Italien fordert Solidarität: Giuseppe Conte debattiert mit EP-Abgeordneten

Italien fordert Solidarität: Giuseppe Conte debattiert mit EP-Abgeordneten
Italiens Regierungschef Giuseppe Conte hat sich im Europaparlament harte Kritik anhören müssen.

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Wie positioniert sich die gegenwärtige italienische Regierung in der Europäischen Union? Wie steht sie zu den Werten und Prinzipien der Union? So manche EU-Parlamentarier erwarteten am Dienstagabend vom italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte Antworten auf diese Fragen.

Wie vor ihm bereits eine Reihe anderer EU-Staats- und Regierungschefs befasste sich gestern der italienische Ministerpräsident im Europäischen Parlament mit der Zukunft Europas. Wer Giuseppe Conte da reden hörte, würde kaum auf die Idee kommen, dass er einer Koalitionsregierung vorsteht, der eine rechtsextreme, populistische Partei wie die vom italienischen Innenminister Matteo Salvini geführten Lega angehört. Und vieles, was der Ministerpräsident vor den EP-Abgeordneten anführte, dürfte den Fraktionspartnern der Lega, der nationalistischen bis rechtsextremen Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF), im Europaparlament nicht gefallen haben.

Denn Conte sprach, wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, von einer „europäischen Souveränität“, deren Hüterin das EP sei, von Europa als einer „Schicksalsgemeinschaft“, die sich als „europäisches Volk“ definieren müsse. Er sprach von der Freizügigkeit der Personen, die mehr als alle andere Freizügigkeiten, des Kapitals, der Waren und Dienstleistungen, die wichtigste Errungenschaft sei. Das kann ausgeprägten Nationalisten nicht gefallen.

Conte prangerte die Kluft an, die in Europa zwischen „dem Volk“ und den Politikern entstanden sei. Diese hätten den Kontakt zum Volk verloren. Diesem müsse wieder Gehör verschafft werden. Die Entfremdung zwischen Volk und Politiker müsse wieder rückgängig gemacht werden, forderte der Italiener, ohne jedoch konkret zu erläutern, wie das geschehen soll.

Im Ungefähren blieb Giuseppe Conte auch, als er ein „starkes Europa“ in der Welt forderte. Konkret wurde ihm aber nachher von EU-Parlamentariern die Haltung seiner Regierung gegenüber Venezuela vorgehalten. Italien hatte verhindert, dass die EU geschlossen Juan Guaidó als Übergangspräsidenten anerkannte. Conte wurde vorgeworfen, auf Wunsch Russlands weiterhin Nicolás Maduro zu unterstützen.

Nur erwähnt hat Conte die Notwendigkeit einer weiteren Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, den Kampf gegen den Klimawandel, die gemeinsame Verteidigungspolitik, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, wobei er sich für die Einführung einer europäischen Arbeitslosenversicherung aussprach, die dazu beitragen könne, nationalistischen Tendenzen entgegenzuwirken.

Umverteilung von Flüchtlingen

Viel Raum widmete der italienische Ministerpräsident der Migrationsfrage. Dank Italien sei diese in den Mittelpunkt der europäischen Agenda gerückt worden. „Wer in Italien ankommt, kommt nicht in einem Drittland an, sondern in Europa.“ Diese Ansicht hätte sich mittlerweile in der EU durchgesetzt. Dennoch könnte Italien „nicht alleine die Ehre Europas retten“.

Giuseppe Conte forderte, dass alle EU-Mitgliedstaten Flüchtlinge aufnehmen müssten: „Es muss eine funktionierende Umverteilung geben. Die muss dann verpflichtend sein.“ Wonach er jedoch umgehend vom Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion Udo Bullmann darauf hingewiesen wurde, dass diese Umverteilung von EU-Staaten wie Ungarn und Polen verhindert würde. „Das sind doch die Freunde von Herrn Salvini“, ärgerte sich Bullmann, der durchaus Verständnis dafür zeigte, dass viele Italiener von den europäischen Partnern enttäuscht sind, da „Europa keine hinreichende Solidarität gezeigt hat“. Dennoch kritisierte er, wie andere auch, die derzeitige Flüchtlingspolitik der italienischen Regierung.

Und es blieb nicht nur bei dieser Kritik.

Auch die derzeitige Finanz- und Wirtschaftspolitik Italiens sowie die Solidarisierung des italienischen Vize-Ministerpräsidenten mit den Gelbwesten in Frankreich waren Angriffsfläche einiger Redner. Von denen sich manche so sehr in eine Abrechnung mit der italienischen Regierung verstiegen hatten, dass EP-Präsident Antonio Tajani darauf hinwies, dass die Debatte eigentlich der Zukunft der EU verschrieben sei.

Dennoch verteidigte Giuseppe Conte die Regierungspolitik, verwies auf Reformen und Infrastrukturprojekte, die in Italien angeschoben wurden, und erklärte, dass es große Investitionsprojekte gebe, um einer drohenden Rezession entgegenzuwirken. Und bei all dem wollte der Eindruck nicht weichen, dass es doch große Widersprüche gibt zwischen dem, was Conte erzählt und einige seiner Minister tun.

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