis heute nicht loslässt – und über die er stundenlang reden kann: Beim Karting, Truck-Racing und in der Formel 1 hat er damals seine Hände mit im Spiel. Zum Beispiel beim Großen Preis von Luxemburg 1997 und 1998 auf dem Nürburgring und bei der ersten Euro Racing Show auf Kirchberg. Oder 1973 in Monnerich, bei der Eröffnung der ersten Kartbahn Luxemburgs, die schnell international bekannt wird. Dort lernt er auch Michael Schumacher kennen, der an einer Luxemburger Kartlizenz interessiert ist. Er sei ihm noch öfters begegnet, sagt Jean, beispielsweise bei einem Fest in Kerpen: „Michaels Mutter hat meinem Sohn Mike eine Portion Pommes zubereitet. Der Junge schwärmt heute noch davon.“

Als Sportkommissar ist Jean auch bei der FIA zugelassen. Soweit seine Arbeit es ihm erlaubt, ist er bei den Formel-1-Rennen in Europa dabei. Er reist viel. „Meine Aufgabe war es, zu kontrollieren, ob die Fahrer die Vorschriften einhielten, dass sie zum Beispiel ihre feuerfeste Unterwäsche trugen.“

Die Wurlitzer im Wohnzimmer

Über Schifflingen und Dippach, wo er fünf Jahre lang für die LSAP im Gemeinderat sitzt, kommt er nach Esch/Alzette. Als 1993 dort die neue Kfz-Kontrollstation eröffnet wird, übernimmt Jean die Leitung. Er bleibt bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2006. Und er bleibt in Esch – bis heute.

Die Hauptstadt vermisse er nicht: „Ich bin überall gut aufgenommen worden.“ Kontaktscheu sei er nicht und: „Ich bin ein richtiger Vereinsmeier“, sagt Jean und erzählt begeistert, zum Beispiel von seiner Zeit in der Neudorfer Musik. Er spielt Saxofon und Klarinette. Heute ist er Präsident der Escher Bergarbeitermusik.

„Alles, was man macht im Leben, soll man gut machen“, betont er. Das gilt auch in Bezug auf seine Familie. Besonders seine drei Enkelkinder profitieren von dieser Einstellung und der vielen Zeit, die der Großvater mit ihnen verbringt. Sie sind auch mit dabei, wenn es demnächst im engen Familienkreis und mit guten Bekannten in die Ferien nach Italien geht.

Senigallia, Gubbio – und Maranello

An dieses Land haben Jean und seine Frau nämlich ihr Herz verloren. An Senigallia an der Adriaküste oder an Gubbio, wo Jean von langjährigen Freunden Giovanni di Lussemburgo genannt wird. Kein Wunder, scheut er doch nicht davor zurück, beim traditionellen Volksfest der „Tre Ceri“ lautstark „auf Straßen-Italienisch“ mitzusingen. Als echter Ferrarista fährt Giovanni natürlich auch gerne nach Maranello, dem Sitz der Scuderia, oder nach Modena ins Alfa-Romeo-Museum. Selbstredend, dass er auch der italienischen Küche sehr zugeneigt ist. Beispielsweise in der „Taverna del Lupo“ in Gubbio.

Jean erzählt, und zu fast jeder Geschichte gibt es Fotos. Eingeklebt ins Familienalbum, auf dem Computer gespeichert oder als Dekoration an den Wänden – sogar im Badezimmer. Ein echter Blickfang ist aber auch die Wurlitzer „Bubbler“ im Wohnzimmer. Prall gefüllt mit echten kleinen Schelllackschallplatten: Jazz, Pop und Klassik.

„Der Sound der Maschine ist richtig gut“, sagt er. So gut, dass er sich auf deren Rückseite ein kleines Teil hat anbringen lassen, damit er Musik vom Smartphone abspielen kann. Was Technik anbelangt, scheint Jean definitiv keine Berührungsängste zu haben. Bescheiden, wie er ist, verrät er jedoch, dass er Computerkurse in Düdelingen belegt.