In Warschau zeigen sich die Differenzen der EU mit den USA

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Der amerikanische Vizepräsident Mike Pence hat am Donnerstag in Warschau die EU zum Austritt aus dem Wiener Atomabkommen mit dem Iran von 2015 aufgerufen. Donald Trumps Vize forderte dies erwartungsgemäß während eines von den USA und Polen gemeinsam organisierten Nahost-Gipfels, an dem über 60 arabische und europäische Staaten teilnahmen.

Von unserem Korrespondenten Paul Flückiger

Die meisten von ihnen waren allerdings nur mit auf die Nahostproblematik spezialisierten Staatssekretären angereist. So war zwar die österreichische Außenministerin in Warschau zugegen, Berlin aber entsandte nur Vizeaußenminister Niels Annen. Dieser legte kurz vor Pences Auftritt vor der Presse noch einmal klar, dass die EU in der Iran-Frage nicht gespalten sei und alle Mitglieder das Wiener Atomabkommen unterstützten.
Trump hatte dieses im Vorjahr einseitig aufgekündigt und gegen Iran wieder Wirtschaftssanktionen verhängt. „Es handelt sich dabei um die härtesten Sanktionen in der iranischen Geschichte“, brüstete sich Pence in Warschau. Nur so sei dem Iran beizukommen, der das Abkommen de facto unterlaufen habe.

Pence geißelte auch Teherans Unterstützung für bewaffnete Einheiten außerhalb des Iran, vor allem in Syrien. „Der Iran ist deshalb die größte Gefahr für Frieden und Sicherheit in Nahost“, sagte der Trump-Vize während des Warschauer Nahost-Gipfels. Die Beziehung mit Iran ist inzwischen einer der Hauptstreitpunkte zwischen Brüssel und Washington.
Erst im Januar hatten Deutschland, Frankreich und Großbritannien eine gemeinsame Zweckgesellschaft gegründet, die es ihnen erlaubt, am US-Embargo vorbei weiterhin legal mit Teheran Handel zu treiben. Japan und Südkorea hatten die Amerikaner zuvor bereits Ausnahmebewilligungen für den Rohölimport gewährt, nicht jedoch der EU. „Handel wird den Iran nur stärken und die EU schwächen“, warnte Pence, „das wird Europa weiter von den USA entfernen.“

Im Vorfeld der Konferenz, die sich angeblich nicht vorrangig um den Iran drehen sollte, war ein Werben der USA für eine „Koalition der Willigen“ gegen den Iran erwartet worden. Selbst das Gastgeberland Polen gab den USA allerdings betont kleinlaut zwar einstweilen einen Korb. Polen stehe hinter dem Wiener Atomabkommen, sagte Außenminister Jacek Czaputowicz kurz vor Konferenzbeginn. Dennoch wird darüber spekuliert, dass allenfalls die drei Baltenstaaten Estland, Lettland und Litauen, Rumänien und auch Polen die USA unterstützen könnten.

Israelis und Araber an einem Tisch

Am Rande der Nahostgipfel-Plenarsitzung im Nationalstadion kam es dennoch zu einem tatsächlich historischen Ereignis. Erstmals seit den 1990er Jahren saßen israelische und moderate arabische Spitzenvertreter wieder an einem gemeinsamen Verhandlungstisch. Ob es sich dabei um einen „historischen Wendepunkt“ handelt, wie das der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu sieht, muss sich erst in der Praxis zeigen.
Für den Israeli stellte es dennoch offensichtlich eine große Freude dar, in der polnischen Hauptstadt demonstrieren zu können, dass Israel in der Region nicht völlig isoliert ist. „60 Außenminister, darunter jene der führenden arabischen Länder, standen am Mittwochabend zusammen mit dem israelischen Regierungschef und haben stark und klar gegen die gemeinsame Bedrohung durch das iranische Regime gesprochen“, sagte Netanjahu.

Am Donnerstagmittag traf sich Netanjahu am Rande der Konferenz mit seinem polnischen Amtskollegen Mateusz Morawiecki zu bilateralen Gesprächen. Das bisher gute polnisch-israelische Verhältnis hatte sich ja vor Jahresfrist im Zuge des „Holocaust-Gesetzes“ bedenklich abgekühlt. Erst ein Einknicken der gewöhnlich in Fragen der Geschichtspolitik besonders rechthaberischen PiS-Regierung machte den Weg zu einer Annäherung wieder frei.

Die PiS hatte zuvor mit einem neuen Gesetz versucht, Fälle der polnischen Kollaboration beim Judenmord im Holocaust aus den Geschichtsbüchern zu verdammen und auch deren akademische Diskussion zu verhindern. Wie ein Akt der Versöhnung erschien vor diesem Hintergrund eine gemeinsame Kranzniederlegung von Morawiecki, Netanjahu und Pence am Warschauer Denkmal für die Opfer des Ghettoaufstandes von 1943.

Die jüdischen Aufständischen waren damals auch teils aus Beständen der polnischen Untergrundarmee mit Waffen beliefert worden. Nach dem Zusammenbruch des Aufstands fanden viele Kämpfer bei Polen Unterschlupf. Manche wurden indes auch an die Deutschen verraten. Ob die gewährte Hilfe angebracht oder zu wenig war, darüber wird weiterhin unter Historikern diskutiert. Klar ist indes, dass polnischen Judenhelfern mitsamt ihren Familien im Raum Warschau die Todesstrafe dafür drohte.

Für die Nahostkonferenz in Warschau war zuvor keine Abschlussvereinbarung ausgehandelt worden. Der von den USA in Polen organisierte Gipfel verstand sich laut offizieller Lesart als offener Meinungsaustausch, was US-Außenminister Mike Pompeo bei der Eröffnung des Plenums noch einmal betont hatte. „Jeder hat die gleiche wichtige Stimme“, behauptete er.

Im südrussischen Kurort Sotschi hatte dagegen Putin mit den großen Abwesenden des Warschauer Treffens kurzerhand einen Gegengipfel organisiert. Dort trafen sich am Donnerstag nämlich der iranische Staatspräsident Hassan Rohani and Recep Tayyip Erdogan, um mit den Russen über die Zukunft Syriens zu sprechen. Der große Abwesende von Sotschi war Assad.