In Luxemburg regeln die Eltern in der „Crèche Molli“ die Kinderbetreuung selbst

In Luxemburg regeln die Eltern in der „Crèche Molli“ die Kinderbetreuung selbst
Foto: Claude Lenert

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Sein Kind in die «Crèche» zu geben, ist meist eine schwierige Entscheidung. Welche hat das beste Angebot? Wie sind die Öffnungszeiten? Welches pädagogische Konzept wird gelebt? Das alles sind Fragen, die Eltern kennen. In der «Crèche Molli» bestimmen Eltern die roten Linien der Betreuung ihrer Kinder, und das schon seit 20 Jahren.

Die Fotocollagen von der großen Sause zur 20-Jahr-Feier im September sind noch frisch. Lauter zufriedene Gesichter, die in die Kamera schauen und gemütlich auf dem Außengelände beisammen sitzen. «Wir sind eine Asbl», sagt Christian Jacoby, Vizepräsident des Komitees, «dessen Vorstand aus zwölf Elternteilen besteht». In der «Crèche Molli» entscheiden sie, wer eingestellt wird, ob und wenn ja welcher Praktikant genommen wird, ob es eine Sonnenmarkise auf der Terrasse zum Schutz gibt oder welches Spielzeug fehlt und angeschafft wird.

Eltern managen auch die Finanzen der Betreuungseinrichtung mit Sitz in der hauptstädtischen rue Baudouin oder sorgen dafür, dass alle gesetzlichen Bestimmungen umgesetzt werden. Das ist eine Besonderheit. «Wir haben ein exklusives Mitspracherecht», sagt Jacoby, «wir sind der «Patron». Ein ehrenamtlich arbeitender «Patron».

«Klein» ist von Vorteil

Mitglieder zu werben, hat die Tagesstätte aufgegeben. Sie ruft sich vielmehr mit dem, was in Firmen «Incentives» genannt wird, in Erinnerung: kleinen Gaben, die die Eltern produzieren, wie Waffeln, deren Verkauf die Vereinskasse aufbessert. «Anstatt ihnen eine Mitgliedskarte in die Hand zu drücken, sind die Leute mit dem Gebäck viel froher», sagt Jacoby.

An Interesse mangelt es der ursprünglich vom «Centre commun de la sécurité sociale» (CCSS) für ihre Mitarbeiter gegründeten Kinderbetreuungseinrichtung sowieso nicht. Plätze sind wie überall Mangelware und begrenzt. 24 Kinder zwischen zwei Monaten und vier Jahren werden in dem ehemaligen Apartment betreut. Nur rund die Hälfte sind heute Kinder von CCSS-Mitarbeitern, die Tagesstätte steht mittlerweile jedem offen. Sie ist dennoch vergleichsweise klein. Die Atmosphäre ist familiär, was noch durch die Tatsache verstärkt wird, dass «Mamm» und «Papp» sich dort treffen, wo ihre Kinder sind, wenn Entscheidungen anstehen. Für Komitee-Präsidentin Sharon Conter war das Kriterium «klein» ein ausschlaggebendes. «Ich bin alleinerziehend mit zwei Kindern», sagt sie, «und ich wollte sie nicht in eine Crèche mit beispielsweise 60 Kindern geben.»

Luxemburgische Sprache wichtig

Ein weiteres Kriterium war die Pflege der luxemburgischen Sprache. Eine der Erzieherinnen deckt die ministerielle Auflage nach Mehrsprachigkeit mit Französisch ab. «Crèche»-Kinder sind mitten im Spracherwerb, wenn die Betreuung losgeht. Das dritte ausschlaggebende Pro waren für Conter, die bei der Pensionskasse arbeitet, die Öffnungszeiten. «In anderen Einrichtungen muss man sich eher fügen», sagt sie, «hier habe ich meine Arbeitszeiten angegeben und meine Kinder wurden dementsprechend betreut». Jacobys und Conters Kinder sind lange in der Einrichtung geblieben, beide haben das «Précoce» außen vor gelassen. «Der Wechsel in die ‹Spillschoul› war gar kein Problem», sagen beide.

Und dann ist da noch Christiane Lorang (57), Herz und Seele der Tagesstätte. «Lorry», wie die «Educatrice graduée» von allen genannt wird, bringt als «Chargée de direction» ihr gesammeltes Fachwissen für die Betreuung der Kleinen ein und ist in alle Entscheidungen eingebunden. Acht Personen arbeiten unter ihrer Leitung in den zwei Gruppen. «Lorry» macht zwar viel Büroarbeit, springt aber ein, wenn Not am Mann ist. Die neun Babys werden von zwei Personen betreut wie auch die 15 restlichen Kleinkinder bis vier Jahre. Das ist im Vergleich ein traumhafter Betreuungsschlüssel für die Babys. Normalerweise müssen sechs Kleinkinder im Alter zwischen null und zwei Jahren mit nur einem Betreuer auskommen, wie das Bildungsministerium mitteilt. Bei den Kleinkindern im Alter von zwei bis vier Jahren kommen acht Kinder auf eine Betreuungsperson.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum weder Vizepräsident noch Präsidentin des Komitees trotz Job, und obwohl sie alleinerziehend sind, die ehrenamtliche Arbeit zum Wohl ihrer Kinder nicht bereuen. Es geht ihnen und ihren Kindern gut dabei.